Merkur, Venus, Erde. Und dazu Mars. Das sind die vier Gesteinsplaneten in unserem Sonnensystem. Will man wissen, wie sie entstanden sind, muss man in ihr Inneres schauen. Das ist schwierig, aber machbar - indem man Bebenwellen aufzeichnet, die aus dem Inneren eines Planeten an dessen Oberfläche dringen.
Mars-Seismometer "Insight" registriert kleinste Bodenbewegungen
Im Fall des Mars ist es der NASA im November 2018 gelungen mit der Sonde „Insight“ ein Seismometer, ein Gerät zur Aufzeichnung von Marsbeben, auf die Marsoberfläche zu bringen. Es ist superempfindlich und kann kleinste Bodenbewegungen in der Größenordnung eines Atomdurchmessers nachweisen.
Seine Empfindlichkeit ermöglicht es ihm, auch noch Ausläufer von relativ schwachen Erdbeben, deren Epizentren über 1500 Kilometer entfernt liegen, aufzuzeichnen. Auf der Erde wäre das nicht möglich. Denn hier sorgen die Gezeiten und die Brandungswellen der Meere für zu viel seismische Hintergrundgeräusche.
Mars bebt nur schwach
Über 400 Marsbeben hat Insight in den ersten beiden Jahren seiner Messkamapagne auf dem Mars registriert. Die heftigsten Erschütterungen erreichten Bebenstärke 4. Damit ist der Mars ein schwach bebender Planet. Zum Vergleich: Das stärkste bislang gemessene Erdbeben erreichte die Stärke 9.5 und war damit millionenfach energiereicher, als die jetzt gemessenen Marsbeben. Irdische Starkbeben entstehen, wenn sich ineinander verhakte Erdplatten auf einen Schlag voneinander lösen.
Dem Mars fehlen aber solche Kontinentalplatten, er verfügt über eine einheitliche Kruste ohne Plattengrenzen. Deshalb sind die typischen Marsbeben relativ sanfte Ereignisse, die ein Mensch lediglich im Epizentrum des Bebens und wenige Kilometer drumherum spüren könnte. Hunderte oder tausende Kilometer vom Epizentrum entfernt machen sich diese Marsbeben nur noch durch kleinste Bodenbewegungen bemerkbar.
Mars hat einen flüssigen Kern
Dem superempfindlichen Seismometer von Insight entgehen sie aber nicht. Mit Hilfe dieser ersten seismologischen Station auf einem anderen Planeten ist es nun gelungen, ein paar Geheimnisse des Mars zu entschlüsseln.
Die Bebenwellen haben beispielsweise verraten, dass der Mars tatsächlich über einen flüssigen Kern verfügt. Und dieser Kern ist überraschend groß. Die gemessene Größe liegt am oberen Rand der Erwartungen: 1560 km, das ist fast der halbe Marsradius, wird vom flüssigen Planetenkern eingenommen. Er besteht aus Eisen und Nickel, ist aber trotzdem für seine Größe vergleichsweise leicht.
Der Mars ist in der frühesten Urzeit unseres Sonnensystems entstanden
Daraus lassen sich zwei Dinge ableiten: Der Kern muss neben Eisen und Nickel noch leichtere Elemente enthalten, die seine Dichte reduzieren. Diese leichten Elemente können nur aus der Staubwolke stammen, aus der sich der Planet Mars einst gebildet hat.
Doch diese leichten Elemente waren im Inneren Teil der Staubwolke, wo sich Mars gebildet hat, nur zu einem Zeitpunkt vorhanden – und zwar in der allerfrühesten Phase der Entstehung unseres Sonnensystems. Damals leuchtete die junge Sonne noch nicht stark genug, um durch Strahlungsdruck die leichten Elemente aus dem Innenbereich weg und weit hinaus an den äußeren Rand der Staubscheibe zu drücken. Also: Mars muss bereits in der allerfrühesten Urzeit unseres Sonnensystems entstanden sein.
Mars bestand anfangs vollständig aus aufgeschmolzenem Material
Dass der Mars über einen flüssigen Metallkern verfügt, zeigt außerdem, dass die Planetenkugel, als sie sich bildete, zunächst durch und durch aus aufgeschmolzenem Material bestand. Andernfalls hätten die schweren Elemente Eisen und Nickel nicht die Zeit und Möglichkeit gehabt, komplett ins Zentrum der Planetenkugel hinab zu sinken.
Mit Hilfe der Daten aus den Marsbeben entdeckten die Forschenden darüber hinaus, dass dem roten Planeten in seinem Mantel jene isolierende Gesteinsschicht fehlt, die im Fall der Erde das Auskühlen des Planetenkerns bremst. Trotzdem ist der Marskern heute noch flüssig. Ein Grund dafür dürften die in seinen Kern eingemischten leichten Elemente sein, welche die Schmelztemperatur des Kernmaterials herabsetzen – ähnlich, wie das Salz in Wasser tut.
Magnetfeld des Mars zehnmal stärker als bislang angenommen
Die Insight-Sonde hat neben Marsbeben auch das Magnetfeld an der Marsoberfläche gemessen. Überraschendes Ergebnis: Es ist 10-mal stärker als man das aufgrund von Satellitenmessungen bislang berechnet hatte. Zurückgerechnet in die Marsvergangenheit bedeutet das, dass das frühere Mars-Magnetfeld in seiner Stärke durchaus dem der Erde vergleichbar gewesen sein muss und einen ähnlich guten Schutz vor kosmischer Strahlung geboten hat.
Marskruste ist die dünnste von drei Segmenten
Ein flüssiger Kern, ein Gesteinsmantel, dem die Isolierschicht fehlt – und was ist mit der Kruste? Wie im Fall der Erde ist die Marskruste die dünnste der drei großen Segmente, in die sich der Aufbau des Planeten einteilen lässt. Hier sagen die Insight-Daten, dass die Krustendicke in weiten Teilen zwischen 20 und 30 Kilometer liegt, an manchen Stellen aber auch bis zu 70 Kilometer betragen kann. Die Erde bringt es auf 7 bis 40 Kilometer Krustendicke.
Ein paar Marsrätsel sind nun also gelöst. Aber noch viele spannende Fragen offen: Sind noch stärkere Beben als nur Stärke 4 möglich? Mit den Wellen stärkerer Marsbeben könnten die Forschenden den Planeten noch besser „durchleuchten“ und so beispielsweise herausfinden, ob sich im flüssigen Planetenkern noch ein fester innerer Kern verbirgt, wie das auch bei der Erde der Fall ist.
Marssonde steht im Bebenschatten des Marskerns
Starkbeben könnten möglicherweise in der Vulkanregion des Mars entstehen. Aber genau aus dieser Ecke des Planeten kam bei den bisherigen Messungen nur seismisches Schweigen. Der Grund dafür könnte aber sein, dass Bebenwellen, die dort entstehen, wegen des unerwartet großen Kerns des Mars den Standort von Insight nicht erreichen können.
Die Marssonde steht in Bezug auf die Marsvulkane im Bebenschatten des Marskerns. Um Licht in diesen Schatten zu bringen, wäre noch ein zweites oder drittes Seismometer auf den Mars notwendig. Der große Traum der Seismologinnen und Seismologen wäre freilich ein ganzes Netzwerk von auf Drohnen montierten Marsseismometern, die an verschiedenen Standorten flexibel einsetzbar sind. Ob sich dieser Forscherwunsch jemals erfüllen lässt, ist völlig offen.
Mars-Maulwurf steckt in der Oberfläche des Mars fest
Und offen bleiben muss auf absehbare Zeit auch die Frage nach der Menge an Wärme, die aus dem Inneren des Mars an seine Oberfläche transportiert wird. Der sogenannte „Marsmaulwurf“, ein von der Deutschen Luft und Raumfahrt (DLR) zur Insight-Mission beigesteuertes Messgerät, hatte es trotz monatelanger Bemühungen nicht geschafft, sich tief genug in die Marsoberfläche einzugraben, um entsprechende Messungen vornehmen zu können.