Es gibt vermehrte Fälle von Affenpocken. Grund zur Panik besteht allerdings nicht.

Infektionskrankheit

Was über die Affenpocken bekannt ist

Stand
Autor/in
Pascal Kiss
Veronika Simon
Vinetta Richter
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Lilly Zerbst

Weltweit mehren sich die Meldungen von Menschen, die an Affenpocken erkrankt sind. Nun gibt es eine Impfempfehlung der STIKO. Wir beantworten die wichtigsten Fragen und berichten über die Entwicklung.

Aktuelle Lage in Deutschland und Europa

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte am 9. August 2022 erstmals eine Affenpocken-Infektion bei einem Kind gemeldet. Es handelte sich dabei um ein vierjähriges Mädchen aus Pforzheim, das sich, wie man zunächst annahm, im eigenen Haushalt infiziert hatte. Weitere Tests haben jetzt allerdings ergeben, dass das Mädchen doch nicht mit Affenpocken infiziert war. Erst vergangene Woche waren dem RKI die ersten Ansteckungen bei Jugendlichen im Alter von 15 und 17 Jahren bekannt geworden.

Die WHO meldete am 23. Juli 2022 über 16.000 bestätigte Affenpockenfälle in 75 Ländern. 75 Prozent der weltweiten Betroffenen finden sich in Spanien, den USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Bislang sind in Europa und den USA nur wenige Menschen mit Affenpocken gestoben.

Das Robert-Koch-Institut meldet am 8. Juli deutschlandweit 2.916 Affenpockenfälle, darunter 7 Frauen. Der Großteil der Erkrankten ist männlich und zwischen 18 und 78 Jahre alt. Soweit bekannt, erkranken die Betroffenen nicht schwer. Eine Gefährdung der Gesundheit der breiten Bevölkerung schätzt das RKI aktuell als gering ein.

Die WHO beurteilt das Affenpockenrisiko trotz steigender Fallzahlen weltweit als mäßig, außer in Europa, wo das Risiko als hoch eingeschätzt wird. Der WHO Gneraldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus stufte den länderübergreifenden Ausbruch von Affenpocken in einer aktuellen Stellungnahme als gesundheitliche Notlage von internationalem Interesse ein. Eine direkte Handlungskonsequenz hat diese Einstufung nicht. Vielmehr ist es ein Signal an die Regierungen, die Situation ernst zu nehmen und Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Ausbreitung einzudämmen. Der Ausschuss für Internationale Gesundheitsvorschriften (IHR) konnte in der nun zweiten Tagung am 21. Juni keinen Konsens über den Notlagen-Status erzielen.

Wie gefährlich sind Affenpocken für Menschen?

Die Ähnlichkeit zwischen Affenpocken und den ausgerotteten echten Pocken ist nicht zufällig. Die beiden Erreger sind nah verwandt. Tatsächlich zeigen Betroffene ähnliche Symptome wie man sie von den echten Pocken kennt, die seit 1980 weltweit als ausgerottet gelten.

Doch die Erkrankungen unterscheiden sich auch: Affenpocken verlaufen meist milder, sie sind nicht so tödlich und auch nicht so leicht übertragbar wie die echten Pocken. Oft klingt die Infektion von selbst wieder ab, die meisten Betroffenen haben keine bleibenden Schäden.

Bisher hat das Affenpockenvirus immer wieder in Zentral- und Westafrika für Ausbrüche gesorgt. Leider gibt es nicht so viele Daten, die sich auf Europa übertragen lassen. Aber in Afrika sind meistens milde Verläufe beobachtet worden und konnten immer sehr schnell durch Hygienemaßnahme und Kontaktverfolgung eingedämmt werden.

Nach den Erfahrungen mit Corona sind wir jetzt alle ziemlich auf der Hut, was das Auftauchen von unbekannten oder seltenen Krankheitserregern angeht.
Nach den Erfahrungen mit Corona sind wir jetzt alle ziemlich auf der Hut, was das Auftauchen von unbekannten oder seltenen Krankheitserregern angeht.

Die längste Infektionskette bestand bisher aus sechs Menschen, die sich von Kontakt zu Kontakt angesteckt haben. Das Affenpockenvirus ist vor 50 Jahren zum ersten Mal beim Menschen nachgewiesen worden. Es ist also schon lange da, immer mal wieder aufgetaucht und hat nicht wirklich das Potential, schnell viele Menschen zu infizieren.

Der derzeitige Ausbruch ist ungewöhnlich groß für die Affenpocken, aber nicht mit der Corona-Pandemie zu vergleichen. Die Dynamik ist –nach alldem was aktuell bekannt ist – bei den Affenpocken viel langsamer. Das Virus lässt sich zum Glück viel leichter eindämmen.

Eine Frau arbeitet im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München
Auch in Deutschland wurde das Affenpockenvirus jetzt in mehreren Fällen zweifelsfrei nachgewiesen.

Gibt es bei Affenpocken besonders gefährdete Personengruppen?

Um das seriös beim aktuellen Geschehen einschätzen zu können, braucht es noch Zeit. Bisher haben sich vor allem jüngere Männer angesteckt. Die meisten davon identifizieren sich als schwul, bisexuell oder haben Sex mit anderen Männern (men who have sex with men; MSM). Spanien, Großbritannien, die USA und Kanada berichteten gegenüber der WHO, dass 99 Prozent der Affenpockenfälle im jeweiligen Land im Zusammenhang mit MSM auftraten.

Weil die Forschung nur wenig finanziert wurde, könnte die Datenlage besser sein. In Teilen von Afrika ist bisher bei früheren Ausbrüchen beobachtet worden, dass Kinder, Schwangere und Menschen mit Immunschwäche das größte Risiko für einen schweren Verlauf haben, die auch zum Tod führen können. Die Fallsterblichkeit lag in der Vergangenheit zwischen null und elf Prozent, bei Kleinkindern war sie höher.

Wie gefährlich sind Affenpocken für Kinder?

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat ganz klar darauf hingewiesen, dass die Gefahr für Kinder in Deutschland momentan nicht groß sei. Doch je mehr Fälle es gibt, desto größer wird auch der Kreis der Infizierten. Und es braucht für eine Übertragung des Affenpocken-Virus keine sexuellen Kontakte. Es reicht schon enger körperlicher Kontakt, das können zum Beispiel auch Umarmungen sein.

Bei Kindern und Jugendlichen, mit geschwächtem Immunsystem und bei denen ein schwerer Verlauf vermutet wird, rät die amerikanische Gesundheitsbehörde zu einer vorbeugenden Impfung. Doch die Impfstoffe gegen Affenpocken sind bisher nicht für Kinder oder Jugendliche unter 18 zugelassen. Es wäre daher eine Ausnahme- Nutzung des Impfstoffes für Erwachsene – ein sogenannter off label Gebrauch.

Es gibt vermehrte Fälle von Affenpocken. Grund zur Panik besteht allerdings nicht.
Es gibt vermehrte Fälle von Affenpocken. Grund zur Panik besteht allerdings nicht.

Wie steckt man sich an bzw. wie ansteckend ist das Virus?

Das Virus ist eigentlich in Nagetieren zuhause, wurde zum ersten Mal bei Affen gefunden – daher der Name. Aber als Wirt fungieren die Nagetiere, an denen sich Menschen zum Beispiel beim Zubereiten von Fleisch anstecken können oder durch Bisse oder Kratzer von infizierten Nagetieren.

Immer wieder sind Mensch zu Mensch-Infektionen beobachtet worden. Das ist also nichts Neues. Zum Glück ist das Affenpocken-Virus nicht so hoch ansteckend wie das Coronavirus. Das Virus kann sich nicht so gut über die Luft ausbreiten. Nur wer engen Kontakt zu einem Infizierten hat, hat auch ein hohes Ansteckungsrisiko.

Beim aktuellen Ausbruch ist die Krankheit in vielen Fällen beim Geschlechtsverkehr übertragen worden. Das muss nicht unbedingt eine sexuelle Übertragung im klassischen Sinne sein, sondern kann auch am sehr engen Kontakt beim Geschlechtsverkehr liegen. Bisher haben sich vor allem homosexuelle Männer angesteckt. Aber es können sich auch genauso gut Frauen anstecken.

Das Virus wird nicht ausschließlich beim Geschlechtsverkehr übertragen. Erkrankte bekommen mit der Zeit Bläschen auf der Haut. Kommt man mit diesen in Kontakt, ist eine Infektion sehr wahrscheinlich. Das Virus dringt also letztendlich durch verletzte Haut in den Körper ein – oder durch die Schleimhäute von Augen, Nase und Mund. Beim aktuellen Ausbruch sind die Bläschen oft im Genitalbereich gefunden worden.

Die WHO zeigt sich besorgt im Hinblick auf die kommende Sommer-Festival-Saison. Die engen Körperkontakte erhöhen das Ansteckungsrisiko. Die WHO setzt auf gute Informationskampagnen anstatt auf Verbote von Großveranstaltungen.

Entscheidend ist aus Sicht der WHO eine engmaschige Überwachung, das heißt schnelles Testen und Nachverfolgen von Kontaktpersonen. Hier gibt es laut der WHO leider schon erhebliche Lücken. Auch die strikte Isolation von Infizierten bis zum völligen Verschwinden der Symptome gilt als entscheidend.

Mit Affenpocken Infizierte lassen sich in den meisten Fällen schnell identifizieren.
Mit Affenpocken Infizierte lassen sich in den meisten Fällen schnell identifizieren.

Was sind typische Symptome der Affenpocken?

Nach dem Kontakt mit dem Infizierten dauert es ungefähr zwischen 5 und 14 Tagen bis die ersten Symptome sichtbar werden. Ganz typisch sind die Bläschen auf der Haut. Das sind erst kleine Punkte, die dann später zu richtigen Blasen heranwachsen und durchaus schmerzhaft sein können.

Bei den früheren Affenpocken-Fällen haben sich die Bläschen zuerst im Gesicht gebildet und je nach Verlauf immer weiter ausgedehnt. Diese typischen Symptome machen es auch einfach, Verdachtsfälle gut zu erkennen Das war bei Corona wegen den erkältungsähnlichen Symptomen deutlich schwieriger. Auch deshalb lässt sich die Krankheit, das Virus, viel besser eindämmen.

Ganz am Anfang kündigt sich die Krankheit noch mit sehr unspezifischen Symptomen an – also Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und geschwollene Lymphknoten. Dann entstehen aber nach ein bis drei Tagen die typischen Hautbläschen. Bei Affenpocken meist im Gesicht, an den Händen und Füßen. Bei einem mittlereren Verlauf dauert die Krankheit durchschnittlich zwei bis vier Wochen.

Arm mit Pusteln - die Affenpocken
Die Symptome bei Affenpocken können neben Hautausschlägen und Fieber auch Gliederschmerzen sein.

Wie lassen sich Affenpocken behandeln?

In der klinischen Praxis wird bisher vor allem versucht, die Symptome zu lindern – das ist also eine unterstützende Behandlung. Es gibt aber auch drei antivirale Medikamente, die wahrscheinlich gut gegen Affenpocken wirken. Aber am Menschen sind sie bisher nicht getestet worden.

Es gab einfach bisher zu wenige Affenpocken-Fälle, um das zu testen. Aber ganz klar ist auch: Das Affenpockenvirus gibt es schon länger, daher gibt es durchaus schon eine gewisse Erfahrung damit.

Gibt es Impfstoffe gegen die Affenpocken? Wie sinnvoll ist deren Einsatz?

Es gibt zwei Impfstoffe, die gegen die gefährlicheren Pocken entwickelt wurden. Die eine Impfung ist schon sehr alt, damit wurde bis 1980 gegen die Pocken geimpft. Sie hat aber ein bisschen stärkere Nebenwirkungen. Seit Anfang 2022 gibt es eine neue Pockenimpfung, mit weniger Nebenwirkungen, die auch gegen die Affenpocken gut wirken soll und in den USA zugelassen ist.

Der Impfstoff kann nicht nur vor schweren Verläufen schützen, sondern auch noch bei einer aktiven Infektion verabreicht werden. Das nennt sich Ringimpfung. Eine solche Ringimpfung wird bereits bei Kontaktpersonen von Infizierten in Großbritannien durchgeführt.

Wenn die Impfung in der ersten Woche nach der Ansteckung gegeben wird, können also mögliche Infizierte noch geschützt werden. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, sich für Deutschland vorsorglich um 240.000 Impfdosen zu bemühen. Keiner geht derzeit davon aus, dass es zu Massenimpfungen kommen wird.

Eine gute Nachricht für die älteren Generationen ist, dass die Schutzimpfung gegen die echten Pocken, welche bis 1979 verpflichtend war, wohl auch gegen Affenpocken wirkt. Selbst wenn die Impfung bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegt, soll sie laut Weltgesundheitsorganisation vor schweren Verläufen schützen.

Die WHO fordert außerdem, dass der reiche Westen keinesfalls die Fehler der Corona-Pandemie wiederholen dürfe. Es sei wichtig, dass die Impfstoffe schnell auch in Afrika verfügbar sind.

Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission

Personen ab 18 Jahren, die in einem engen körperlichen Kontakt zu Infizierten stehen, sollen sich impfen lassen. Auch Personal in Laboren mit ungeschütztem Kontakt zu Proben und homosexuelle Männer mit wechselnden Partnern sollen sich mit dem Pockenimpfstoff Imvanex impfen lassen.

Grund ist, dass Fälle in Deutschland bisher überwiegend bei Männern der MSM-Community (Men who have sex with men) aufgetreten sind und diese Gruppe deshalb besonders geschützt werden soll.

Der Impfstoff ist in der EU zugelassen und es werden insgesamt zwei Dosen gebraucht, um einen vollständigen Impfschutz zu erlangen. Die beiden Dosen werden mit einem Abstand von 4 Wochen verimpft. Da der Impfstoff zunächst noch eingeschränkt verfügbar ist, sollen bevorzugt Menschen geimpft werden, die bereits Kontakt zu Infizierten hatten oder durch zum Beispiel ihre Arbeit haben werden. Der Pocken-Impfstoff, der auch gegen Affenpocken verwendet wird, wirkt nämlich auch noch einige Tage nach der Ansteckung.

Wie groß ist die Gefahr, dass sich aus den vermehrt auftretenden Fällen eine Pandemie entwickelt?

Das halten Fachleute für ziemlich unwahrscheinlich. Es geht darum, eine Endemie, also größere Krankheitswellen, zu vermeiden, weil das Virus nicht so ansteckend und durch die Bläschen gut zu erkennen ist.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauternach hat jetzt angekündigt, dass Infizierte mindestens 21 Tage in Isolation müssen, mindestens bis zum Abfall der Krusten.

Ist die mediale Aufmerksamkeit gerade gerechtfertigt?

Ohne Corona-Pandemie in den vergangenen beiden Jahren, wäre die Aufmerksamkeit zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich nicht so groß, sagt Pasacal Kiss aus der SWR Wissenschaftsredaktion. Natürlich sorgen die Affenpocken jetzt für Schlagzeilen, weil erstmal viel an den Beginn der Corona-Pandemie erinnert: Viele Fragezeichen am Anfang, wenige Fälle am Anfang, erste Reaktionen aus der Politik.

Aber das Virus ist deutlich weniger ansteckend und kann nicht so schnell größere Teile der Bevölkerung erfassen. Das ist momentan der große Unterschied – zumal es eine Impfung gibt, mit der gezielt Kontaktpersonen von Infizierten geholfen werden kann. Das Thema muss, so Pascal Kiss, ernst genommen werden, aber die öffentliche Aufmerksamkeit sei teils nicht ganz so gerechtfertigt.

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