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Tintenfische – Wunder der Evolution

Stand
Autor/in
Julia Beißwenger
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Studien zeigen : Weltweit gibt es immer mehr Tintenfische. Diese Tiere sind nicht nur faszinierend. Experten sagen auch: Diese Ressource sollte man nutzen – auch zur Ernährung.

Bei Tintenfischen ging die Evolution einen Sonderweg.

Die Weichtiere sind mit Muscheln und Schnecken verwandt, haben aber ein Gehirn, das intelligentes Verhalten erlaubt. Statt eines Bauches hängen acht oder zehn Arme an ihrem Kopf. Tintenfische haben keine Knochen, dafür drei Herzen und eine Körperfarbe, die sie in Millisekunden verändern können.

1 Sie tarnen sich in Millisekunden

Generell gelten Tintenfische als Meister der Täuschung. Sie sind Weichtiere, also eigentlich mit Schnecken verwandt – und trotzdem so komplex und klug wie viele Wirbeltiere. Eine farbenreiche Verwandlung innerhalb von Millisekunden ist beispielsweise typisch für den Mimik-Oktopus. Mindestens 15 Tierarten kann er nachahmen.

2 Ihr Körperbau ist faszinierend

Tintenfische besitzen drei Herzen. Die brauchen sie, weil sie einen schnellen Stoffwechsel haben und nur wenig roten Blutfarbstoff zum Transport von Sauerstoff. Ein Haupt- und zwei Kiemenherzen treiben deshalb gemeinsam einen Blutkreislauf an. Kraken haben acht Arme, Sepien und Kalmare zehn. Einen Tintenbeutel besitzen sie alle. Darin ist eine Art Betäubungsmittel. An den vielen Armen der Tiere sitzen Saugnäpfe mit Sinneszellen. Sie ähneln den Geschmacksnerven einer Zunge. Tintenfische schmecken also mit den Armen.

3 Sie sind in der Regel ungefährlich

Riesenkalmare können bis zu 18 Meter lang werden. Früher wurden Riesenkalmare immer wieder für Seeungeheuer gehalten. Dabei greifen sie Menschen in der Regel nicht an. Sie sind scheu wie viele ihrer kleineren Verwandten.

4 Sie können zwei Gesichter zeigen

Statt über akustische Signale verständigen sich Tintenfische über optische auf der Haut. US-amerikanische Forscher haben zum Beispiel einen Karibischen Riffkalmar gefilmt, der mit einem freundlich, hellen Hautmuster um ein Weibchen warb. Als sich ein Rivale näherte, wurde das Männchen dunkel. Aber nur auf der Seite, die zum Konkurrenten zeigte. Das Weibchen bekam durchgehend das helle Muster zu sehen. Drehte sich das Tier, tauschten auch seine Körperseiten blitzschnell die Farben.

5 Sie verhalten sich auffällig vor Spiegeln

Italienische Forscher zeigten, dass der Gewöhnliche Krake, Oktopus Vulgaris, sich durchaus vor Spiegeln auffällig verhält. Sie machten Wellenmuster, damit sich das Gegenüber bewegt. Es ist ein Zeichen von Intelligenz, wenn ein Tier versucht, mehr Informationen zu bekommen, um etwas zu verstehen.

6 Ihr Genom ist unserem sehr ähnlich

Wissenschaftler entschlüsseln das Genom der Kopffüßer (Cephalopoden). Es ist riesig, etwa so groß wie das eines Menschen. Dieser Satz an Genen ist außerdem sehr ähnlich wie bei Menschen. Was wirklich anders ist, ist die Reihenfolge dieser Gene. Und das deutet auf eine andere Art der Evolution.

7 Sie sind Multitaskingtalente

Das Nervensystem in den Armen macht Tintenfische zu wahren Multitasktalenten: Sie können Hunderte von Saugnäpfen einzeln bewegen und gleichzeitig mit den Armen verschiedene Dinge tun. Die Autorin Sy Montgomery beschreibt zum Beispiel in ihrem Buch Rendezvous mit einem Oktopus, wie ein Pazifischer Riesenoktopus mit den Saugnäpfen die Arme von gleich drei Menschen abtastet und zur selben Zeit, vom Besuch unbemerkt, einen Eimer mit Heringen vom Beckenrand stibitzt.

8 Tintenfisch-Eltern sterben sofort

Kopffüßler laichen nur einmal im Leben. In der Regel versterben die Männchen nach der Spermaabgabe, die Weibchen nach dem Legen der Eier. Entnimmt man dem Meer zu viele Tiere, beispielsweise durch Fischerei, schrumpft die Population in kurzer Zeit, zumal Tintenfische der Nordsee nicht alt werden, höchstens zwei Jahre, so die Vermutung. Um die Lebenserwartung genau zu bestimmen, zählen die Rostocker Biologen Altersringe in den so genannten Statolithen, den Gehörknöchelchen der Tiere.

9 Sie befruchten sich mit den Armen

Den Begattungsarm haben die Männchen. Mit der löffelförmigen Spitze nimmt das Männchen das Sperma und legt es dem Weibchen unter ihren Mantel. Manchmal umarmt er das Weibchen mit Gewalt, aber es gibt auch Paarungsrituale ähnlich wie bei Vögeln. Manchmal trägt das Weibchen das Sperma über Monate mit sich herum, bis sie Eier legt und diese mit den Spermien befruchtet.

10 Es könnte noch viel mehr von ihnen geben

Fast 75 Prozent des Ozeans liegen zwischen 1000 und 3000 Meter Tiefe. Es ist das größte Habitat der Welt, über das man noch sehr wenig weiß. Aufnahmen aus der Tiefsee sind selten. Menschen haben das Leben dort unten bisher wenig gestört. Doch das könnte sich in Zukunft mancherorts ändern.

Produktion 2018

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