Etwa fünfmal die Woche berät die Frauenärztin Helga Schwarz bei pro familia in München Menschen, die wissen wollen, welche Alternativen es zur Pille gibt. Das Interesse an alternativen Verhütungsmethoden sei in den vergangenen beiden Jahren deutlich gestiegen, erzählt die Frauenärztin.
Kupferspirale, Kupferkette, Kupferball: passende Größe ist wichtig
Für Frauen gibt es die mechanische Verhütung – Kondom, Diaphragma –, und die natürliche Familienplanung. Neben der herkömmlichen Kupferspirale gibt es die Kupferkette und den Kupferball. Um die Unterschiede zu erklären, zeigt Helga Schwarz zwei kleine Plastikmodelle der Gebärmutter. Wichtig bei der Kupferspirale ist, dass eine passende Größe ausgewählt wird und die Praxis, welche den Eingriff durchführt, nicht nur Einheitsgrößen verwendet. Denn wenn es eine Reizung an der Gebärmutterwand gibt, dann kann es zur stärkeren Blutung kommen.
Pearl-Index für Kupfer-Spirale liegt unter 1
Alle kupferhaltigen Verhütungssysteme seien sehr sicher, erzählt Frauenärztin Helga Schwarz. Und dann nennt sie den „Pearl-Index“. Der liege „unter 1“, ein Wert, vergleichbar mit dem der Pille. Der Pearl-Index gibt die Sicherheit eines Verhütungsmittels an. Je niedriger er ist, desto sicherer ist es. „Unter 1“ bedeutet: Von 100 Frauen, die mit der Kupferspirale ein Jahr lang verhüten, wurde weniger als eine schwanger.
Abgestoßen würden die Kupferspiralen sehr selten, beruhigt Helga Schwarz, das hätten Studien ergeben. Bei der Frage, welches Modell gewählt werden soll, spielt die Beschaffenheit der Gebärmutter eine wichtige Rolle. Aber auch der Preis. 25 Euro kostet eine Kupferspirale, etwa fünfmal so teuer ist die Kupferkette.
Immer mehr Paare hinterfragen die hormonelle Verhütung mit Pille oder Hormonspirale. Sie tauschen sich in Internetforen und sozialen Netzwerken über teils massive Nebenwirkungen der hormonellen Verhütung aus: körperliche Beschwerden wie zum Beispiel Gewichtszunahme, Übelkeit oder Kopfschmerzen oder psychische Belastungen wie Panikattacken oder Depressionen.
Einige neue Antibabypillen erhöhen Risiko von Thrombose und Lungenembolie
Zu den schwerwiegendsten, wenn auch seltenen Komplikationen durch die Pille gehören Thrombosen und Lungenembolien. Nach einer Studie der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA aus dem Jahr 2013 ist das Risiko für Thrombosen und Lungenembolien bei einigen neuen Pillen der dritten und vierten Generation eineinhalb bis zweimal so groß wie bei den älteren Pillen.
Die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung in Köln untersucht in ihren repräsentativen Studien, wie die Deutschen verhüten und ob sich in ihrem Verhalten etwas ändert. Vergleicht man die Daten aus den Jahren 2003, 2007, 2011 und 2018, zeigt sich ein klarer Trend. Die Pille bleibt zwar nach wie vor das wichtigste Verhütungsmittel bei den 18- bis 49-Jährigen, doch ihre Beliebtheit sinkt. Gleichzeitig greifen Paare immer öfter zum Kondom.
Dr. Petra Frank-Herrmann von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg bestätigt wachsendes Interesse an alternativen Verhütungsmethoden. Und zwar seitens der Ärztinnen und Ärzte. Die Gynäkologin erforscht seit Jahren die „Natürliche Familienplanung“ – eine Verhütungsmethode, die die fruchtbaren Tage erkennen will. Sie hält oft Vorträge bei Gynäkologiekongressen und bietet Fortbildungen an, ihre Seminare sind gut besucht. Vor zehn Jahren sei das noch nicht der Fall gewesen, erinnert sie sich.
Natürliche Familienplanung: Auseinandersetzung mit eigenem Körper wichtig
Entwickelt wurde die „Natürliche Familienplanung“, abgekürzt NFP, in den 1980er-Jahren. Ihr geschützter Name ist „Sensiplan“. Grundsätzlich baut diese Methode darauf, dass Frauen lernen, ihre fruchtbaren Tage zu erkennen. Dazu müssen sie ihren Körper beobachten und Veränderungen feststellen: eine gestiegene Körpertemperatur, Schmerzen in den Brüsten, einen zähen Ausfluss an der Scheide, eventuell eine größere Lust auf Sex.
Bei der Natürlichen Familienplanung werden Körperzeichen und Signale beobachtet, die sich im Laufe des Zyklus verändern. Die Frauen lernen, diese Signale nach bestimmten Regeln auszuwerten, sodass sie dann genau wissen, wann sie schwanger werden können und wann nicht. Diese Signale sind die morgendliche Aufwachtemperatur und ein Sekret, das in der fruchtbaren Zeit am Scheideneingang zu beobachten ist.
In einer langjährigen internationalen Studie hat die Heidelberger Gynäkologin Petra Frank-Herrmann bereits 2007 nachgewiesen, dass die Verhütungssicherheit bei der NFP-Methode hoch ist, sogar vergleichbar mit der Verhütungssicherheit der Pille. Einzige Voraussetzung: Die Frau muss sich mit ihrem Körper ausführlich auseinandersetzen und regelmässig ihre Temperatur messen und notieren. Und man sollte nicht auf vorschnelle Prognosen von NFP-Apps, sondern ausschließlich auf die eigene Auswertung vertrauen.
Frauen fühlen sich häufig zur Pille gedrängt
Doch gerade jüngere Frauen fühlen sich von ihren Frauenärzten und -ärztinnen häufig zur Pille gedrängt. Pro-familia-Beraterin Helga Schwarz vermutet als Grund die fehlende Zeit im Praxisalltag, denn für die Erklärung der NFP braucht es eine Stunde Beratungszeit. Mit dem Diaphragma ist es ähnlich. Die Ärztin Schwarz übt darum mit den Frauen, die sie berät, das praktische Einführen, bis es sitzt.
Diaphragma: ohne Nebenwirkungen, aber weniger sicher bei der Verhütung
Das Diaphragma ist eine sogenannte Barrieremethode. Es sieht ein bisschen aus wie ein überdimensioniertes, nicht ausgerolltes Kondom und besteht aus einem Silikonhut mit einem festen Ring drum herum. Es wird in die Vagina eingesetzt und vor dem Muttermund platziert. So verhindert das Diaphragma – ähnlich wie ein Kondom –, dass Samenzellen zur Eizelle vordringen können. Falls es doch ein paar Spermien schaffen und sich durchkämpfen, folgt die zweite Hürde: ein spermienhemmendes Gel.
Diese Kombination aus Diaphragma und Gel macht den Muttermund für Spermien unzugänglich. Die Methode hat einen Pearl-Index von 2 bis 20 und ist damit weniger sicher als eine Kupferspirale. Der Vorteil: Das Diaphragma ist nebenwirkungsfrei. Doch zu beachten ist, dass das Spermien hemmende Gel nur maximal zwei Stunden wirkt. 40 Euro kostet das Diaphragma, das bis zu zwei Jahre benutzt werden kann, und zehn Euro das Spermien abtötende Gel.
Pearl-Index der Pille für den Mann liegt nach ersten Studien bei 1,5
In der Vergangenheit war Verhütung oft allein die Sache der Frau. Heute kommen auch die Partner der Frauen mit in die Beratungsstunde von Ärztin Helga Schwarz. Doch noch immer gibt es keine „Pille für den Mann“.
2009 startete zwar eine vielversprechende WHO-Studie: 320 Studienteilnehmern wurde über mehrere Wochen hinweg eine Hormonspritze verabreicht. Im Hinblick auf die Verhütung waren die Ergebnisse erfolgsversprechend, der Pearl-Index lag bei 1,5 – also fast so gut wie die Antibabypille.
Dennoch wurde die WHO-Studie im Jahr 2011 nach nur zweijähriger Dauer abgebrochen: Fast die Hälfte der Männer hatte über Nebenwirkungen geklagt. Sie litten an Akne und Stimmungsschwankungen, hinzu kamen Schmerzen an der Einstichstelle, eine gesteigerte oder verminderte Libido, Kopfweh, Muskelschmerzen und Gewichtszunahme, um nur einige Symptome zu nennen. – Sind das nicht alles eben jene Nebenwirkungen, die Frauen mit der hormonellen Verhütung erleben?
Trotz Erfolgen stellt Deutschland Forschung zu Verhütung durch den Mann ein
Der Androloge Eberhard Nieschlag, ehemaliger Direktor des Instituts für Reproduktionsmedizin am Universitätsklinikum Münster, ist der Meinung, dass es an der Zeit wäre, dass auch Männer für ihre Verhütungsrechte kämpfen.
Eberhard Nieschlag kritisiert vor allem, dass es zwar gute Ansätze zur männlichen Verhütung gäbe – doch in Deutschland entwickle sie niemand weiter. Die Pharmafirma Schering hatte gute Erfolge mit einer Kombination aus Implantat und Injektion bei Männern erzielt. Doch nachdem der Pharmakonzern Bayer im Jahr 2006 Schering aufgekauft hatte, wurde die Forschung daran eingestellt. Eins ist allerdings nicht zu ändern: Die Frage nach einer Alternative zur Antibabypille wird in Zukunft immer häufiger gestellt werden.
SWR 2020