Affenpocken

Mpox-Ausbruch - Neue Theorie zur Verbreitung

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Pascal Kiss
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Warum konnte sich Mpox (früher Affenpocken) 2022 plötzlich so ausbreiten? Eine neue Analyse zeigt nun: Die Virusvariante ist viel früher entstanden als bisher gedacht - schon 2016.

Die hohen weltweiten Fallzahlen von Mpox (früher Affenpocken genannt) sind im Mai 2022 ungewöhnlich. Plötzlich werden weltweit 91.000 Infektionen und 157 Todesfälle gemeldet. Normalerweise führt das Virus nur in Zentral- und Westafrika zu regelmäßigen, kleineren Ausbrüchen. Was ist also 2022 passiert? Eine Analyse eines internationalen Forschungsteams kommt nun zu einem erstaunlichen Ergebnis. Der eigentliche Ausbruch hat schon viel früher begonnen und die Affenpocken kursieren schon viel länger im Menschen, als bislang angenommen.

Ungewöhnlich viele Mutationen

Warum hat sich das Virus plötzlich so schnell verändert? Angesichts der hohen Fallzahlen von Mpox wird die Frage unter Fachleuten viel diskutiert. Eigentlich gilt das Erbgut des Erregers als sehr stabil. Und dennoch haben Forschungsteams ganze 42 Mutationen entdeckt - ungewöhnlich viele.

Da war klar, dass das da irgendein Mutationsprozess im Gange ist, den man sonst typischerweise nicht in diesen Pox-Viren sieht.

Der Biophysiker Richard Neher von der Universität Basel hat zusammen mit einem internationalen Forschungsteam die Virusvariante des aktuellen Ausbruchs genauer untersucht. Normalerweise leben die Viren vor allem in Nagetieren, aber ebenfalls Affen können sich anstecken - daher der ursprüngliche Name "Affenpocken". Und auch Menschen können sich infizieren.

Eine neue Analyse zeigt:  Der Ausbruch der Affenpocken hat nicht erst 2022, sondern wahrscheinlich schon 2016 begonnen.
Eine neue Analyse zeigt: Der Ausbruch der Affenpocken hat nicht erst 2022, sondern wahrscheinlich schon 2016 begonnen. Dabei hat sich das Virus im Menschen stark verändert und sich damit ganz anders verbreitet als bisher angenommen.

Enzym bringt Forschende auf neue Theorie

Aber das eigentliche Zuhause der Viren sind die Nagetiere – das war lange Zeit die gängige Vermutung. Hat sich also Anfang 2022 ein Mensch mit dem stark veränderten Virus von einem Nagetier angesteckt? Oder hat sich das Virus Anfang 2022 plötzlich sehr schnell auf den Menschen angepasst? Das ist beides eher unwahrscheinlich. Ein genauer Blick auf die 42 Mutationen im Erbgut des Virus liefert wichtige Hinweise, sagt Biophysiker Richard Neher: "Was auffallend war, dass ein Großteil der Mutationen immer dort passiert, wenn zwei Nukleotide aufeinanderfolgen.”

Heißt: An zwei aufeinanderfolgenden Stellen, also Nukleotiden, hat sich das Erbgut verändert und zwar immer nach dem gleichen Muster. Und dieses Muster kommt dem Forschungsteam sehr bekannt vor. Schnell ist klar: Die Virusvariante ist wahrscheinlich in Menschen entstanden – durch ein Enzym des menschlichen Immunsystems, nämlich durch das APOPEC3-Enzym. Das Enzym soll eigentlich Viren zerstören.

Doch manchmal überleben Viren die Enzym-Attacke und dann bleiben diese typischen Mutationen zurück, die so nur im Menschen entstehen können. Das ist, so Neher, "ein Merkmal von diesen Enzymen des menschlichen Immunsystems.”

Virus kursiert schon seit Jahren im Menschen

Das Forschungsteam schätzt, dass pro Jahr maximal sechs solcher Verändererungen im Erbgut entstehen. Die neue Virusvariante hat aber 42 Mutationen. Das heißt, die Virusvariante muss sich schon Jahre im Menschen befinden. Aus den evolutionären Mustern, so Neher, lasse sich ablesen, dass sich vor circa sechs, sieben Jahren, also ungefähr 2016 die Mutationsmuster des Virus verändert haben.

Der Ausbruch hat also nicht erst 2022 begonnen, sondern wahrscheinlich schon im Jahr 2016. Warum konnte sich das Virus dann 2022 so schnell ausbreiten?

Vermehrtes Reisen nach Corona und enger Körperkontakt erhöhen Infektionswahrscheinlichkeit

Dass es jetzt zu dem großen Ausbruch in der nördlichen Hemisphäre gekommen ist, das hat vermutlich eher was mit epidemiologischen Faktoren zu tun.

Richard Neher sieht die vielen Reisen nach der Corona-Zeit als ein Grund und weil das Virus sich unter homosexuellen Männern besonders stark verbreiten konnte – durch engen körperlichen Kontakt.

Das Virus kann sich aber auch in allen Gruppen ausbreiten – auch bei Kindern. Noch ist unklar, ob die Virusvariante auch ansteckender ist als vorherige Varianten. Diese Recherche ist viel komplexer zum Beispiel als bei Corona, auch weil das Erbgut viel länger ist. Doch lässt sich das Virus anders als bei Corona wieder ganz verdrängen?

Eliminieren ist sicherlich nicht einfach. Der große Ausbruch ist am Abebben, weil ein sehr viel besseres Bewusstsein über die Existenz dieses Erregers besteht. Es ist aber immer noch so, dass in verschiedenen Teilen der Welt, auch aus diesem großen Ausbruch, immer noch Transmissionketten existieren.

Vor allem weil die Virusvariante wahrscheinlich schon seit 2016 existiert, ist das Virus weiter verstreut und verbreitet als bisher gedacht. Die Variante kann seit Jahren in Menschen überleben und das Virus hat in den Menschen als Wirt ein neues Zuhause gefunden. Viel Aufklärung über die Symptome und Isolationen haben aber wohl dafür gesorgt, dass sich das Virus seit einem Jahr deutlich langsamer ausbreitet.

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