Noch im Zusammenhang mit der sogenannten Fördermittelkrise hatte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) einen Rücktritt immer abgelehnt. Doch nun ging eben dieser recht schnell. Die Bilanz ihrer Amtszeit falle dabei "eher gemischt" aus, so drückt es der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, aus.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ( BMBF) werde in Zukunft das Vertrauen zur Wissenschaft stärken müssen, so die HRK. Die Fördermittelaffäre der Bundesministerin habe da Einiges zerbrochen. So hatten den Wechsel an der Amtsspitze viele direkt und manche etwas verdeckt gefordert.
Neuer Bildungsminister in Doppelfunktion
Neuer Bundesbildungsminister auf Zeit ist Cem Özdemir. Der grüne Landwirtschaftsminister übernimmt nun zusätzlich das Bundesbildungsministerium. Das bedeutet aber, das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist nun eine Art Nebenjob für den Landwirtschaftsminister. Und auch die zweite Führungsebene des Bundesbildungsministerium ist personell geschwächt, denn die beiden parlamentarischen Staatssekretäre haben mit ihrer Ministerin den Hut genommen.
In der dritten und vierten Ebene sitzen ebenfalls zahlreiche Parteileute der FDP, denn die Bundesministerin Stark-Watzinger hatte die Führungspositionen in ihrem Ministerium systematisch mit den eigenen Parteiangehörigen besetzt. Wie arbeitswillig nun diese FDP-Anhängerinnen und Anhänger für die kurze Restphase der Regierung noch sind, wird sich zeigen.
Haushaltsstopp blockiert wichtige Bildungsprojekte
Durch den Ampelbruch gilt jetzt die vorläufige Haushaltsführung, was für alle Ministerien bedeutet: nichts Neues geht mehr. Der Staat darf keine neuen Zahlungsverpflichtungen mehr eingehen. Auch nicht für dringende Investitionen.
Für Bildung und Forschung ist das geradezu tragisch. Am Morgen vor dem Ampelcrash hatte sich die Bundesregierung geben noch auf die Gründung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) verständigt. Damit sollten innovative Ideen aus der Forschung schneller in die Praxis gebracht werden. Doch jetzt ist erstmal das Geld dafür gesperrt. Die Hoffnung auf schnelle Umsetzung von Ideen bleibt also vorerst unerfüllt.
BAföG-Reform auf unbestimmte Zeit verschoben
In der Warteschleife hängt auch eine grundlegende BAföG-Reform, zu der unter anderem die Anpassung des Aufstiegs-BAföG, der staatlichen Unterstützung von Weiterbildung, gehört.
Das heißt für Studierende, aber auch fortbildungsinteressierte Menschen mit einem Ausbildungsberuf erneut: Warten. Auch ist damit keine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungs- und Mietkosten in greifbarer Nähe.
Ungewisse Zukunft für wissenschaftliche Karrieren
Eine weitere Hängepartie steht auch den vielen wissenschaftlichen Angestellten und Mitarbeitenden an Hochschulen bevor. Längst hätte das Bund-Länder-Programm für Dauerstellen neben der Professur umgesetzt werden sollen, um mehr vielversprechende und aufstrebende Talente in der Forschung halten zu können. Jetzt scheint auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erstmal auf die lange Bank verschoben.
Schulen kämpfen weiter mit digitalem Rückstand
Besonders betroffen sind aber die Schulen. Dort sitzt der Nachwuchs, der fit gemacht werden soll für die Digitalisierung der Gesellschaft. Doch immer noch hakt es an Menschen, die die IT in den Schulen betreuen, checken und aufstellen. Deshalb sollte die Fortsetzung des Digitalpaktes professionelles IT-Personal für Schulen bundesweit finanzieren. Geplant waren eigentlich 2,5 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre ab Januar 2025.
Ärgerlich ist auch, dass der Digitalpakt I bereits im Mai dieses Jahres ausgelaufen ist und seither Bund und Länder über die Kostenverteilung streiten. Doch sie hatten sich gerade angenähert.
Nun ruht große Hoffnung auf Cem Özdemir. Nämlich darauf, dass es dem Kurzfrist-Bildungsminister gelingt, den Vertrag so gut vorzubereiten, dass eine künftige Bundesregierung ihn gleich umsetzen kann und es damit endlich bundesweit eine funktionierende IT in den Schulen gibt.
Hoffnungen auf Fortschritte unter Özdemir
Viele hoffen darauf, dass es nach dem Abgang der FDP-Bundesministerin nun einfacher wird, Kompromisse zu erzielen. Auf Länderebene scheint kaum jemand der FDP-Ministerin Stark-Watzinger nachzutrauern. Zu oft hatte sie die Länder unter anderem durch Alleingänge gegen sich aufgebracht.
Cem Özdemir erhält zumindest einige Vorschusslorbeeren für seine Lösungsfähigkeit in Bildungs und Forschungsfragen. Durch den Ampelbruch sind Grüne und SPD nun stark auf den guten Willen der Union angewiesen. Aber gerade in diesem Spannungsfeld könnte der grüne Doppelminister Cem Özdemir seine Stärken ausspielen.
Schließlich kommt er aus dem Vorzeigeland der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg und will den scheidenden grünen Ministerpräsidenten dort gerne beerben. Schon deshalb wird er sich bemühen, sehr gut zu vermitteln.