In Afrika werden Kraftwerke fast nur mit Kohle und Öl betrieben – mit klimaschädlichen, fossilen Energieträgern also. Gekocht wird oft mit Holz oder Holzkohle. Seit Kurzem aber wird das gewaltige Sonnenenergie-Potenzial Afrikas erschlossen. Lokale Stromnetze, gespeist von kleinen Solarkraftwerken und Hochleistungs-Akkus, sind so preisgünstig geworden, dass sich damit großflächig saubere Energie produzieren und Geld verdienen lässt.
Das malisch-deutsche Ehepaar Aida und Torsten Schreiber hat in Dörfern Nigers und Malis bereits zwei Dutzend mobile Kraftwerke errichtet – ohne öffentliche Förderung. Die Projekte haben das Leben in den Dörfern grundlegend verändert.
Saubere Energie für Afrika
60 Prozent der Menschen in Afrika haben keinen Strom, in den Dörfern Malis sind es sogar 90 Prozent. Doch es gibt auch Hoffnung – auf klimaneutrale Stromproduktion aus Wasserkraft und Bioabfällen, aus Wind- und Sonnenenergie.
Die meisten Menschen in Afrika können Nahrungsmittel und Medikamente nicht kühlen; Schulkinder machen ihre Hausaufgaben im Qualm von Kerosinlampen; sie kennen weder Fernseher noch Computer. Da und dort dröhnen zwar Dieselgeneratoren; deren Betrieb ist aber teuer und setzt klimaschädliches Kohlendioxid frei. Millionen afrikanische Frauen kochen zudem mit Holz und Holzkohle. Sie ruinieren so, neben ihrer Gesundheit, die letzten Wälder Afrikas und schüren gleichfalls den Klimawandel.
Deutsch-malisches Start-Up bringt Strom in entlegene Dörfer
Doch im Jahr 2016 wurde bereits ein Viertel des Stroms weltweit mit erneuerbaren Ressourcen produziert. Und am schnellsten wächst die Nutzung von Sonnenenergie. Die ist in Afrika besonders reich verfügbar, und die Preise für Solaranlagen sind drastisch gesunken. Africa Greentec, das Startup des Deutschen Torsten Schreiber und seiner malischen Frau Aida, bringt seit kurzem Solarstrom in entlegene Dörfer Malis.
Torsten und Aida Schreiber verabschieden sich gerade von den Dorfältesten. Sie haben einen Deal mit ihnen abgeschlossen: Africa Greentec wird eins seiner gelb-grün-rot lackierten Ungetüme in Fanidiama aufstellen – einen sogenannten Solartainer.
Dürren, Überschwemmungen und Terror
Torsten – im khakifarbenen Firmenhemd, mit Rauschebart und schulterlangem Haar,– erzählt von Mali, einem der ärmsten Länder der Welt: 20 Millionen Einwohner auf fast der vierfachen Fläche Deutschlands; überwiegend Halbwüste und Wüste. Der Klimawandel bedroht die Bauern hier mit extremen Dürren, Starkregen und Überschwemmungen zur Unzeit. Und islamistische Terrornetzwerke treiben ihr Unwesen – bekämpft auch von Bundeswehr-Soldaten.
Reisen mit Militäreskorte
Die wenigen Deutschen in Mali sind denn auch bevorzugtes Ziel von Anschlägen. Deshalb bewegen sich die Schreibers mit gepanzerten SUVs und Militäreskorten. Strom sei in den 11.000 Dörfern Malis unbekannt gewesen, erzählt Schreiber – bis die Weltbank um die Jahrtausendwende ein Programm auflegte. Sie wollte einigen hundert Dörfern Strom verschaffen – mit Dieselgeneratoren. Doch als das Projekt dann realisiert wurde, die Netze gebaut hat und der Dieselgenerator angeliefert war, die Gebäude, das Gerätehaus fertig waren, war zwischenzeitlich der Dieselpreis auf das Doppelte angestiegen. Niemand konnte sich den Betrieb der Anlage mehr leisten.
Ein gescheitertes Energieprojekt – eins von vielen in Afrika. Für das Solarunternehmen Africa Greentec indes birgt das Scheitern der Weltbank Chancen: Sonne hat Mali im Überfluss; und in mehreren hundert Dörfern gibt es bereits im Laufe der Weltbank-Projekte verlegte Stromnetze. Malis Regierung bat Africa Greentec, sich auch in solchen Dörfern zu engagieren.
Solartainer müssen bewacht werden
22 Solartainer hat das Unternehmen bis März 2019 gebaut. 15 wurden bereits aufgestellt – 14 davon in Mali, einer im Nachbarland Niger. Pro Monat kommen derzeit ein bis zwei Anlagen dazu. Für jeden Solartainer stellt Africa Greentec einen Wachmann ein und zwei Techniker.
Um die Kosten von bis zu 300.000 Euro pro Solartainer zu decken, verlangt das Unternehmen etwa 20 Eurocent pro Kilowattstunde tagsüber und 40 Cent abends. Das ist viel Geld im Verhältnis zur Kaufkraft in Mali, aber nur halb so teuer wie Dieselstrom. Und es kostet Privathaushalte übers Jahr weniger, als sie früher für Kerosin und Kerzen ausgaben – ohne die Möglichkeit, Fernseher, Handys und komfortable LED-Leuchten zu betreiben. Damit möglichst viele Nutzer an der begrenzten Menge Solarstrom teilhaben können, sei der Verbrauch pro Nutzer gedeckelt. Handwerksbetriebe bekämen tagsüber mehr Strom als Privatabnehmer, abends dafür aber gar keinen.
Auch Biogas bringt umweltfreundliche Energie
Zusätzlich hat Africa Greentec begonnen, kleine Biogasanlagen zu bauen, die vor allem den reichlich vorhandenen Dung des malischen Viehs vergären. Eine Anlage für tausend Euro füllt pro Tag vier große Plastikrucksäcke mit Biogas. Das ersetzt 28 Kilo Holz und ist zudem billiger. Die Schreibers verkaufen ihre leicht zu wartenden Biogasanlagen lokalen Betreibern. Die zahlen sie zwei, drei Jahre lang ab, haben ein dauerhaft solides Einkommen und helfen den Frauen im Dorf sowie dem Klimaschutz.
Frauen haben in Mali einen schweren Stand
Aida Schreiber trägt Khakihosen, das khakifarbene Firmenhemd und kein Kopftuch – ein ungewohnter Anblick in malischen Dörfern, wo erzkonservative religiöse Autoritäten den Ton angeben und Frauen oft keinerlei Zugang zu Entscheidungsgremien haben. Da müsse sie durch, sagt die Unternehmerin und lächelt zum ersten Mal. Immer häufiger erlebe sie inzwischen, sagt Aida Schreiber, dass bei Versammlungen auch Frauen aus den Dörfern das Wort ergriffen; dass sie ihre Wünsche und Sorgen artikulierten.
Hohes Risiko für Investionen in Mali
In der Abenddämmerung, auf Baumstämmen sitzend, lassen die Schreibers und ihre Mitarbeiter einen langen Tag Revue passieren. Sie wollen einen positiven Fußabdruck hinterlassen – in Form von Solartainern und Biogasanlagen für, wenn möglich, Millionen Menschen. Mit Crowdfunding, Schwarmfinanzierung übers Internet, haben sie begonnen, haben zusätzlich eigenes Vermögen eingesetzt und schließlich eine Anleihe über zehn Millionen Euro aufgelegt – mit der grünen GLS-Bank als führendem Kreditgeber. Auch diese Bank will allerdings 6,5 Prozent Zinsen angesichts des hohen Risikos in Mali.
Die Schreibers stehen also unter finanziellem Druck. Und sie müssen nicht nur technische Herausforderungen bewältigen, die den Bau so manches Solartainers wochenlang verzögern. Sie kämpfen in Mali auch gegen Korruption und politische Willkür, mit sozialen und kulturellen Empfindlichkeiten. Das Konzept des Sozialunternehmertums sei den meisten Afrikanern fremd, sagt Torsten Schreiber. Doch das junge Sozialunternehmen erfüllt, so scheint es, ein Grundbedürfnis in Mali. Und das, sagt Torsten Schreiber, merkten auch die Dorfbewohner sehr schnell.
Produktion 2019