Der Regenwald als Lebensraum
Aus Sicht vieler Menschen steht der tropische Regenwald für unberührte Natur. Anderen, die rein ökonomisch denken, steht er einfach nur im Weg. Auf einer gerodeten Fläche lassen sich schließlich Palmölplantagen oder Sojafelder anbauen.
Manche Naturschützer verweisen darauf, dass Schutz und Nutzung des Regenwaldes sich nicht ausschließen: Menschen können auch im und vom Wald leben können: von Früchten, oder Produkten wie Sago und Gummi, für die man keine Bäume fällen muss. Doch geht diese Rechnung auf?
Vorbild: Die Penan in Borneo
Das indigene Volk der Penan wird oft als Modell beschrieben. Sie ziehen seit hunderten, vielleicht tausenden Jahren durch die Regenwälder von Borneo. Die Insel ist mehr als doppelt so groß wie Deutschland, trotz massiver Abholzung noch immer großflächig von dichtem Dschungel bedeckt.
Für die Penan ist der Regenwald unter anderem eine Quelle für Sago – ein traditionelles, stärkehaltiges Verdickungsmittel.
„Unsere Sippe kommt seit langer Zeit hierher, um Sagopalmen zu ernten“, erzählt Guman, Oberhaupt einer Penan-Sippe. „Zuerst fällen wir die Palmen. Dann spalten wir die Stämme und schälen das Mark heraus. Sago ist unser wichtigstes Essen, und bisher finden wir immer genügend Palmen.“
Sago: Produkt des Regenwalds und so nahrhaft wie Reis
Gumans Familie lebt fernab der Küsten, tief im Innern der Rieseninsel: dort, wo der malaysische Bundesstaat Sarawak an die indonesische Provinz Kalimantan grenzt. „Wenn wir Sago ernten, fällen wir immer nur wenige Palmen – denn nur so wachsen genügend neue nach. Die größten Stämme lassen wir stehen: Wir schlagen nur an einer Stelle die Rinde ab, schälen das Sago heraus und die Rinde wächst später nach. Noch gibt es mehr Sagopalmen, als wir zum Essen benötigen. Und nur deshalb können wir die großen Stämme stehen lassen.“
„Der Nährwert von Sago ist mit dem von Reis vergleichbar“, erklärt der Anthropologe Bernard Sellato. „Sago lässt sich aber viel effizienter gewinnen als Reis.“ Innerhalb einer Arbeitsstunde kann man im Schnitt einen Nährwert von rund 3.600 Kilokalorien ernten. Bei Reis sind es höchstens 1.500 Kilokalorien, also weniger als die Hälfte.
Außerdem ist Sago weniger anfällig für Schädlinge, Krankheiten und Wettereinbrüche. Eine Studie besagt, dass sich von einer Tagesernte Sago eine ganze Familie eine Woche lang ernähren kann.
Taugt Borneo als Vorbild?
Die Penan gelten als Musterbeispiel einer nachhaltigen Regenwald-Bewirtschaftung. Doch bei genauerem Hinsehen lässt sich das Beispiel nicht ohne weiteres auf andere Regenwälder der Welt übertragen.
Borneos Wälder besitzen Sago-Palmen - andere nicht. Dass ein Regenwald essbare Pflanzen und Früchte wie Pilze und Farne, Wurzeln und Nüsse bietet, ist nicht selbstverständlich. Teile des Amazonasbeckens und des Kongobeckens gelten z.B. als „grüne Wüsten“, die nur zu bestimmten Jahreszeiten ausreichend essbare Pflanzen und jagdbare Tiere bieten. Auf Borneo dagegen bietet der Sagobrei zuverlässig das ganze Jahr über Kalorien.
Bäume auf Borneo wachsen besonders schnell
Lange Zeit galten die Regenwälder des südamerikanischen Amazonas als die fruchtbarsten der Welt. Dann verglichen Wissenschaftler dortige Parzellen mit gleichgroßen auf Borneo und stellten fest, dass die Bäume auf Borneo fast 50 Prozent schneller wachsen. Der wichtigste Grund: Dort hängen die Baumsamen an Flügeln und fliegen deshalb bis zu 80 Meter weit, um in kleinsten Ritzen zu sprießen.
Auch deshalb geltendie „Flügelfrucht-Wälder“ von Borneo als „eine der großartigsten Waldformationen, die unser Planet jemals hervorgebracht hat“, wie das renommierte „Zentrum für Internationale Waldforschung“ schwärmt.
Fazit: Regenwälder sind sehr unterschiedlich. Ob Menschen vom Regenwald nachhaltig leben können, hängt sehr stark vom Klima ab und von der natürlichen Vegetation, aus der sich der Wald zusammensetzt.