Der Name, den die NASA dem kleinen Mars-Helikopter mit seiner neuartigen Mission gegeben hat, sagt schon Einiges: "Ingenuity" heißt der Mini-Helikopter, übersetzt "Einfallsreichtum" oder auch "Raffiniertheit". Es ist eine zusammenklappbare Leichtbau-Konstruktion mit vier dünnen Landebeinen und zwei Rotoren. Die Entwicklung hat mehrere Jahre gedauert und 85 Millionen Dollar gekostet.
An Bord des Mars-Helikopters befindet sich außerdem ein kleines Stück Stoff – eine Art Talisman, denn es ist der gleiche Stoff, mit dem die Gebrüder Wright die Tragflächen ihres Flugzeugs für den ersten Motorflug auf der Erde bespannten. Ein Flug auf dem Mars unterscheidet sich aber von einem Flug auf der Erde. Der Mars ist in mancher Hinsicht völlig anders als unser Heimatplanet.
Andere Flugbedingungen als auf der Erde
Die Atmosphäre des Mars ist viel dünner als die der Erde. Wie viel, erklärt die Planetengeologin Daniela Tirsch vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum: "Auf dem Mars haben wir einen Atmosphärendruck, der beträgt in etwa nur ein Prozent von dem, was wir auf der Erde haben." Zum anderen setzen sich Mars- und Erdatmosphäre unterschiedlich chemisch zusammen. Die Marsatmosphäre bestehe fast ausschließlich aus Kohlendioxid mit kleinen Anteilen von Stickstoff, Argon "und sogar ein bisschen Wasser". In der Erdatmosphäre dominiert Stickstoff und es gibt einen nennenswerten Anteil Sauerstoff.
Die dünne Marsatmosphäre ist eine Herausforderung. Daher wurden immer wieder Flugversuche in einer Mars-Simulationskammer gestartet, um die Form der Rotoren von Ingenuity zu optimieren und die beste Drehzahl für den notwendigen Auftrieb zu finden. Das Ergebnis: Ingenuity kann auf dem Mars abheben, wenn die zwei 1,20 Meter langen, gegenläufig drehenden Propeller über 2.400 Mal in der Minute rotieren, etwa fünfmal schneller als bei einem normalen Hubschrauber.
Geringes Gewicht verbessert die Erfolgschancen
Auf der Erde wiegt Ingenuity 1,8 Kilogramm, doch auf dem Mars ist der Helikopter noch leichter, weil dort die Schwerkraft nur sehr gering ist. Das liegt daran, dass der Mars eine deutlich geringere Masse hat als die Erde. Auf dem Mars wiegt der Helikopter laut Tirsch nur etwas mehr als ein halbes Kilogramm, "was den Flugversuch sicherlich erleichtern wird."
Zuerst fand die Planetengeologin das Vorhaben der NASA "schräg". Inzwischen kann sie sich vorstellen, dass der Flug erfolgreich sein wird.
Schon das Abwerfen der Schutzhülle wurde immer wieder getestet, so wie das Absetzen des Mini-Helikopters, der an der Unterseite des Mars-Rovers Perseverance angebracht war.
Routen für spätere Astronaut*innen erkunden
In ihrer letzten Pressekonferenz zeigten sich die NASA-Verantwortlichen stolz, verglichen ihr Projekt mit dem ersten irdischen Motorflug der Geschichte durch die Gebrüder Wright im Jahr 1903 und betonten die zukünftigen Möglichkeiten für die Wissenschaft, wenn man es wirklich schafft, auf dem Mars zu fliegen.
Gelingt der Flug, könnte man auch die Routen von künftigen Rovern - oder später Astronaut*innen - im Vorfeld sicher erkunden und dadurch viel besser planen.
Erster Erfolg: Helikopter sicher auf Mars abgesetzt
Bislang konnte die NASA nur mit aufwändigen Animationen die geplanten Abläufe auf dem Mars zeigen: Nach dem Absetzen rollt der Rover Perseverance zur Seite und Ingenuity lädt seine Lithium-Ionen-Akkus auf. Jetzt aber zeigen immer wieder neue Fotos, dass wirklich alles so funktioniert hat wie geplant und der Mini-Helikopter bei bis zu minus 90 Grad Celsius auf seinen Einsatz wartet.
Den Flugplatz für den Start hat man passend ausgewählt. Das Terrain ist sehr flach und frei von größeren Steinen, die vor allem die Landung nach den Testflügen behindern könnten. Die NASA hofft, dass die Elektronik von Ingenuity unter den extremen Marsbedingungen lange genug durchhalten wird, um die fünf geplanten Flüge durchzuführen.
Vom Marsrover Perseverance gefilmt
Erwartet wird der erste Flugversuch in der zweiten Aprilhälfte. Durch seine leistungsfähigen Prozessoren kann sich Ingenuity dabei in jeder Flug-Phase selbst steuern, gefilmt von Perseverance, der in sicherer Entfernung geparkt ist. Der Mini-Helikopter wird in maximal 5 Metern Höhe fliegen, unterstützt von einem Laser-Höhenmessgerät, das auch für eine sichere Landung sorgen soll. Denn erst dann wird man sagen können: Der erste Motorflug auf einem fremden Planeten ist geglückt.