Am 16. und 17. März tauschen sich Fachleute auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) über neue Forschungsergebnisse aus. Zum Kongress-Start hat die DPG schon zentrale Ergebnisse zu Diagnose und Therapie der Erkrankung präsentiert. Medizinredakteurin Ulrike Till stellt in SWR2 Impuls den aktuellen Forschungsstand vor:
SWR2 Impuls: Gibt es einen Durchbruch in der Behandlung von Parkinson – oder ist zumindest einer in Sicht?
Ulrike Till: Wenn man mit Fachleuten für Parkinson spricht, ist viel Hoffnung zu spüren – aber ein Heilmittel ist leider immer noch nicht konkret in Sicht. „Wir gehen lange Wege“, so der Vorsitzende der DPG Professor Joseph Claßen im Vorfeld des Kongresses.
Seit einiger Zeit konzentriert sich die Therapieforschung vor allem darauf, das falsch gefaltete Protein alpha Synuklein im Gehirn von Parkinsonpatienten zu bekämpfen. Bei Betroffenen nimmt das Protein nicht die richtige dreidimensionale Form an: es kommt zu Verklumpungen, die im Gehirn genau die Nervenzellen schädigen, die für Bewegungen relevant sind.
Zwei experimentelle Antikörper waren in Studien zwar verträglich, blieben aber wirkungslos. Dagegen gilt eine erstmals getestete Impfung gegen alpha Synuklein immer noch als vielversprechend – man hofft, dass der Effekt stärker ist, wenn der Körper die Antikörper durch die Impfung selbst produziert und nicht wie bei den anderen Versuchen von außen zugeführt bekommt. Das ist aber noch sehr frühe Forschung.
Und wie sieht es bei der Diagnose von Parkinson aus, gibt es da wichtige Fortschritte?
Ulrike Till: Ja, da klingen viele Expertinnen und Experten regelrecht euphorisch. Die Diagnose lässt sich immer verlässlicher und auch immer früher stellen. Das ist für die optimale Behandlung entscheidend: Denn in den letzten Jahren hat sich immer deutlicher gezeigt, dass Parkinson zwar oft sehr ähnliche Symptome hervorruft – dass dahinter aber unterschiedliche Prozesse im Gehirn stehen.
Das Grundproblem ist gleich: die Nervenzellen, die den wichtigen Botenstoff Dopamin produzieren, sterben ab. Aber bei einigen Kranken wird dieser Tod der Dopamin-Neuronen ausgelöst durch falsch gefaltetes alpha Synuklein – darüber haben wir ja gerade schon gesprochen. Bei anderen dagegen ist ein anderes Protein, nämlich Tau, krankhaft verändert. Verbindungen zwischen Nervenzellen dienen als Ausbreitungsroute für diese krankhaften Tau-Proteine.
Diese Proteine spielen auch bei Alzheimer eine Rolle. Wenn neue Wirkstoffe getestet werden, muss man gezielt die richtigen Probanden auswählen – das geht nur, wenn man weiß, was genau jeweils falsch läuft im Gehirn. Warum bestimmte Eiweiße im Gehirn verklumpen, bleibt oft unklar. Manchmal sind die Ursachen genetisch; auch Umweltgifte können Parkinson auslösen.
Lassen sich die Veränderungen im Gehirn jetzt einfacher feststellen als früher?
Ulrike Till: Genau, da hat sich ganz viel getan. Bisher braucht man zwar immer noch Nervenwasser aus dem Rückenmark, um alpha Synuklein verlässlich aufzuspüren. Aber das könnte bald auch über eine einfache Blutprobe klappen, das wäre ein riesen Fortschritt.
Und die Nuklearmedizin hat sich bei der Diagnose von Parkinson auch deutlich weiterentwickelt. Mit bestimmten Verfahren lassen sich da inzwischen auch die verklumpten Tau-Proteine und andere Warnzeichen entdecken. Außerdem können spezielle Messungen der Hirnströme im EEG krankhafte Schwingungen nachweisen. All das führt dazu, dass Parkinson-Ambulanzen die Diagnose deutlich schneller stellen können als früher.
Riechstörungen sowie Schreien und um sich schlagen im Schlaf sind mögliche frühe Warnzeichen für Parkinson. Wenn beides gemeinsam auftritt, sollten Betroffene sich neurologisch untersuchen lassen.
Und was bringt die frühe Diagnose, wenn es kein Heilmittel gibt?
Ulrike Till: Wenn die Krankheit früh entdeckt wird, lassen sich beginnende Symptome mit Medikamenten in der Regel gut behandeln – so kann man den Patienten einiges an Leid ersparen und eventuell auch das weitere Fortschreiten der Bewegungsstörungen herauszögern.
Ganz wichtig ist, dass sich Parkinson auch mit Bewegung und Ernährung positiv beeinflussen lässt: Mehrere Studien zeigen, dass Ausdauersport dem Abbau von körperlichen und geistigen Fähigkeiten bei Menschen mit Parkinson entgegenwirkt. Auch eine mediterrane Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten gilt als günstig.
Gibt es denn noch weitere Ansätze, wie man Betroffenen im Alltag besser helfen kann?
Ulrike Till: Ein wichtiger Schwerpunkt des Online-Parkinsonkongresses in diesem Jahr sind virtuelle Workshops für Pflegekräfte in der sogenannten „Multidisziplinären Akademie“. Logopäden, Neurologinnen, Musik- und Ergotherapeuten tauschen sich da mit Physiotherapeutinnen über neue Ansätze aus. Es geht zum Beispiel darum, wie sich die quälenden Schluckstörungen bei Parkinson durch ein gezieltes Ausatem-Training deutlich bessern lassen.
Wer an Parkinson leidet, könnte auch von spezieller Physiotherapie und kognitiven Übungen profitieren – es gibt hervorragende Konzepte, bisher allerdings erreichen solche maßgeschneiderten Programme viel zu wenige Betroffene. Fachleute kritisieren das und fordern dringend bessere Angebote für das Gros der Patientinnen und Patienten.