Biologie: Definition des Geschlechts über die Rolle bei der Fortpflanzung
Die Frage, wie viele Geschlechter es gibt, hängt davon ab, wie man Geschlecht definiert. Die Biologie ist da sehr klar. Sie macht das Geschlecht an der Rolle in der Fortpflanzung fest. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung treffen immer kleine Samenzellen auf wesentlich größere Eizellen. Diejenigen Lebewesen, die die kleinen Samenzellen produzieren, heißen männlich. Und die, die die großen Eizellen produzieren, heißen weiblich. Dabei ist es völlig egal, ob sie den Nachwuchs im Bauch tragen, im Ei ausbrüten oder, wie bei Pflanzen, aus einer Blüte eine Frucht entsteht. Das ist die biologische Definition – nach der gibt es diese zwei Geschlechter und sonst keins.
Zwitter sind in der Biologie kein drittes Geschlecht
Lebewesen, die keine Ei- oder Samenzellen produzieren, haben nach dieser Definition kein drittes, sondern gar kein Geschlecht. Lebewesen wiederum, die beides produzieren – die gibt es vor allem im Reich der Pflanzen – heißen Zwitter. Aber auch sie definieren kein drittes Geschlecht.
X- und Y-Chromosomen sind wichtig, definieren aber nicht das Geschlecht
Mit diesem biologischen Geschlecht gehen bei vielen Tieren und speziell auch beim Menschen in der Regel andere Merkmale einher. Die Männer haben Penisse und Hoden und bekommen Bärte. Die Frauen haben eine Gebärmutter, eine Vagina und bekommen Brüste. Diese Merkmale sind wiederum in der Regel darauf zurückzuführen, dass die Körperzellen der Männer ein Y-Chromosom haben, die der Frauen dagegen nicht; die haben dafür ein zweites X-Chromosom. Allerdings gilt das nur für Säugetiere – bei anderen Tieren sieht das mit den Chromosomen wieder anders aus. Wichtig ist deshalb: Die Chromosomen bestimmen zwar in der Regel das Geschlecht, aber sie definieren es nicht.
Intersexualität hat die verschiedensten Ausprägungen
Nun hab ich bereits in drei Sätzen hintereinander den Ausdruck "in der Regel" verwendet – denn es gibt da auch viele Ausnahmen. Es gibt Menschen mit einem Y-Chromosom, die trotzdem weibliche Genitalien haben, weil ihnen ein bestimmter Rezeptor fehlt und ihre Zellen auf die männlichen Hormone nicht reagieren. Es gibt Menschen, die gleichzeitig Eierstock- und Hodengewebe haben. Das sind nur zwei von vielen Beispielen für intersexuelle Menschen, bei denen der Satz: "Männer haben …" oder "Frauen haben …" so nicht zutrifft.
Ob man für jede Art von Intersexualität ein eigenes physiologisches Geschlecht definiert oder sagt, das sind Ausprägungen, die sich irgendwo zwischen den zwei Geschlechtern bewegt, ist letztlich eine begriffliche Frage, keine wissenschaftliche.
Sex und Gender: Es kommt nicht nur auf das biologische Geschlecht an
Vor allem aber: Die biologischen Begriffe sind nicht die einzigen, auf die es ankommt. Biologisch gibt es zwei Geschlechter – männlich und weiblich. Das ist oft, aber eben nicht zwingend identisch mit dem, was wir als "Mann" oder "Frau" bezeichnen. Die biologische Definition hängt nur von der Keimzellenproduktion ab – produziere ich Ei- oder Samenzellen? Wenn wir im Alltag aber von Männern oder Frauen reden, meinen wir viel mehr damit. Es fängt an bei: Welche Chromosomen hat die Person? Welche Genitalien sind bei ihr ausgeprägt? Hat sie einen Penis oder eine Klitoris?
Sobald wir diese Fragen heranziehen, um zu sagen, ob jemand ein "Mann" oder eine "Frau" ist, haben wir uns schon von der biologischen Lehrbuchdefinition entfernt. Wenn wir dann noch fragen: Wie verhält sich die Person? Oder eben: Als was fühlt sie sich selbst? – dann reden wir nicht mehr über das biologische Geschlecht – englisch: Sex – sondern über Geschlechter im sozial-kulturellen Kontext, kurz: Gender. Wie viele Geschlechter es im Sinne von "Gender" gibt – darüber zu diskutieren ist ziemlich müßig, weil es sich kaum an eindeutigen objektiven Merkmalen festmachen lässt.
Biologische Definition hilft beim Umgang mit Transidentität nicht weiter
Anders gesagt: Festzustellen, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt, hilft überhaupt nicht weiter, um politisch-gesellschaftliche Entscheidungen zu treffen, etwa wie wir mit den verschiedenen Formen von Transidentität umgehen, also mit Menschen, die bei der Geburt als "weiblich" erkannt wurden, sich selbst aber als Junge oder Mann fühlen. Ab welchem Alter und unter welchen Voraussetzungen sollen junge Menschen das Recht haben dürfen, auch körperlich ein anderes Geschlecht anzunehmen als das, das ihnen zugeschrieben wurde? Welche Freiheiten sollte jemand haben, offiziell seinen Geschlechtseintrag bei den Behörden zu ändern?
Chancen und Risiken durch die Zuordnung zu einem bestimmten Geschlecht
Bei den Antworten auf diese Fragen kommt es nicht darauf an, wie die Biologie Geschlecht definiert und ob jemand Ei- oder Samenzellen produziert, sondern auf ganz andere Fragen – etwa um das Abwägen von Risiken und Chancen für die jeweilige Person.
Nehmen wir die Diskussion um den Geschlechtseintrag: Warum genau definieren wir bei der Geburt, ob jemand männlich oder weiblich ist? Früher war das recht klar: Männer durften wählen, Frauen nicht. Männer mussten zum Bund, Frauen nicht. Wozu aber dient der Geschlechtereintrag heute? Der Statistik? Um zu klären, auf welches Klo die Person später geht? Um zu entscheiden, ob jemand in einer Frauenmannschaft mitspielen darf? Oder auf Platz 1 oder 2 der Grünen Landesliste stehen darf? Je nachdem, worum es geht, könnten unterschiedliche Geschlechterdefinition maßgeblich sein. Die Behörden kennen aber nur eine: männlich, weiblich und "divers" – für alle, die sich nicht eindeutig zuordnen können oder wollen.
Biologische Definition beantwortet nicht die gesellschaftlichen Fragen
Dass es zwei Geschlechter gibt, ist eine biologische Definition. Definitionen lassen sich aber wissenschaftlich nicht "beweisen" – denn in der Natur gibt es keine Begriffe. Definitionen sind immer Konventionen – und nur dann sinnvoll, wenn aus ihnen etwas Sinnvolles folgt. Die biologische Definition hat ihre Berechtigung in bestimmten Zusammenhängen – etwa um geschlechtliche Fortpflanzung in der Natur zu beschreiben. In anderen hilft sie dagegen nicht weiter.
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