Die Hälfte aller Abiturientinnen und Abiturienten zieht es nach der Schule nicht an eine Hochschule oder Universität, sondern in eine Berufsausbildung. Vor zehn Jahren hatte das nur jeder Dritte mit Abitur angestrebt. Die Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung räumt mit der Legende auf, dass zu viele junge Menschen mit Abitur nur an die Uni oder Hochschule gehen wollen.
Weniger Chancen auf Ausbildung bei Menschen mit geringerer Schulbildung
Studienautor Dieter Dohmen betont, von einer Über-Akademisierung kann nicht die Rede sein.Während sich aber die Arbeitgeber gerne die schulisch am höchsten qualifizierten Menschen rauspicken, haben Jugendliche mit geringer Schulbildung immer weniger Chancen eine Ausbildung zu bekommen.
Kein Verdrängungswettbewerb auf dem Ausbildungsmarkt
Es ist nicht so, dass die besser Qualifizierten die anderen aus dem Ausbildungsmarkt drängen – so die Studie. Denn obwohl immer mehr junge Menschen mit Abitur in eine Berufsausbildung gehen, bleiben immer noch zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt. Offenbar haben Arbeitgeber große Schwierigkeiten weniger gut qualifizierte Jugendlichen in eine Ausbildung zu bringen. Laut Bundesbildungsbericht waren 2020 mehr als ein Drittel der jungen Menschen mit Hauptschulabschluss ungelernt – also ohne Ausbildung.
Gute Karten haben Menschen mit mittlerem Schulabschluss
Recht stabil dagegen scheinen die Chancen der jungen Menschen mit mittlerem Schulabschluss zu sein, von denen schaffen es immerhin 80 Prozent in eine Berufsausbildung.
Weniger Praktika während Corona-Pandemie
Ganz dunkel sieht es allerdings bei Jugendlichen ganz ohne Schulabschluss aus. 2021 konnte nur jeder Dritte einen Ausbildungsplatz finden. Dabei spielt sicherlich auch eine Rolle, dass auch für klassischen Ausbildungsberufe immer mehr Qualifikation benötigt wird. Digitalisierung ist da nur ein Bereich, indem sich Azubis fit machen müssen. Zudem konnten viele junge Menschen wegen der Corona-Krise keine Praktika machen und so auch mögliche Ausbilder nicht von sich überzeugen.
Immer weniger Jugendliche nehmen an Weiterqualifizierungsmaßnahmen teil
Möglicherweise sind die Zahlen auch deshalb so krass, weil immer weniger Jugendliche in sogenannten Weiterqualifizierungsmaßnahmen für einen Schulabschluss oder eine Ausbildung stecken. Auch hier ist die Zahl der Teilnehmenden um die Hälfte gesunken - auf einen Tiefststand von 225.000 in 2021.
Wachsende Zahl an jungen Menschen, die aus dem System herausfallen
Und es gibt es immer mehr junge Menschen, die weder in der Schule, in einer Ausbildung sind und auch nicht so arbeiten. Was sie machen, bleibt unklar. In der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen waren das 2021 immerhin 630.000 Menschen. Studienautor Dieter Dohmen nennt diese Entwicklung dramatisch und warnt, dass diese Jugendlichen ganz aus dem System rausfallen.
Kann eine Ausbildungsgarantie helfen?
Die früher so starke Integrationsfähigkeit des Ausbildungssystems sei verloren gegangen.Was helfen könnte, ist nach Meinung der Studienautoren eine Ausbildungsgarantie. Die sollte dann aber wirklich allen jungen Menschen zustehen – und es sollte auch gesichert sein, dass die jungen Menschen tatsächlich darüberhinaus Unterstützung erhalten, um den Ausbildungsabschluss auch zu erreichen. Was die Regierung da als Gesetzentwurf zu einer Ausbildungsgarantie vorgelegt habe, das greife "deutlich zu kurz".