Bildung

Neue Erkenntnisse zu wissenschaftlichem Denken bei Sechsjährigen

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Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Elisabeth Theodoropoulos

Kinder lernen wissenschaftliches Denken früher als gedacht. Doch wieder einmal entscheidet das Elternhaus darüber, ob diese grundlegende Fähigkeit gefördert wird. Die Grundschule scheint die sozialen Unterschiede dabei noch zu verstärken.

Schon Sechsjährige weisen erstaunliche Kompetenzen im wissenschaftlichen Denken auf – so das Fazit der ersten Studie, die das wissenschaftliche Denken im Kindesalter vom Kindergartenalter bis zum Ende der Grundschulzeit untersucht hat. Susanne Körber, Professorin für Frühe Bildung der Pädagogischen Hochschule Freiburg und ihr Kollege Christopher Osterhaus, Juniorprofessor für Entwicklungspsychologie an der Universität Vechta haben dazu fünf Jahre lang rund 150 Kinder begleitet und immer wieder getestet. Dabei fragte das Forscherteam vor allem nach der Art an bestimmte Phänomene heran zu gehen.

Wissenschaftliches Denken, das ist ja ein Konstrukt, was aus mehreren unterschiedlichen Fähigkeiten besteht, also man könnte sagen, es ist ein Verständnis davon, was es heißt, eigene Vermutungen zu überprüfen und auch zu testen.

Basisaufgaben zum Experimentieren bereits für Kindergartenkinder

Die Kinder werden dabei zu unterschiedliche Aspekten des wissenschaftlichen Denkens befragt. Das beginnt im Kindergartenalter mit ganz einfache Basisaufgaben zum Experimentieren. So wird beispielsweise eine Geschichte erzählt von Tom, der herausfinden will, ob sein Hund hoch springen kann. Er möchte ihn mit einer Wurst locken. Was muss er tun, um das herauszufinden?

Tatsächlich verstehen schon 6 jährige Kinder recht gut, dass sie ihre Vermutung testen müssen. Also die Wurst hochhalten und nicht vor die Nase halten.

Junge wirft einen Ball für einen Hund
Kinder wissen schon, wie sie durch kleine Experimente ihre Vermutungen testen können.

Ein anderes Beispiel fragt danach, wie man herausfinden kann, ob Pflanzen mit kaltem Wasser oder warmem Wasser gegossen werden sollen, damit sie besser wachsen. Dann wissen tatsächlich auch schon Grundschulkinder, dass es gut ist, dass sie die gleiche Pflanzenart nehmen und sie auf der einen Seite mit kalten und auf der anderen Seite mit warmem Wasser gießen sollen und dann schauen, wo wachsen sie besser. Sie wissen also, dass sie nicht ganz andere Pflanzenarten nehmen sollten, damit andere Merkmale konstant gehalten werden.

Bereits im Kindergartenalter große Unterschiede

Doch schon im Kindergartenalter findet das Wissenschaftlerteam große Unterschiede in der Fähigkeit zum wissenschaftlichen Denken zwischen den Kindern. Das verändert sich auch nicht während der Grundschulzeit. Das heißt, der Grundschule gelingt es nicht wirklich, diese Unterschiede auszugleichen. Die Freiburger Professorin Körber schildert, dass die Unterschiede stark mit dem Bildungsstand der Eltern zusammenhängen.

Das hatten wir schon früher herausgefunden in einer Studie mit über 1000 Kindern, dass tatsächlich der höhere Bildungsstandard der Eltern auch mit den Fähigkeiten des wissenschaftlichen Denkens der Kinder einhergeht.

Kommunikation der Eltern hat Einfluss auf Entwicklung ihrer Kinder

Der Einfluss der Eltern auf die Entwicklung der wissenschaftlichen Kompetenz besteht vor allem darin, wie sie mit ihren Kindern kommunizieren. Dabei geht es aber vorrangig nicht darum, über Wissenschaft zu sprechen oder die Kinder möglichst häufig in Museen oder Experimentiershows zu führen. Sondern es geht tatsächlich auch um eine gewisse Haltung: Wir entdecken ein ungewöhnliches Phänomen und stellen Vermutungen darüber an und überlegen: was könnte das sein und wie könnte man das vielleicht testen? Und wie kann ich herausfinden, ob meine Vermutung, die ich habe, stimmt.

Zwei Jungen schauen sich in einem Bach den Grund an.
Wenn Kinder in der Natur ungewöhnliches entdecken und dann Vermutungen darüber anstellen, trainiert dies ihre Fähigkeit wissenschaftlich zu denken.

Ähnlich wichtig ist auch das Verständnis davon, dass es verschiedene Standpunkte geben kann und andere Menschen nicht unbedingt das Gleiche denken, was man selbst denkt. Dass man also auch unterschiedliche Perspektiven übernehmen kann. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um wissenschaftlich zu denken.

Doch was tun, wenn diese Fähigkeiten im Elternhaus nicht ausreichend gefördert werden können.

Wie kann im Kindergarten und in der Schule diese Benachteiligung abgebaut werden?

Offenbar sind bereits viele Kindergärten und auch Grundschulen auf dem Weg dorthin, indem sie zum Beispiel kindergartengerechte Experimente – wie etwa die Explosion des Backpulver-Vulkans – durchführen. Doch, betont Körber, wichtig sei nicht nur das Durchführen eines Experimentes und Erklären des Phänomens, sondern auch die Kinder Vermutungen darüber anstellen zu lassen: Warum ist das so, dass der Vulkan mit dem Backpulver jetzt ausbrechen kann. Was hat dazu geführt? Also das generelle Fördern einer wissenschaftlichen Haltung bei den Kindern.

Kind hält Lupenbecher mit Schnecken in der Hand.
Einige Kindergärten und Grundschulen sind schon dabei kindgerechte Experimente durchzuführen.

Auch in der Grundschule könnte das unterstützt werden. Wenn es beispielsweise unterschiedliche Meinungen in einer Klasse gibt, dass man die Gesprächskultur fördert, auch bei Kindern, die sich nicht so eloquent ausdrücken können:

Die Kinder lernen ihre Meinungen darzustellen und auch Gründe und Argumente dafür zu finden. Außerdem sollen sie auch Beweise und Hinweise dafür suchen und dann überlegen, ob diese zu den ursprünglichen Annahmen passen.

Übrigens hat die Studie keine Genderunterschiede festgestellt. Das Interesse an Wissenschaften und die Fähigkeit wissenschaftlich zu denken ist bei Mädchen und Jungen gleich hoch.

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