Bislang schienen Händler und Hersteller wenig Interesse daran zu haben, ihre defekten Geräte nach Ablauf von Garantielaufzeit und gesetzlicher Gewährleistungsfrist zu reparieren.
Lange Wartezeiten für Ersatzteile, “Lieferengpässe” bis hin zu null Verfügbarkeit sowie teilweise hohe Preise für neue Geschirrkörbe oder neue Waschmaschinen-Türmanschetten machten Reparaturen für Verbraucherinnen und Verbraucher oft unattraktiv.
Enorme Belastung für unsere Geldbeutel und die Umwelt
Die Folge: EU-weit Millionen Tonnen Elektroschrott jedes Jahr. Über 10 Kilogramm Elektroschrott jährlich pro Kopf in Deutschland. Eine enorme Belastung für die Umwelt – und letztlich für unsere Geldbeutel. Denn die defekten Geräte wollen ja ersetzt sein.
So entstanden Verbraucherinnen und Verbrauchern, die anstelle von Reparaturen Neuanschaffungen vornehmen jährlich laut EU-Parlament EU-weit Verluste in Höhe von etwa 12 Milliarden Euro.
Laut einer EU-Umfrage wollen dreiviertel aller EU-Bürgerinnen und -Bürger ihre Elektrogeräte lieber reparieren als wegwerfen. Mit dem seit Langem geforderten Recht auf Reparatur will die EU dem nun nachkommen.
Was bedeutet Recht auf Reparatur?
Mit dem neuen Gesetz haben Verbraucherinnen und Verbraucher künftig das Recht, kaputte Elektrogeräte vom Hersteller reparieren zu lassen. Wenn die Geräte reparierbar sind und die Reparatur nicht teurer ist als ein Ersatzgerät.
Hersteller von Waschmaschinen, Handys, Staubsaugern etc. müssen demnach:
- auch ältere Geräte reparieren und überdies
- Ersatzteile künftig vorrätig haben,
- diese binnen 15 Tagen liefern können und
- zu einem “angemessenen” Preis anbieten.
Was ein angemessener Preis ist, ist freilich Auslegungssache – und muss besser definiert werden, fordern die Verbraucherzentralen: "Die Wirtschaft sieht das anders als die Verbraucher. Das muss man nochmal konkretisieren, sonst führt das dazu, dass Hersteller machen, was sie wollen", meint Keo Sasha Rigorth von der Verbraucherzentrale, Bundesverband.
Recht auf Reparatur: Welche Geräte?
Das neue Gesetz soll gelten für Geräte wie:
- Waschmaschinen,
- Staubsauger,
- Kühlschränke,
- Trockner,
- Handys,
- Tablets
- Smartphones und schnurlose Telefone
- Server und Datenspeicher
- Akkus in E-Bikes und E-Scootern
Für welche Geräte gilt das neue Gesetz nicht?
Kleine Elektrogeräte wie Kopfhörer, Toaster oder auch Kaffeemaschinen sind von der neuen Regelung ausgeschlossen.
Ursprünglich sollten auch Autos mit einbezogen werden. Denn hier kommt es ebenfalls immer wieder zu monatelangen Wartezeiten für Ersatzteile. Das wurde von der EU allerdings verworfen.
Bislang teilweise monatelange Wartezeiten auf Ersatzteile
Dass Verbraucher mitunter lange Zeit auf Ersatzteile warten mussten, davon kann Wilfried Kucera ein Lied singen. Bei seinem vor über zwei Jahren gekauften Dyson Akkusauger brach plötzlich das Saugrohr ab. Mehrere Anrufe und E-Mails an den Hersteller bleiben erfolglos. Mal ist von einer „leichte Verzögerung”, mal von "außergewöhnlich hohem Auftragseingang” oder dann wieder “Lieferengpässen” die Rede. Kucera wartet seit mittlerweile einem halben Jahr darauf. Bislang ohne Erfolg.
Das nächste Problem: die teilweise erheblich unterschiedlichen Preise für die Ersatzteile.
Bislang teils große Preisunterschiede bei Ersatzteilen
Dass es bei Ersatzteilen extreme Preisunterschiede geben kann, weiß auch Steffen Vangerow. In seinem Reparaturbetrieb repariert er alles – vom Thermomix bis zum iPhone: „Reparieren ist in vielen Fällen günstiger als ein Neugerät. Und es ist eigentlich fast immer besser für die Umwelt, denn es wird einfach deutlich weniger Ressource verbraucht, wenn ich nur ein kleines Teil austausche – und nicht das gesamte Gerät."
Große Preisunterschiede gibt es vor allem zwischen Original-Ersatzteilenund nachgebauten Ersatzteilen anderer Hersteller.
Beispiel Geschirrkörbe für Spülmaschinen
Beispiel Geschirrkörbe bei Spülmaschinen. Dieser Electrolux Geschirrkorb kostet Steffen Vangerow als Original-Teil 99,36 Euro mit Versand. Der Nachbau eines anderen Herstellers dagegen nur 54,75 Euro. Fast die Hälfte günstiger. Und die Qualität?
Steffen Vangerow: „Für mich ist da eigentlich im Prinzip überhaupt kein Unterschied erkennbar."
Außer im Preis. Electrolux sagt uns auf Nachfrage, dass ihre Preise, die Qualität widerspiegeln würden.
Beispiel Türmanschetten für Waschmaschinen
Oder: Türmanschetten von Waschmaschinen. Dieses Ersatzteil für eine Bosch/Siemens-Maschine kostet Steffen Vangerow 113,44 Euro. Das Nachbauteil kostet nur einen Bruchteil vom Original – 16,90 Euro.
Steffen Vangerow: “Das originale Bauteil ist ein bisschen weicher, bisschen flexibler, was sicherlich ein Vorteil ist. Und ist insgesamt besser verarbeitet. Beim Nachbauteil, da sieht man dann schon, da sind so Überstände, macht jetzt von der Wertigkeit her einen leicht schlechteren Eindruck. Aber ich würde sagen, das sind auf jeden Fall beides Bauteile, die man verbauen kann und eigentlich mit einem guten Gewissen benutzen kann.“
Auf unsere Nachfrage bei Bosch/Siemens heißt es zum Preisunterschied, dass beim Originalprodukt noch Spannringe dabei seien. Doch die kosten nur ca. 17 Euro.
Reparatur-Bonus: bis zu 200 Euro Zuschuss in manchen Bundesländern
Das neue Gesetz schreibt den EU-Staaten jedoch vor, dass mindestens eine Maßnahme zur Förderung von Reparaturen ergriffen werden muss. Das können etwa Zuschüsse sein, mit denen sich der Staat an den Reparaturkosten beteiligt.
In Deutschland gibt es noch keinen solchen bundesweiten Reparaturbonus.
In einzelnen Bundesländern gibt es allerdings bereits Kostenerstattungen: In Thüringen etwa gibt es bis zu 100 Euro Kostenerstattung bei Reparaturen von Elektrogeräten.
In Sachsen und seit kurzem in Berlin gibt es sogar bis zu 200 Euro.
In Thüringen wurden zwischen 2021 und 2023 bereits über 33.000 Reparaturen bezuschusst. In Sachsen seit rund einem Jahr rund 20.000. Ein vielversprechender Anfang.
Grundsätzlich gilt: das EU-weite Recht auf Reparatur muss noch in nationales Recht umgewandelt werden. Bei uns bis spätestens Sommer 2026.
Recht auf Reparatur: Wie machen es andere EU-Staaten?
Viele EU-Länder fördern bereits Reparaturen für Verbraucher.
In Österreich gibt es einen landesweiten Reparaturbonus: mit ebenfalls maximal 200 Euro pro Reparatur. Er gilt für die meisten elektronischen Haushaltsgeräte und sogar für Fahrräder.
In anderen EU-Ländern wie Belgien, Niederlande und Schweden gilt für bestimmte Reparaturen z.B. ein niedrigerer Mehrwertsteuersatz von z.B. 6 Prozent.