Sewastopol auf der Krim: eisfreier Hafen, strategisch günstig gelegen
Das ist nicht erst seit Wladimir Putin so, sondern im Grunde schon seit dem 18. Jahrhundert, als Russland die Halbinsel im Krieg mit dem Osmanischen Reich unter seine Kontrolle brachte und 200 Jahre lang behielt.
Die Krim ist für Russland deshalb so wichtig, weil der dortige Hafen Sewastopol einer der wenigen eisfreien Häfen Russlands ist – zumindest auf der europäischen Seite.
Das ist kaum zu glauben, wenn man auf der Karte dieses Riesenland betrachtet und der Küstenlinie folgt. Aber tatsächlich: Da ist St. Petersburg an der Ostsee – die friert in der Gegend gelegentlich zu. Außerdem käme eine russische Flotte von dort im Zweifel nicht weit, denn um bis in den Atlantik zu gelangen, müsste sie durch die Meerengen bei Dänemark und Norwegen – beides NATO-Staaten.
Im Norden gibt es den Hafen Murmansk. Er liegt im skandinavischen Teil Russlands und ist dank des Golfstroms eisfrei, aber sowohl militärisch als auch handelstechnisch gesehen sehr weit ab vom Schuss.
Weiter im Osten grenzt Russlands Norden ans Arktische Meer. Das ist über große Strecken im Winter – zumindest noch – vereist, auch wenn durch den Klimawandel die eisfreien Tage zunehmen.
Richtung Sibirien wird es immer eisiger. Im Osten befindet sich der große Hafen Wladiwostok. Auch vor dem treibt im Winter Eis, sodass es ein gewisser Aufwand ist, ihn freizuhalten. Außerdem liegt Wladiwostok nicht am offenen Pazifik, sondern am Japanischen Meer. In den Pazifik geht es von dort durch Meerengen, die von Japan und Südkorea kontrolliert werden. In Friedenszeiten ist das kein Problem, aber Russland hat schon viele Kriege erlebt und denkt einen möglichen Kriegszustand immer mit bei seinen strategischen Planungen.
Sewastopol: militärisch und wirtschaftlich für Russland von großer Bedeutung
Deshalb ist die Krim für Russland so wichtig: Ein großer ganzjährig eisfreier natürlicher Tiefwasserhafen in relativer Nähe zu den Städten, in denen die meisten Russen leben. Militärisch ist die Lage zwar suboptimal, denn ins Mittelmeer kommt man von dort nur durch den Bosporus und der wird vom NATO-Mitglied Türkei kontrolliert. Und die kann im Kriegsfall die Meerenge sperren, was sie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine auch getan hat. Aber immerhin hat Russland im Kriegsfall von der Krim aus eine perfekte Kontrolle über das Schwarze Meer.
Östlich der Krim gibt es noch den Hafen Noworossijsk. Er ist der vom Umsatz her wichtigste Handelshafen Russlands. Moskau hat ihn auch militärisch ausgebaut und einen Teil seiner Schwarzflotte auch dorthin verlegt. Aber er ist deutlich kleiner und hat Grenzen. Er ist kein natürlicher Tiefwasserhafen - Tiefwasserhäfen werden für Tanker aber auch für Flugzeugträger benötigt. Militärisch dient er deshalb vor allem als Unterstützung von Sewastopol, ist aber kein gleichwertiger Ersatz. Der übrige Teil der russischen Schwarzmeerküste ist dann immer weiter im Osten und hat ein gebirgiges Hinterland, beides Faktoren, die aus russischer und logistischer Sicht große strategische Nachteile bedeuten würden.
Ukraine stürzt 2014 den russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch
200 Jahre lang gehörte die Krim zu Russland; die Zaren siedelten zunehmend ethnische Russen auf der Halbinsel an – eine Praxis, die Stalin fortsetzte und die zu einer insgesamt prorussischen Bevölkerung auf dem Halbinsel führte. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte Nikita Chruschtschow die Krim zu einem Teil der Ukraine. Die war damals Teil der Sowjetunion, daher war das für Russland zunächst kein Problem. Auch nicht, als die Sowjetunion zerfiel und die Ukraine eigenständig wurde, denn die Regierungen in Kiew haben sich bis 2014 gut mit Moskau arrangiert und Russland konnte auf der Krim seinen Hafen in Sewastopol weiter betreiben.
Erst durch die Unruhen 2014, dem Sturz von Viktor Janukowitsch und der Hinwendung der Ukraine Richtung EU und vor allem Richtung NATO ist aus russischer Sicht die Sicherheit des Hafens und des Stützpunkts nicht mehr garantiert. Deshalb ließ Putin die Krim annektieren. Denn die ist für ihn weitaus wichtiger als das Völkerrecht.
Wenn es also um die Ukraine insgesamt geht, mag Putin zu manchen Kompromissen bereit sein. Aber zu keinem, bei dem Russland riskiert, die Krim zu verlieren. Dies machte er spätestens bei seiner Rede nach der Annexion 2014 deutlich.
Es gibt ein sehr lesenswertes Buch von Tim Marshall – er ist Außenpolitikexperte bei der BBC. Das Buch heißt „Die Macht der Geographie“. Dort werden diese Zusammenhänge sehr schön dargestellt, auch der historische Kontext.
Hinweis: In einer früheren Fassung des Artikels gab es missverständliche Formulierungen hinsichtlich der ökonomischen Erwägungen in Bezug auf die Häfen. Diese wurden entfernt. Aufgrund mehrerer Nachfragen wurde außerdem ein Abschnitt über Noworossijsk ergänzt.
Hintergrund
Politik Russland und die Ukraine – Geschichte eines Krieges
Für Putin ist die Ukraine ein sowjetisches Konstrukt, den Einmarsch begründet er historisch. Der Konflikt um die ukrainische Unabhängigkeit reicht bis ins Mittelalter zurück.