Noch vor wenigen Monaten hieß es, dass sich das neuartige Coronavirus im Sommer zurückziehen könnte – so wie die Grippe. Experten sind da skeptisch.
Am Anfang der Corona-Pandemie hat man immer wieder gehört, dass das Virus im Sommer quasi wie von allein verschwinden könnte. Denn Wärme und Sonne machen es Grippe- und Erkältungserregern schwerer, sich zu verbreiten. Das könnte auch für das neuartige Coronavirus gelten. Der Sommer könnte dafür sorgen, dass es sich schlechter ausbreitet. Aber reicht das auch, um die Pandemie zu beenden?
Prof. Dr. Bodo Plachter, Stellvertretender Direktor des Instituts für Virologie an der Uni Mainz, glaubt nicht an ein Sommerwunder.
Natürliches UV-Licht kann nur bedingt helfen
Aber dann gibt es da ja noch das UV-Licht… Experten zufolge kann das Virus auf Oberflächen mit direkter Sonneneinstrahlung zerstört werden. Der US-amerikanische Präsident Donald Trump schlug daraufhin sogar vor, Ärzte sollen Patienten mit starkem UV-Licht bestrahlen. Absurd, findet Plachter.
Unterschiede zur Influenza
Der Effekt, den der Sommer auf die Ausbreitung von SARS-CoV2 hat, darf also nicht überschätzt werden. Auch wenn Grippeerreger im Sommer weitgehend zurückgedrängt werden, muss das nicht auch für das neuartige Coronavirus gelten. Ein Grund: fehlende Immunität in der Bevölkerung.
Das Robert-Koch-Institut verweist dazu auch auf den Schweinegrippeerreger H1N1. Der war im Frühling 2009 ausgebrochen und habe viele Grippefälle noch bis ins folgende Jahr ausgelöst.
Trotzdem: Atemwegserkrankungen können sich vor allem dann gut ausbreiten, wenn sich mehrere Menschen in Räumen mit trockener Heizungsluft aufhalten. Im Sommer sind wir aber öfter an der frischen Luft – der Luftaustausch ist größer. Alles in allem geht der Berliner Virologe Christian Drosten deshalb davon aus, dass die Ansteckungsrate im Sommer zurückgeht – wenn auch nur wenig.
Unsichere Aussichten
Und dann? Erwartet uns im Herbst oder Winter eine zweite Infektionswelle? Vielleicht, sagt Plachter.
Wie es Ende des Jahres weitergeht, hängt laut Experten zum Beispiel von der Zahl der Infizierten im Spätsommer, der Unterbrechung von Infektionsketten sowie von Therapiemöglichkeiten ab. Solange es keinen Impfstoff gibt, rechnet Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektologie in München Schwabing, mit einem Anstieg der Infektionen ab Oktober.
Also wird uns das Virus wohl noch bis ins nächste Jahr begleiten. Und ob dann verschobene Events wie Olympia und die Fußball-EM der Männer nachgeholt werden können, ist unklar.
Dass der Sommer das Virus schlagartig ausrottet – jedenfalls daran glaubt mittlerweile niemand mehr.