Wie genau die Hitzestifte nach Insektenstichen den Juckreiz linden sollen, ist noch nicht geklärt. Auch Kälte und Elektrostimulation sollen helfen.

Medizin oder Hightech-Schamanismus?

Hitzestift soll Juckreiz bei Insektenstichen lindern

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Autor/in
Frank Wittig
Frank Wittig, Reporter für SWR Wissen aktuell
David Beck
Bild von David Beck, Reporter und Redakteur SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR Kultur Impuls.

Dieses Jahr sind besonders viele Stechmücken unterwegs. Nach Insektenstichen versprechen spezielle Hitzestifte schnelle Hilfe gegen den lästigen Juckreiz. Wie funktionieren diese Stifte und wie wirksam sind sie wirklich?

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Welches ist das für den Menschen gefährlichste Tier auf diesem Planeten (abgesehen vom Menschen selbst natürlich)?: Die Stechmücke. Etwa 800.000 Menschen fallen ihr jedes Jahr zum Opfer. Denn sie überträgt Infektionskrankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber.

Glücklicherweise nicht in Mitteleuropa – noch nicht. Aber lästig sind die kleinen Blutsauger allemal. Während sich die Männchen ausschließlich und die Weibchen maßgeblich von süßem Nektar ernähren, brauchen die Weibchen einen besonderen Saft, um ihre Eier heranreifen zu lassen: Blut.

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Bei Insektenstichen sorgt die Reaktion auf spezielle Eiweiße für den lästigen Juckreiz

Um das Blut zu bekommen, säbeln sie mit ihrem Stechrüssel ein Loch in unsere Haut und spritzen spezielle Eiweiße in die Einstichstelle, um das Blut dünnflüssig zu halten. Der Körper antwortet an dieser Stelle mit einer allergischen Reaktion, die wir als Quaddel sehen und als nicht selten gemeinen Juckreiz spüren können.

Insektenstiche verursachen oft einen lästigen Juckreiz. Hitzestifte versprechen schnelle Abhilfe. Doch die Forschung wurde meist von den Herstellern selbst finanziert und ist daher nicht wirklich unabhängig.
Insektenstiche verursachen oft einen lästigen Juckreiz. Hitzestifte versprechen schnelle Abhilfe. Doch die Forschung wurde meist von den Herstellern selbst finanziert und ist daher nicht wirklich unabhängig.

Hitzestifte versprechen schnelle Hilfe nach Insektenstichen

Glücklicherweise gibt es schnelle Hilfe: Hitzestifte, die man sich auf den Stich drückt und die dann kurz heiß werden. Gerade hat die Stiftung Warentest die Helferlein wieder getestet und nur gute und sehr gute Wertungen vergeben.

Die Dinger sind beliebt. So hat der Beurer BR 90 satte 32.732 Wertungen und bringt es auf beachtliche 4,5 Sterne bei der Kundenzufriedenheit. Nur eine Frage bleibt bisher unbeantwortet: Wie wirken die Stifte eigentlich. Ist das Medizin oder High-Tech-Schamanismus?

Wirkmechanismus der Hitzestifte noch unklar

Das am häufigsten kolportierte Wirkmodell sagt: Die Eiweiße denaturieren durch die Hitze. Ist ja auch super-plausibel: Man denke an das Frühstücksei: Nach dem Gerinnen sieht das Eiweiß ganz anders aus, als vorher. Wenn das mit den Anti-Gerinnungs-Faktoren passiert, funktionieren die sicher nicht mehr. Und offenbar regt sich dann auch unser Immunsystem ab. Der Juckreiz flaut zuverlässig ab.

Auch Kälte oder Elektrostimulation lindert Juckreiz nach Insektenstichen

Einen nicht unerheblichen Schönheitsfehler hat die Hitzetheorie allerdings: Das Ganze funktioniert auch mit Kälte. Sogar mit einer leichten Elektrostimulation der Einstichstelle kann man den Juckreiz vertreiben. Deshalb hat in den letzten Jahren ein anderes Wirkmodell an Bedeutung gewonnen: Nennen wir es Neurostimulation, in Anlehnung an ein Verfahren, das in der Medizin zur Behandlung chronischer Scherzen zum Einsatz kommt.

Hier wird Strom in verletzte Nerven geleitet, um chronische Schmerzen zu lindern oder gar auszuschalten. Das Stromsignal „überdeckt“ irgendwie das Schmerzsignal. Aber auch hierbei ist nicht ganz klar, wie es letztlich funktioniert. Aber die Hitzebehandlung könnte auch so ähnlich funktionieren.

Stechmücken injizieren beim Stich bestimmte Eiweiße. Der Juckreiz wird schließlich die Reaktionen des Körpers auf diese fremden Eiweiße verursacht. Hitzestifte sollen den Juckreiz mildern.
Stechmücken injizieren beim Stich bestimmte Eiweiße. Der Juckreiz wird schließlich die Reaktionen des Körpers auf diese fremden Eiweiße verursacht. Hitzestifte sollen den Juckreiz mildern.

Placebo-Effekt als weiteres Erklärmodell für Wirksamkeit der Hitzestifte

Ein drittes Erklärungsmodell für die Wirksamkeit der Hitzestifte – vielleicht ja auch nur für einen Teil ihrer Wirksamkeit, lässt sich auch nicht von der Hand weisen: Es ist High-Tech-Schamanismus. Es wirkt der Placebo-Effekt. Heilung durch Suggestion.

Bei Missempfindungen sind wir – das ist in zahlreichen Studien nachgewiesen – besonders empfänglich für den Placebo-Effekt. So gab es vor fast zwanzig Jahren eine große Schmerz-Studie in Deutschland, bei der Akupunktur gegen übliche Schmerzmittel antrat. Die Akupunktur war deutlich wirksamer als die Schmerzmittel.

Nur: Es war egal, ob man in die Akupunkturpunkte stach oder irgendwo ins Gelände. Ja selbst die Placebo-Nadeln, die – für die Patienten nicht sichtbar – gar nicht wirklich in den Körper stachen, hatten denselben Effekt. Ein Stich in den Körper hat starke Suggestiv-Kraft.

Diese Grenzüberschreitung muss doch eine Wirkung haben. Und wenn man dann noch an Meridiane und die chinesische Lebenskraft Chi glaubt, umso besser. Analog dazu könnte der Hitzestift – in einer westlich geprägten Ingenieurskultur – seine heilende Wirkung entfalten. Hitze hin oder Kälte her. Wer heilt, hat nicht unbedingt recht. Aber er heilt – und darauf kommt es letztlich an.

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