Das Coronavirus hat sich seit seinem ersten Auftauchen zwar unablässig verändert – aber nicht so sehr, dass man von einem neuen Virenstamm reden könnte, der dann ein anderes, noch gefährlicheres Krankheitsbild auslösen würde.
Wirkung der Impfungen nicht gefährdet
Das Virus hatte sich bislang kaum an den Stellen seines Bauplans verändert, an denen die Impfstoffe ansetzen werden. Bislang. Die in England und Südafrika gefundenen beiden Virusvarianten weisen nun aber durchaus bemerkenswerte Veränderungen an ihrer Außenseite, also auf der Virushülle auf. Diese Veränderungen sind nicht so massiv, dass die Wirkung von Impfungen sofort gefährdet wäre. Aber bei weiterer Mutation des Virus könnte in wenigen Jahren eine Anpassung der Impfstoffe notwendig werden.
Das Virus hat eine Mutation an der Bindungsstelle. Das kann, so die Einschätzung des Virologen Christian Drosten, zwar Auswirkungen auf den einen oder wenige Antikörper haben, die binden dann vielleicht schlechter. Aber er sagt, dass die Impfstoffe eine Riesenmischung von Antikörpern als Reaktion hervorrufen und das daher kaum eine Rolle spielen wird. Außerdem hätten die T-Zellen, die durch die Impfstoffe aktiviert werden, ganz andere Erkennungsstellen und würden daher genauso wirken wie vorher. Mehr Erkenntnisse werden durch die Laboruntersuchungen der Briten in dieser Woche erwartet.
Ansteckender, aber nicht unbedingt gefährlicher
Das jetzt gefundene, veränderte Coronavirus scheint ansteckender zu sein – das heißt nicht, dass es auch gefährlicher ist. Aber ein ansteckenderes Virus kann mehr Menschen gleichzeitig in Gefahr bringen oder aus Sicht des Virus gesprochen: Ansteckender zu sein, bietet dem Virus den Vorteil, an noch mehr Menschen zeitgleich austesten zu können, mit welchen nächsten Mutationen es noch ein Stufe ansteckender werden kann.
Wo ist das Virus erstmals aufgetaucht und wann?
Diese Mutation wurde schon im September in England beschrieben und danach in diversen anderen Ländern wie zum Beispiel Italien, Holland, Dänemark und Australien. Experten gehen daher auch davon aus, dass diese Virusvariante bereits in Deutschland aufgetreten ist. Allerdings werden in Deutschland nicht wie in Großbritannien beispielsweise fünf bis zehn Prozent aller positiven Virusproben komplett sequenziert. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die neuartige Virus-Variante bereits nach Deutschland eingeschleppt wurde.
Ist die neue Corona-Variante tatsächlich 70 Prozent ansteckender?
Bisher sind die Meinungen der Wissenschaftler dazu nicht einheitlich. Der Chefvirologe der Charité, Christian Drosten, geht davon aus, dass die Mutation nicht viel ansteckender ist als das Original. Er geht davon aus, dass die 70% wohl ein Schätzwert sind, der die Wachstumsrate beschreibt und nicht die Ansteckungsrate selbst. Das heißt schlicht, diese Virus-Variante hat offenbar ein extrem hohes Wachstum in verschiedenen Regionen in Großbritannien gezeigt.
Mangelnde Kontaktbeschränkungen könnten auch zu explosivem Anstieg geführt haben
Drosten erklärt, man müsse fragen, ob tatsächlich die neue Mutation des Virus für den rasanten Anstieg der Infektionen verantwortlich sei oder ob es daran liegen kann, dass gerade in diesen Regionen die Kontaktbeschränkung nicht gut funktioniert habe. Falls das der Hintergrund ist, dann hätte sich jede Virusvariante so hoch explosiv vermehren können. Dafür spricht nach Drostens Einschätzung auch, dass sich die Virusmutation in den anderen Ländern, in denen sie auch gefunden wurde, gar nicht groß vermehrt hat.
Sicher ist: Die Mutation hat das alte Virus erfolgreich verdrängt
Andere Virologen sind der Meinung, dass die rasche Verbreitung der Mutation in England schon darauf hinweist, dass sie ansteckender ist. Britische Virologen haben die Erhöhung des R-Wertes durch diese neue Variante auf 0,4 geschätzt. Das sind erstmal grobe Schätzungen, aber sie weisen daraufhin, dass die neue Variante die alte offenbar erfolgreich verdrängt.
Ist bekannt, wie gefährlich das Virus ist?
Die Datenlage ist da noch sehr lückenhaft. Britische Wissenschaftler arbeiten fieberhaft an Datenanalysen. Sie versuchen, herauszufinden, ob das mutierte Virus tatsächlich ansteckender ist und auch, welche biologische Eigenschaften der Mutation einen möglichen evolutionären Selektionsvorteil verschafft haben. Dabei ist die Sequenz dieser Virus-Mutation schon bekannt. Christian Drosten sagt, am auffälligsten sei die Veränderung an der stacheligen Außenhülle des Virus – also im Spike-Protein.
Kontaktminimierung soll Virus ausbremsen
Klar ist, dass ein ansteckenderes Virus mehr Menschen gleichzeitig in Gefahr bringen kann. Das könnte letztlich in einen Teufelskreis führen, indem die Infektionszahlen und die Todesfallzahlen immer weiter ansteigen. Um diese verhängnisvolle Spirale zu unterbinden, gibt es, solange nicht große Teile der Bevölkerung geimpft sind, nur ein Mittel. Und das ist die Kontaktminimierung.