Die Lage des SWR ab 2021 – der 22. KEF-Bericht
Ende April 2019 hat die ARD ihre Finanzplanung für den Zeitraum 2021 bis 2024 der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) übermittelt. Auch in der SWR Verwaltungsdirektion liefen die Vorbereitungen für die Finanzbedarfsanmeldung im Frühjahr 2019 auf Hochtouren.
Am 17. Juni 2020 unterzeichneten die Regierungschefinnen und -chefs aller Bundesländer den ersten Medienänderungsstaatsvertrag und stimmten damit der Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab Januar 2021 um 86 Cent pro Monat auf 18,36 Euro zu. Ein Zwischenschritt – denn aktuell liegt der Ball bei den Länderparlamenten, die abschließend die Entscheidung zur Höhe des Rundfunkbeitrags für die Beitragsperiode 2021 bis 2024 treffen.
Fakt ist, der Rundfunkbeitrag wurde seit 2009 nicht mehr erhöht und im Jahr 2015 sogar gesenkt. Seit 2009 bewegt sich die Entwicklung der Beitragserträge der ARD somit unterhalb der Entwicklung des Verbraucherpreisindex und deutlich unterhalb der rundfunkspezifischen Teuerung. Die aktuelle KEF-Empfehlung für die kommende Beitragsperiode von 2021 bis 2024, den Rundfunkbeitrag von monatlich 17,50 Euro auf 18,36 Euro zu erhöhen, bedeutet für die ARD eine Erhöhung von 12,31 Euro auf 12,78 Euro. Allerdings heißt das nicht, dass der ARD und somit auch dem SWR in der neuen Periode entsprechend mehr Beitragsmittel zur Verfügung stehen und auch von einer auskömmlichen Finanzierung kann nicht die Rede sein. Denn schon heute greifen die Rundfunkanstalten auf angesparte Mittel zurück, die im Zuge der Umstellung von der Rundfunkgebühr auf den Rundfunkbeitrag im Jahr 2013 angespart wurden. Damit wurde vermieden, dass der Monatsbeitrag von 17,50 Euro schon Anfang 2017 auf 18,35 Euro erhöht werden musste. Bis Ende 2020 wird diese Beitragsrücklage vollständig verbraucht sein.
Die erste moderate Erhöhung seit über elf Jahren ist also für den SWR und auch für die anderen Rundfunkanstalten von großer Bedeutung, um weiterhin ihre staatsvertraglichen Aufgaben zu erfüllen. Und angesichts der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, v.a. im Hinblick auf die Corona-Pandemie und dem damit verbundenen voraussichtlichen Anstieg der Beitragsbefreiungen, wird sie jetzt noch wichtiger. Unabhängig von einer möglichen Beitragsanpassung muss die ARD neben den von der KEF auferlegten Wirtschaftlichkeitsmaßnahmen auch weiterhin zusätzliche Sparanstrengungen erbringen. Im SWR steuert die Verwaltungsdirektion den bereits im Jahr 2010 initiierten Einspar- und Umbauprozess.
Vergütungstarifverhandlungen 2019
Die finanzielle Ungewissheit im Zusammenhang mit der oben beschriebenen Beitragsanpassung belastete auch schon die Vergütungstarifverhandlungen im vergangenen Jahr, die auf SWR Seite von Verwaltungsdirektor Jan Büttner geleitet wurden.
Konkret ging es bei den Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag für die Beschäftigten des SWR. Maßstab hierfür war bislang der Tarifabschluss für die Angestellten des Öffentlichen Dienstes. Dieses Mal war jedoch alles anders. Während Bund, Länder und Gemeinden über mehr Steuereinnahmen verfügten und damit die Tarifverhandlungen der Länder mit jährlichen Steigerungsraten von zum Teil mehr als drei Prozent und einer durchschnittlichen Steigerung von 2,9 Prozent p. a. abschließen konnten, ist bei den Rundfunkanstalten auf der Einnahmenseite eher das Gegenteil der Fall: Die Erträge sind seit vielen Jahren nahezu unverändert geblieben und es ist absehbar, dass bis Ende 2020 die Beitragserträge eher noch zurückgehen werden. Das liegt unter anderem an der zunehmenden Zahl von Beitragsbefreiungen aus sozialen oder wirtschaftlichen Gründen, die ganz aktuell durch die Corona-bedingte Wirtschaftskrise eher noch weiter zunehmen werden. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 sorgt dafür, dass beim SWR weniger Beitragserträge ankommen, da für Zweitwohnungen kein Rundfunkbeitrag mehr bezahlt werden muss.
Aufgrund dieser Rahmenbedingungen konnte der Öffentliche Dienst der Länder mit seinen hohen linearen Steigerungen für den SWR und die anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunksender in dieser Tarifrunde nicht die Orientierung darstellen. Die Verhandlungen mit den Gewerkschaften gestalteten sich schwierig und wurden erstmals in der Geschichte des SWR auch von Warnstreiks seitens der Gewerkschaften begleitet. Im November 2019 konnte man sich schließlich auf einen neuen Tarifvertrag verständigen, mit dessen Ergebnis der SWR mit seinen dauerhaften Gehaltssteigerungen deutlich unterhalb des Abschlusses des Öffentlichen Dienstes der Länder liegt, aber dennoch im Gesamtpaket ein wertgleicher Abschluss zum Tarifabschluss des Öffentlichen Dienstes der Länder nachvollzogen werden konnte.
SWR Retro
Im Herbst 2019 ging mit SWR Retro ein bis dahin in der ARD einmaliges Projekt zur Archivöffnung an den Start. Die Archive der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland sichern einen enormen Programmschatz, der zeitgeschichtlich, kulturell, gesellschaftlich und aus vielerlei anderen Perspektiven von großem Interesse ist – unser audiovisuelles Kulturerbe. Der SWR ist der erste Sender in Deutschland, der einen Teil seiner audiovisuellen Archiv-Schätze online seinen Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung stellt. Im SWR Channel finden sich ARD Mediathek stehen unter der Marke „SWR Retro“zahlreiche Videos aus den Archivbeständen des SWR. Die User haben somit endlich Zugang zu einem weiteren Teil des SWR Programmvermögens. Damit der SWR historische Fernsehbeiträge und -filme für SWR Retro zugänglich machen konnte, musste vorher geklärt werden, ob das rechtlich möglich ist. Je nach Entstehungszeitpunkt der Produktion war das unterschiedlich zu beurteilen. Aus rundfunk- und urheberrechtlichen Gründen wurden daher in einem ersten Schritt nur Inhalte aus Sendereihen ausgewählt, die vor 1966 produziert wurden. SWR Retro startete also mit Produktionen der SWR-Vorgänger SWF und SDR aus der Frühphase des Fernsehens, aus den 1950er und 1960er Jahren. Diese Inhalte erlauben einen umfassenden Einblick in die damalige Zeit und lassen, beispielsweise in regionalen Nachrichtenbeiträgen der „Abendschau“ und „Von Rhein, Main und Neckar“, die Themen, die die Zuschauer im heutigen SWR Sendegebiet damals bewegten, wieder lebendig werden. Aber auch die Machart und Produktion der Filme ist rundfunkgeschichtlich äußerst interessant.
Das Leuchtturmprojekt des SWR konnte übrigens in der gesamten ARD eine Entwicklung anstoßen, sodass sich auch die übrigen Anstalten bemühen, diese Film- und Tondokumente nicht nur für Wissenschaft und Forschung, sondern auch für die Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Supercomputer hilft – Kooperation mit der Uni Stuttgart bei der Analyse von Musiktiteln
Der Südwestrundfunk und das Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart gehen seit 2019 mit einer Kooperation neue Wege. Der Höchstleistungsrechner in Stuttgart ist einer der schnellsten Supercomputer Europas und einer der leistungsfähigsten Rechner weltweit. Mit der enormen Rechenleistung des Supercomputers kann die Rechenzeit für Anwendungen in Wissenschaft und Forschung stark verkürzt werden.
Innerhalb des Kooperationsprojekts wird der Supercomputer für einen „anderen Blick“ auf das digitale Musikarchiv in der ARD-Hörfunkdatenbank eingesetzt. Das vom SWR entwickelte System zur Musikähnlichkeitssuche AIR (Audio Information Retrieval) vergleicht 700 Audiocharakteristika beliebiger Musikstücke auf mathematischer Basis und ermöglicht so das Finden von ähnlich klingenden Musiktiteln zu einem für die Suche verwendeten Ausgangsstück. In der Arbeitspraxis des SWR ist diese Möglichkeit sehr hilfreich, um beispielsweise für Fernsehproduktionen passende Hintergrundmusik zu finden, die bisher weniger oft zum Einsatz kommt. Mit diesem Tool können nun auch automatisch Musiktitel gefunden werden, die im System nicht mit Schlagworten versehen sind. Mithilfe des Supercomputers wurde der gesamte digitalisierte Musik-Archivbestand des SWR analysiert, der etwa zwei Millionen Audiodateien umfasst, und eine Datenstruktur erstellt, in der nun innerhalb weniger Sekunden nach ähnlichen Titeln gesucht werden kann.