Zugleich modernisierte er Verwaltung und Rechtsprechung, etwa durch den Import des "Code Civil" aus Frankreich. Auch konnten Juden ihre Religion nun frei ausüben.
Sichtbare Spuren der Franzosenzeit im Südwesten bis heute
In Deutschland gilt Napoleon Bonaparte oft als Totengräber des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Denn durch seine Feldzüge ordnete der französische Kaiser Europas Landkarte – und die Deutschlands – neu. Gleichzeitig stabilisierte Napoleon, was die Französische Revolution wenige Jahre zuvor erschüttert hatte. Sichtbar ist diese Franzosenzeit in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bis heute.
Französische Truppen verteidigen die Revolution von 1789 in den sogenannten „Koalitionskriegen“ mit Feldzügen in ganz Europa, besetzen u.a. das linke Rheinufer. So bereiten sie Napoleon den Boden auch im Südwesten Deutschlands.
Seit einem Staatsstreich im November 1799 ist er „Erster Konsul“ und mächtigster Mann Frankreichs. Das Land hält den gerade mal 30-jährigen Feldherrn – als Napoleone Buonaparte war er am 15. August 1769 auf Korsika geboren worden – wegen seiner Siege in Schlachten in Italien und Ägypten für ein militärisches Genie.
Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 sieht vor, dass die weltlichen Fürsten für ihre Verluste links des Rheins entschädigt werden. Hierzu wird u.a. kirchlicher Besitz säkularisiert. Im Rheinbund schließen sich ab 1806 deutsche Staaten unter französischem Protektorat zusammen.
Napoleons Stern sinkt
1812 erlebt Napoleon die katastrophale Niederlage seiner Truppen in Russland. Die "Grande Armée" tritt den Rückzug an. Als Napoleons Stern nun sichtbar sinkt, suchen die deutschen Fürsten den richtigen Zeitpunkt für den Absprung aus der Allianz mit ihm. Baden ist ein gutes Beispiel: Dem Großherzog gelingt der Seitenwechsel vom Rheinbund zur Allianz aus Österreich, Preußen und Russland nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813. Das trägt ihm beim Wiener Kongress Rückendeckung durch den Zaren ein und sichert so langfristig die Gebietsgewinne der napoleonischen Jahre.
Die Endphase Napoleons, in Deutschland oft „Befreiungskriege“ genannt, hat im Südwesten die vielleicht bemerkenswertesten Spuren hinterlassen. Etwa bei Kaub am Rhein, einige Kilometer südlich des Loreley-Felsens, an einer Stelle, an der heute eine Fähre Autos und Fußgänger von einem Ufer zum anderen übersetzt.
In der Neujahrsnacht 1813/1814 überqueren hier 60.000 Soldaten unter dem preußischen Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher mithilfe einer Pontonbrücke den Rhein – der Auftakt zum russisch-preußischen Vormarsch nach Frankreich. Napoleon dankt 1814 ab, kehrt aus dem Exil auf Elba aber noch einmal zurück, um in der Schlacht bei Waterloo 1815 endgültig geschlagen zu werden.
Rückschritt für die Emanzipation der Juden
Geschichte ist wandelbar und kennt auch plötzliche Rückschritte. Das müssen nach Napoleons endgültiger Verbannung 1815 vor allem die Juden in Deutschland erfahren. Ihnen hatte der Code Civil Religionsfreiheit und damit das Ende der jahrhundertelangen Ghettoisierung gebracht – ein bedeutsamer Schritt der Emanzipation. Nun stellt sich heraus, dass dieser Fortschritt nicht von Dauer ist.
Deutsches Justizwesen bleibt nach Napoleons Ende geprägt vom Code Civil
Das deutsche Justizwesen hingegen übersteht Napoleons Ende als Herrscher fast unbeschadet. Sein Code Civil dient weiter – bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900, kaum kaschiert durch einige Namens-Etikette: So ist in Preußens Rheinprovinz vom „Rheinischen Recht“ die Rede und in Baden vom „Badischen Landrecht“, das 1810 aus dem Code Civil entstanden ist.
Erinnerungen an Napoleon vielfach positiv
Bemerkenswert ist, dass seine Epoche Frankreich im Südwesten Deutschlands und besonders entlang des Rheins nicht zum Erbfeind macht. Nationalistische Lieder wie die „Wacht am Rhein“ entstehen erst in späterer Zeit, z.B. in der so genannten „Rheinkrise“ 1840, in der ein Grenzstreit um den Fluss entflammt. Die Erinnerungen an Napoleon sind dagegen vielfach positiv.
Wer beurteilen will, wie die Deutschen Napoleon im Nachhinein sehen, muss auch im Blick haben, was auf ihn folgte: Nämlich ein halbes Jahrhundert, das in Punkto Freiheit, Einheit und Gleichheit wenig Fortschritt bringt. Die Restauration ab 1815 mit dem Versuch einer europäischen Rückabwicklung der napoleonischen Ära ab 1815 und die gescheiterte liberale Revolution 1848 fördern eine „Napoleon-Nostalgie“, teils schon vor seinem Tod am 5. Mai 1821.