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Paul Watzlawick – Warum wir nicht NICHT kommunizieren können

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Autor/in
Martina Senghas
Martina Senghas
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Claudia Neumeier
Candy Sauer

Paul Watzlawick (1921 - 2007), Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler, revolutionierte unsere Auffassung von Kommunikation.

Paul Watzlawicks Weg vom Dolmetscher in die Psychotherapie

Im österreichischen Villach wird 1921 einer der wichtigsten Psychotherapeuten, Philosophen und Kommunikationswissenschaftler des 21. Jahrhunderts geboren. Schon früh hat Paul Watzlawick mit Sprache zu tun – notgedrungen: Die Deutsche Wehrmacht verpflichtet ihn als Dolmetscher. Bald schon wird er wegen "Staatsfeindlicher Betätigung" verhaftet. Bei den Verhören übersetzt er unzureichend "zum Nachteil der Deutschen" und äußert sich außerdem regimekritisch. Kurz vor Kriegsende gelingt ihm die Flucht und er arbeitet bald wieder als Dolmetscher – diesmal für die Engländer.

Nach Ende des Krieges arbeitet er unter anderem als Polizeipsychologe. Dabei entdeckt er seine kommunikative Begabung: Ihm gegenüber gestehen Verdächtige häufiger als bei seinen Kollegen von der Polizei. Bald darauf beginnt er die Ausbildung zum Psychotherapeuten und zwar am C.G. Jung-Institut in Zürich. Dort ist das Psychotherapiestudium möglich, ohne vorher Medizin studiert zu haben. Ein Glücksfall für Watzlawick, der zuvor Philologie und Philosophie in Venedig studiert hatte.

Wirklichkeit ist eine Konstruktion

Als fertiger Psychotherapeut macht Paul Watzlawick Station in Indien. Ein einschneidendes Erlebnis, denn Verhaltensweisen, die in unserer westlich geprägten Welt Anzeichen psychischer Krankheiten sind, gelten dort als Ausdruck der Heiligkeit und Weisheit. Watzlawick kommt "zu der Einsicht, dass wir uns unsere Wirklichkeiten selbst schaffen und dann felsenfest annehmen, dass die Welt wirklich so ist."

Das heißt: Die Wirklichkeit, in der wir meinen zu leben, ist von uns selbst konstruiert. Dieser Konstruktivismus wird die Philosophie, auf der Paul Watzlawick seine psychotherapeutische Arbeit aufbaut:

Konstruktivismus nun ist das Studium jener Prozesse, mittels derer wir unsere Sicht der Welt konstruieren und dann felsenfest annehmen, so sei die Welt wirklich. Und das ist die Ursache unzähliger menschlicher Schwierigkeiten, denn der andere sieht das natürlich anders.

Revolution der Psychotherapie in Palo Alto

In den 1950er-Jahren verschlägt es Watzlawick ins kalifornische Palo Alto, wo der Name des neuen psychotherapeutischen Ansatzes geprägt wird. Das Palo-Alto-Modell wurde am Mental Research Institute (MRI) von Watzlawick mitentwickelt und basiert auf einer ganz schlichten Annahme: Probleme werden durch die Lösungsversuche derjenigen, die diese Probleme haben, aufrechterhalten und auch verkompliziert. Menschen mit sozialen Ängsten, die sich zurückziehen und dadurch immer mehr Angst bekommen und vereinsamen, sind ein klassisches Beispiel dafür. Letztendlich geht es darum, den Menschen ein Werkzeug in die Hand zu geben, damit sie ihre Wirklichkeiten zum Positiven hin verändern können.

In Kalifornien war Paul Watzlawick Mitglied der Palo-Alto-Gruppe. Am Mental Research Institut (MRI) entwickelte er seine Kommunikationstheorie
In Kalifornien war Paul Watzlawick Mitglied der Palo-Alto-Gruppe. Am Mental Research Institut (MRI) entwickelte er seine Kommunikationstheorie

Dieser Ansatz ist eine kleine Revolution in der Psychotherapie der 1970er. Die damals verbreitete Psychoanalytik basiert darauf, die Ursache von Problemen zu suchen. Die Psychoanalytik ist damit auf das Individuum und die Vergangenheit fixiert. Watzlawick hingegen blickt auf die Gegenwart und die aktuelle Lebenswirklichkeit seiner Patientinnen und Patienten und wie sie ihre Zukunft meistern können.

Die Vorgeschichte kann man vergessen, die nächsten Züge sind sehr wichtig. Und das ist seine Aversion gegen die Psychoanalyse, dass sie zu vergangenheitsfixiert ist. (...) Man will das in der Vergangenheit Schiefgegangene erretten und erlösen.

Wie kommunizieren wir?

Später in seinem Leben ist Paul Watzlawick viel als Vortragsreisender unterwegs. Mit seinen Theorien zur Kommunikation schafft er es, weite Bevölkerungsteile zu erreichen. Viele Menschen haben schon von den fünf Grundannahmen zur Kommunikation gehört. Die erste Grundannahme ist gleichzeitig die bekannteste:

1. Man kann nicht nicht kommunizieren

Gemeint ist damit, dass wir – selbst wenn wir kein Wort sagen – immer mit unserem Körper, unserer Gestik und Mimik Botschaften an unsere Umgebung senden. Zum Beispiel wenn ein Mensch an der Bushaltestelle auf den Boden starrt. Dann ist klar: Diese Person möchte nicht angesprochen werden.

2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt

Der Inhaltsaspekt ist die reine Information, die durch Worte mitgeteilt wird. Aber wie diese Worte mitgeteilt werden, hängt maßgeblich vom Beziehungsaspekt ab. Wenn die eigene Gießkanne bei einem Nachbarn vermutet wird, ist die Art und Weise der Fragestellung "Haben Sie zufällig meine Gießkanne?" entscheidend davon abhängig, ob man den Nachbarn mag und ob er oder sie vielleicht früher die Gießkanne schonmal ungefragt "geborgt" hat.

3. Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung

Das Wechselspiel von Aktion und Reaktion wird auch "Teufelskreis der Kommunikation" genannt. Was war zuerst da: strenger Chef oder demotivierter Angestellter?

4. Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten

Mit analoger Kommunikation ist die nonverbale Kommunikation gemeint, also Gestik und Mimik. Digitale Kommunikation repräsentiert die reine Inhaltsebene. Beispiel: Ein Mann hat Tee gekocht und möchte seine Freundin dazu einladen, sich auf eine Tasse Tee mit an den Tisch zu setzen. Auf digitaler Ebene sagt er "Der Tee ist fertig." Erst durch die analoge Kommunikation, ein Kopfnicken in Richtung Küchentisch, wo der dampfende Tee bereits steht, wird die Botschaft des Mannes klar.

5. Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär

Die zwischenmenschliche Kommunikation ist entscheidend durch die Beziehung der Parteien zueinander beeinflusst. Bei symmetrischer Kommunikation findet die Begegnung auf Augenhöhe statt, z.B. unter Arbeitskollegen. Bei komplementärer Kommunikation existiert ein Machtgefälle, z.B. zwischen einer Lehrerin und ihren Schülerinnen und Schülern.

Kommunikation für alle!

Bekannt wurde Watzlawik auch als populärwissenschaftlicher Autor. Die Paradoxien und unterhaltsamen Teufelskreise aus seinem Bestseller "Anleitung zum Unglücklichsein" wurden 2012 sogar verfilmt und sind bis heute in aller Munde:

Herr A und Herr B sitzen im Autobus zum Flugplatz, um zwei Flüge zu erreichen, die zum selben Zeitpunkt, aber in zwei verschiedene Richtungen abgehen. Der Autobus kommt in einen Riesenverkehrsstau hinein und der Autobus kommt mit 30 Minuten Verspätung an. Herr A erfährt, dass seine Maschine flugplanmäßig vor 30 Minuten abgeflogen ist. Herr B erfährt, dass seine Maschine ihrerseits verspätet war und vor fünf Minuten abgeflogen ist. Wer ärgert sich mehr?

2007 ist Paul Watzlawick verstorben. Für einen Mann, der die Psychotherapie dermaßen umgeworfen hat, war Watzlawick wohl eine recht unauffällige und bescheidene Person. Wegbegleiter beschreiben ihn als zurückhaltenden und förmlichen Mann.

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