In einer Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing sagten 60 Prozent der Befragten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, dass sie Mobbing am Arbeitsplatz oder privat miterlebt haben. Dass etwa jede vierte Person schon einmal selbst am Arbeitsplatz gemobbt wurde, deckt sich mit anderen Erhebungen.
Mobbing ist jedoch kein gefestigter Rechtsbegriff, so Michael Fuhlrott. Er ist Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg und Professor an der Hochschule Fresenius. Bei Mobbing handele es sich um eine Vielzahl von Einzelhandlungen, die insgesamt das Ziel hätten, einer Person zu schaden.
Und vieles erkennt man auf den ersten Blick nicht als Mobbing. Dass Leistungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kritisiert werden, kommt relativ oft vor. Auch, dass sie Aufgaben übernehmen müssen, die nicht zu ihrem Arbeitsprofil passen. Zum Mobbing zählen außerdem sexistische Äußerungen und die Isolierung von sozialen Kontakten, so Fuhlrott.
Wo können Mobbingopfer Hilfe bekommen?
Maggy Hanser ist verantwortlich für das Mobbing-Telefon in Freiburg-Südbaden. Jeder Fall ist anders, betont sie. Wichtig sei, dass die Betroffenen den Eindruck haben: Hier wird mir endlich zugehört und ich kann mich jemandem anvertrauen. Wer bei ihrer Hotline anruft, spricht oft zum ersten Mal über die eigenen Mobbingerfahrungen. Die Beratungsgespräche am Telefon dauern in der Regel zwischen 45 und 60 Minuten.
Erst einmal geht es darum, die Situation einzuordnen – und mit einer Vertrauensperson zu sprechen, die mit dem Konflikt im Betrieb nichts zu tun hat. Doch eine Pauschallösung kann Maggy Hanser nicht anbieten. Sie kann nur zuhören und ermuntern, erste Lösungen für das Problem zu finden. Zum Beispiel, indem sie auf Therapeutinnen und Therapeuten verweist oder auf Vertrauenspersonen im Betrieb, die die Betroffenen dabei unterstützen, aktiv gegen Mobbing vorzugehen.
Mobbing-Beweise vor Gericht: E-Mails, Dokumentation, Zeugen
Der Rechtsanwalt Michael Fuhlrott empfiehlt, zunächst das Gespräch mit den Personen zu suchen, von denen das Mobbing ausgeht. Manchmal kann eine Mediation noch helfen. Neben dem Betriebsrat haben viele Unternehmen auch Beschwerdestellen eingerichtet, an die sich die Mitarbeitenden wenden können, wenn sie Opfer von Mobbing werden oder es andere Konflikte am Arbeitsplatz gibt.
Wenn das alles nichts bringt, bleibt noch der Gang zum Arbeitsgericht. Doch ein Gerichtsverfahren gegen eine Arbeitgeberin oder einen Arbeitgeber zu führen, wenn es um Mobbing geht, ist aufwendig und langwierig. Das Problem: Wer die Klage einreicht, muss genau beweisen können, dass er oder sie am Arbeitsplatz gemobbt wurde. Beweise können E-Mails sein, ein Tagebuch, das die Vorfälle dokumentiert, oder Zeugenaussagen.
Gerichte zielen in Mobbingfällen auf eine Gesamtlösung
Ärztliche Gutachten über Schlafstörungen, Depressionen, Appetitlosigkeit oder andere psychische Folgen können weitere Beweise liefern, dass eine Person über einen langen Zeitraum am Arbeitsplatz in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt wurde. Bei einem erfolgreichen Verfahren können Mobbingopfer auf Schmerzensgeld hoffen. Oft einigten sich die Parteien aber auf eine Gesamtlösung, so Michael Fuhlrott. In vielen Fällen sei das die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindungszahlung.
Es gibt noch viel zu tun, damit Mobbingopfer in Deutschland geschützt werden – und die Unterstützung bekommen, die sie wirklich benötigen. Damit sie sich nicht alleingelassen und hilflos fühlen, sondern darin gestärkt werden, ihre Erfahrungen zu teilen und so aktiv zu einer Arbeitswelt ohne Mobbing beitragen.
SWR 2021 / 2023