Wagon Wheel Illusion: Film und Realität unterscheiden
Wissenschaftler sprechen hier von der "Wagon Wheel Illusion", also der Wagenrad-Illusion. Dabei muss man zwei Situationen unterscheiden: Film und Realität.
Fangen wir mit dem ersten Fall an, da ist die Erklärung ein bisschen klarer. Im Film sehen wir in Wahrheit keine fließende Bewegung, sondern eine schnelle Abfolge von unbewegten Einzelbildern. Pro Sekunde sind das 25 Bilder, die so schnell hintereinander folgen, dass das Auge die einzelnen Bilder nicht mehr unterscheiden kann und das Gehirn aus den Einzelbildern eine Bewegung konstruiert.
Jetzt stellen wir uns eine Szene aus einem klassischen Western vor. Dort tritt diese Wagenrad-Illusion besonders häufig auf. In dem Western wird eine Kutsche mit großen Rädern gezeigt. Wir konzentrieren uns auf ein einzelnes Rad und tun so, als hätte dieses Rad nur eine einzige Speiche. Dieses Rad würde sich im Uhrzeigersinn drehen. Nun sehen wir also 25 Bilder pro Sekunde. Beim ersten Bild steht die Speiche senkrecht nach oben, praktisch auf 12 Uhr. Das zweite Bild zeigt das gleiche Rad 1/25 Sekunde später. Jetzt könnte es passieren, dass das Rad in dieser 1/25 Sekunde genau eine volle Umdrehung vollzogen hat. Die Speiche stünde dann auf dem zweiten Bild wieder auf der 12-Uhr-Position. Beim dritten Bild ebenfalls und so weiter. Für den Zuschauer würde es dann so aussehen, als stünde das Rad still – denn die Speiche bewegt sich scheinbar nicht von der Stelle.
Nun stellen wir uns vor, dass das Rad in 1/25 Sekunde keine volle Umdrehung macht, sondern ein bisschen langsamer ist. Die Speiche hat also nach der ersten 1/25 Sekunde noch nicht wieder die 12-Uhr-Position erreicht, sondern hat es nur bis zur 11-Uhr-Position geschafft. Auf dem dritten Bild ist es in der 10 Uhr-Position usw. Wenn wir diese Bildabfolge nun schnell hintereinander sehen, dann dreht sich das Rad scheinbar langsam rückwärts, also linksherum – 12 Uhr, 11 Uhr, 10 Uhr. Warum? Weil das Gehirn darauf programmiert ist, möglichst einfach und in kurzen Wegen zu denken: Wenn wir zwei Bilder sehen und auf dem einen die Speiche in der 12-Uhr-Position steht und auf dem nächsten auf der 11-Uhr-Position, dann konstruiert das Gehirn daraus eine kurze Bewegung linksherum von 12 nach 11. Den langen Weg rechtsherum zieht es gar nicht erst in Betracht. Wenn die Wahrnehmung es zulässt, geht das Gehirn also immer davon aus, dass sich Dinge langsam bewegen.
Wagenräder haben bekanntlich mehr als eine Speiche. Das Beispiel sollte nur helfen, sich das Prinzip zu verdeutlichen. Das normale Kutschrad hat meist 12 Speichen. Da funktioniert das genauso. Sogar noch eher, weil für den Zuschauer ja eine Speiche aussieht wie die andere. Das heißt, um diesen langsamen Rückwärtseffekt zu erzeugen, muss gar nicht die einzelne Speiche eine voll bzw. fast volle Umdrehung machen, sondern es genügt, wenn nach 1/25 Sekunde die nachfolgende Speiche eine Position in der Nähe der ersten Position erreicht. Das Auge des Zuschauers unterscheidet die Speichen nicht, sondern glaubt, dass es sich um die gleiche Speiche handelt wie gerade eben, und sie sich nur etwas gegen den Uhrzeigersinn bewegt hat.
Gibt es diesen Effekt nur beim Betrachten von Filmen? Oder auch in der Wirklichkeit?
Die Antwort auf diese Frage ist umstritten. Das bestätigt auch Karl Gegenfurtner, Professor für Wahrnehmungspsychologie an der Universität Gießen. Er selbst meint, dass es diese Wagenrad-Illusion nur im Film gibt. Es gibt aber Leute wie den britischen Forscher Dale Purves, der überzeugt ist, dass der Effekt auch in der Realität auftreten kann. Was darauf hindeuten würde, dass unser Auge normalerweise keine kontinuierlichen Bewegungen wahrnimmt, sondern auch hier Bewegung wie eine kurze, schnell hintereinandergeschaltete Sequenz von Einzelbildern verarbeitet. Wie wenn wir einen Film gucken – und eben nicht in einem zeitlich kontinuierlichen Strom.
Das ist aber noch nicht einhellig geklärt. Unter Umständen kann der Effekt auch bei elektrischem Licht auftreten. Normale Glühbirnen, die mit Wechselstrom betrieben werden, erzeugen ja in Wahrheit kein Dauerlicht, sondern flackern sehr schnell. Das heißt, die Lichtintensität schwankt 50-mal in der Sekunde. Das Auge nimmt das normalerweise nicht wahr, aber dieses Flackern könnte einen ähnlichen Effekt haben wie die schnelle Bildabfolge beim Film.
Optik Warum wirken Marionetten auf der Bühne größer als in Wirklichkeit?
Es handelt sich um eine optische Täuschung, die absichtlich eingesetzt wird. Die Marionetten erscheinen u. a. deshalb so groß, weil die Requisiten – also die Gegenstände, mit denen die Figuren zu tun haben, wie Stühle, Tische oder Türen – im Verhältnis etwas kleiner gestaltet sind. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.