Deutsche Weinstraße

„Saufen für den Führer“ – Wein-Propaganda der Nationalsozialisten in der Pfalz wird aufgearbeitet

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Autor/in
Anke Petermann

Unzählige Weinfeste, die „Deutsche Weinstraße“ und auch das „Deutsche Weintor“ in Schweigen an der deutsch-französischen Grenze sind Überbleibsel geschickter Nazi-Propaganda. Nur sehr selten wird bisher auf diese dunkle Vergangenheit hingewiesen. Historiker wollen dies noch vor dem 90. Jahrestag der „Deutschen Weinstraße“ ändern.

Die „Deutsche Weinstraße“ sollte Weinkonsum anheizen 

1935 eröffnete der damalige NS-Gauleiter Josef Bürckel die Deutsche Weinstraße  als touristische Straße zwischen Schweigen-Rechtenbach nahe der Grenze zu Frankreich und Bockenheim an der Grenze zu Rheinhessen: als Absatzförderung für die pfälzischen Winzer.  

Die litten seit Ende der 1920er-Jahre unter Missernten und der Weltwirtschaftskrise, weshalb die Nazis in der unzufriedenen Winzerschaft früh punkten konnten. Mit guten Ernten Mitte der 1930er Jahre kam dann aber der Preisverfall.  

Als Reaktion darauf wollte der NS-Gauleiter den Weinkonsum anheizen, er stärke die „Volksgemeinschaft“. Wer laut NS-Ideologie außerhalb dieser Gemeinschaft stand, sollte vernichtet werden. Die jüdischen Weinhändler mit ihren globalen und die Kommissionäre mit ihren lokalen Kontakten zum Beispiel.  

Jüdische Wein-Kommissionäre überlebten den Holocaust fast alle nicht 

„Kommissionäre leben in ihrer Region und vermitteln im Grunde zwischen den Produzenten und Großeinkäufern“, erklärt Daniel Deckers von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der zu diesem Thema geforscht hat. „Und von diesen Kommissionären hat, soweit ich das bis jetzt rekonstruieren konnte, niemand den Holocaust überlebt. Einer ist nach Frankreich ausgewandert. Die anderen sind, glaube ich, alle ermordet worden.“ 

Von den internationalen Branchen-Kontakten jüdischer Weinhändler profitierte das Regime lange. Einigen gelang es, der Vernichtung im Konzentrationslager zu entkommen, sagt Daniel Deckers am Rande einer Tagung der Gesellschaft für Geschichte des Weines im rheinhessischen Nierstein.  

 Juden waren Botschafter deutscher Weinkultur

Man habe ihnen diesen Kosmopolitismus auch als ein Wesensmerkmal zugeschrieben, erläutert er: „Negativ – der ‚ruhelose Jude‘, der ‘heimatlose Jude‘, der den Wein nicht um seiner selbst willen schätzt, sondern nur als Handelsware. Dieses Stereotyp kann man anhand der jüdischen Weinhändler wunderbar widerlegen, denn: Es ging auch um die deutsche Weinkultur und den deutschen Spitzenwein, für die Juden im gesamten 20. Jahrhundert die besten Botschafter waren, auch nachdem sie von den Nationalsozialisten entrechtet worden waren.“ 

Die Deutsche Weinstraße war aus nationalsozialistischer Sicht ein Erfolg

Die Deutsche Weinstraße war aus nationalsozialistischer Sicht ein Erfolg: Weinabsatz und Fremdenverkehr wuchsen. Jüdische Händler und Kommissionäre wurden unter dem Beifall ihrer Kollegen beiseitegeschoben, die Weinbranche wurde „arisiert“, so die NS-Diktion.  

Von der Nazi-Vergangenheit des „Deutschen Weintors“ erfährt man in Schweigen nichts 

Von den Schattenseiten der ideologisch befeuerten Weinfröhlichkeit erfährt man allerdings an den touristischen Hotspots der Weinstraße heute nichts. Beispiel: das monumentale Deutsche Weintor im südpfälzischen Schweigen-Rechtenbach. Die Historikerin Pia Nordblom kritisiert das. Wenn man durch das Gebäude gehe, dann treffe man auf die „Hall of Fame“ mit Tafeln über bedeutende Persönlichkeiten des Weinfachs. „Aber im ganzen Gelände vermisst man etwas, was auf die Anfänge des Weintors und der Weinstraße hinweist“, bemängelt sie. 

Infotafeln sollen auf die NS-Geschichte der Deutschen Weinstraße hinweisen 

Die Winzergenossenschaft „Deutsches Weintor“ als Eigentümerin des Monuments sieht ihre Aufgabe vor allem darin, Weine von 500 Winzerfamilien zu vermarkten. Doch Geschäftsführer Frank Jentzer spürt auch den wachsenden öffentlichen Druck, das Thema NS-Geschichte aufzugreifen. Darauf hat die Genossenschaft vor etwa zwei Jahren reagiert und den damaligen Archivar der Verbandsgemeinde Bad Bergzabern eingespannt.  

Mit dem Historiker einigte sie sich auf zwei Texte: einen zur Geschichte des Weintors als steinernes Zeugnis nationalsozialistischer Wein-Propaganda, einen zur Genossenschaft als Nachkriegs-Gründung. Beide sollen auf Informationstafeln am Deutschen Weintor zu lesen sein. 

Die Entwürfe liegen coronabedingt schon lange zur Redaktion bei der Landeszentrale für politische Bildung in Mainz. Doch um den Jahreswechsel könnte ein Ergebnis vorliegen.  

 

Zeitwort 19.10.1935: In der Pfalz wird die Deutsche Weinstraße eröffnet

Neben dem berühmten Saumagen ist es – in kulinarischer Hinsicht – vor allem der Wein, der die Pfalz auszeichnet. Damit der Wein nicht nur getrunken wird, sondern auch für touristische Zwecke dienen kann, wurde am 19. Oktober 1935 die „Deutsche Weinstraße“ gegründet – heute vor 87 Jahren.

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