Um Abhilfe gegen den Lehrkräftemangel zu schaffen hat die Kultusministerkonferenz ihre Ständige Wissenschaftliche Kommission um Empfehlungen gebeten.
Denn der Lehrkräftemangel trifft auf alarmierende Befunde zur Kompetenzentwicklung der Schülerschaft. So sind die mittleren Leistungen der Grundschüler:innen in den Kernfächern Deutsch und Mathematik deutlich gesunken.
Rund ein Fünftel der Grundschüler:innen in Deutschland verfehlte laut IQB-Bildungstrend 2021 die Mindeststandards in den Kernfächern Deutsch und Mathematik. Und in der Sekundarstufe I verfehlen 24 Prozent der Neuntklässler:innen den Mindeststandard für den Mittleren Schulabschluss in Mathematik. Wie will die wissenschaftliche Kommission da Abhilfe schaffen? Was schlägt sie vor, um den Lehrermangel zu beheben? Eine Einschätzung von Anja Braun aus der SWR Wissenschaftsredaktion.
Teilzeit bei Lehrkräften könnte eingeschränkt werden
Die Vorschläge der wissenschaftlichen Konferenz der Kultusministerkonferenz dürften bei Lehrerinnen und Lehrern für Aufregung sorgen. Vor allem der erste Punkt, der so schön heißt: Erschließung von Beschäftigungsreserven bei qualifizierten Lehrkräften. Hier geht es darum, vorübergehend die Möglichkeiten der Lehrerinnen und Lehrer Teilzeit zu arbeiten deutlich einzuschränken, fast die Hälfte aller beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer arbeiten Teilzeit, geplante Sabbaticals zu verschieben oder zu streichen und auch die Unterrichtsstundenverpflichtungen nach oben zu schrauben. Klassengrößen sollten in Zukunft flexibler gehandhabt werden.
Das begründet die wissenschaftliche Kommission so: „Qualifizierte Lehrkräfte sind laut Bildungsforschung für den Lernerfolg unverzichtbar. Deshalb sollte zunächst das vorhandene Potenzial an qualifizierten Lehrkräften ausgeschöpft werden." Damit die Lehrerinnen und Lehrer das Pensum auch durchhalten, sollen sie von organisatorischen Aufgaben durch zusätzlich einzustellendes Personal entlastet werden. Und die Lehrerinnen und Lehrer sollen zusätzliche gesundheitsfördernde Maßnahmen erhalten.
Zusätzliche Anreize für Wechsel zu anderen Schulformen
Schritt zwei ist dann den Kreis der möglichen Lehrerinnen und Lehrer zu erweitern. Die fehlen ja vor allem an Grundschulen und weiterführenden Schulen unterhalb des Gymnasiums. Hier herrscht ein Ungleichgewicht - einzig fürs Gymnasium gibt es zu viele ausgebildete Lehrkräfte - deshalb soll versucht werden, diese mit zusätzlichen Anreizen und natürlich Weiterqualifikation zumindest zeitweise an die anderen Schulformen zu beordern. Hier wird vorgeschlagen, eine spätere Einstellungsperspektive am Gymnasium; Beamtenlaufbahn im höheren Dienst; Besoldung nach A13 an der nicht-gymnasialen Schulform in Aussicht zu stellen.
Und es soll verstärkt um Seniorinnen und Senioren im Ruhestand geworben werden bzw. versucht werden, die Lehrerinnen und Lehrer länger im Schuldienst zu behalten. Das wird bereits in fast allen Bundesländern versucht - allerdings bisher mit eher geringem Erfolg. Deshalb sollen auch hierfür besondere Anreize geschaffen werden.
Ausbildungen ausländischer Lehrkräfte sollen leichter anerkannt werden
Schritt drei ist es, die Abschlüsse ausländischer Lehrkräfte leichter anzuerkennen. Und ohne deutlich mehr Quer- und Seiteneinsteiger an den Schulen wird es auf Dauer nicht gehen, das sieht auch die wissenschaftliche Kommission so. Aber sie empfiehlt angesichts der je nach Bundesland unterschiedlichen Konzepte, wie man den Quer- oder Seiteneinstieg in die Schule machen kann, erstmal diese Modelle zu prüfen und zu bewerten.
Denn das Spektrum reicht von Masterstudiengängen bis hin zu Trainings-on-the-Job. Kritisch sieht das Team aus Bildungsforschern dagegen die Bemühungen Lehramtsstudierende wenn möglich deutlich früher an den Schulen einzusetzen. Das plant unter anderem Baden-Württemberg. Natürlich sollen mehr Studienplätze fürs Lehramt geschaffen werden, aber – so die Kommission - bei den geburtenschwachen Jahrgängen, die jetzt an die Hochschulen kommen, sei da nicht allzu viel Kapazität.
Erst wenn die heute Achtjährigen ins Studium starten, könnte es wieder zu entscheidend mehr Lehramtsstudierenden kommen. Und als Ultima ratio wird auch auf die Möglichkeit von Hybridunterricht und die Erhöhung der Selbstlernzeiten von Schülern und Schülerinnen gesetzt. Das allerdings nur in der Oberstufe.
Maßnahmen zeitlich befristen
Aber all die hier vorgeschlagenen Maßnahmen sollten zeitlich befristet werden. Und wo immer Stundentafeln ausgedünnt werden, sollte dies nicht auf Kosten der Kernfächer Deutsch und Mathematik und an den Übergängen geschehen – und schon gar nicht auf Kosten der ohnehin schon benachteiligten Kinder und Jugendlichen und Schulen in schwierigen Lagen.
Mittel- und langfristig gilt es, neue Formen der Unterrichtsorganisation zu entwickeln. Als nächstes will die Kommission ausarbeiten, wie Quer- und Seiteneinstiege in den Lehrberuf am besten gestaltet werden, wie man Lehrkräften für Mangelfächer weiterqualifiziert und wie die Studienerfolgsquoten im Lehramt erhöht werden können. Dieses Gutachten ist für Anfang 2024 geplant.