Möglicherweise gibt es bald mehr fertig ausgebildete Lehrkräfte für Grundschuln als benötigt werden, laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Bildungspolitik

Bertelsmann-Studie: Bald zu viele Lehrkräfte für Grundschulen

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Schon ab dem nächsten Schuljahr stehen mehr Lehrkräfte für Grundschulen zur Verfügung, als Stellen zu besetzen sind. Das haben Forscher der Bertelsmann Stiftung berechnet.

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Die Autoren der Studie fordern nun, die Politik sollte die Chance nutzen, um mit zusätzlichen Lehrkräften die pädagogische Qualität zu verbessern.

Die Studienautoren rechnen von heute an bis zum Jahr 2035, dass insgesamt fast 100.00 Grundschullehrkräfte ihren Abschluss machen. Denen stehen aber nur etwa 50.000 Stellen gegenüber.

Neue Studie der Bertelsmann-Stiftung berücksichtigt Geburtenrückgang

Ganz andere Zahlen haben die Kultusminister jüngst vorgestellt - sie rechnen mit einem Überschuss von gerade mal 6.300 zukünftigen Grundschullehrkräften. Dirk Zorn, Bildungsforscher der Bertelsmann-Stiftung erklärt, dass anders als bei der offizielle Prognose der Kultusministerkonferenz bei den neuen Erhebung auch die aktuellen Trends in der Entwicklung der Geburten - konkret der Jahre 2022 und des zurückliegenden Jahres - berücksichtigt wurden.

Darin zeige sich, dass die Geburtenzahlen stärker als von den Demografen erwartet zurückgefallen sind, sogar dramatisch im Jahr 2023. In den Bedarfsprognosen der Schulminister sei das nicht berücksichtigt gewesen. Und das erkläre einen erheblichen Teil der Diskrepanz.

Möglicherweise gibt es bald mehr fertig ausgebildete Lehrkräfte für Grundschulen als benötigt werden, laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung.
Möglicherweise gibt es bald mehr fertig ausgebildete Lehrkräfte für Grundschulen als benötigt werden, laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Ausgebildete Lehrkräfte könnten helfen, bestehende Probleme im Schulwesen zu lösen

Trotz Zuwanderung geht die Berechnung der Bertelsmann-Stiftung davon aus, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Zukunft viel stärker zurückgeht als prognostiziert. Schon für das laufende Jahr 2024 rechnen die Studienautoren mit einem Überschuss von rund 2.300 Lehrkräften im Grundschulbereich. Sie fordern nun, diese zusätzlich ausgebildeten Lehrkräfte nicht auf die Straße zu setzen.

Die Politik dürfe keinesfalls das Signal senden, es brauche nicht so viele Lehrkräfte für Grundschulen:

Also das ist das Letzte, was wir wollen, das jetzt Menschen, die vor der Entscheidung stehen für ein Studium sich abkehren, weil sie aus dieser Studie lesen, dass sich hier Jobaussichten eintrüben. Meine Hoffnung und meine Überzeugung ist, dass wir diese personellen Spielräume nutzen und klug nutzen, um Probleme anzugehen, die wir haben.

An weiterführenden Schulen wird es wohl auch künftig einen Mangel an Lehrkräften geben. Bildungsexperte Dirk Zorn rät Studierenden für Grundschulpädagik daher, auch diese Weiterqualifikation im Blick zu haben.
An weiterführenden Schulen wird es wohl auch künftig einen Mangel an Lehrkräften geben. Bildungsexperte Dirk Zorn rät Studierenden für Grundschulpädagik daher, auch diese Weiterqualifikation im Blick zu haben.

Grundschulen: Lehrkräfte sollten sich für Unterricht an weiterführenden Schulen zusätzlich qualifizieren

Denn die berechneten - fast 50.000 - zusätzlichen Grundschullehrkräfte würden durchaus gebraucht - zum Beispiel zur Verstärkung des Personals in Brennpunktschulen und in der Ganztagsbetreuung. Es sei allerdings eine politische Entscheidung, hier mehr pädagogische Qualität zu fördern. Und nicht zuletzt könnten Grundschullehrkräfte auch sehr gut in den Klassen 5 und 6 vieler Sekundarschulen eingesetzt werden, denn dort fehlten auf Jahre hinaus weiter viele Lehrkräfte.

Angehende Grundschullehrkräfte, sagt Zorn, könnten idealerweise schon im Studium ein Angebot erhalten, auf ein zweites Pferd zu setzen und noch ein Zertifikat zu erwerben, um auch in der fünften und sechsten Klasse unterrichten zu dürfen. Das könnte seiner Meinung nach dazu beitragen, den grassierenden Lehrkräftemangel an den weiterführenden Schulen zumindest etwas abzumildern.

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