Männer können bislang nur auf zwei zuverlässige Verhütungsmethoden zurückgreifen: Das Kondom oder die eigene Sterilisation. Pille, Spirale, Diaphragma und Verhütungspflaster – das alles sind ebenfalls gängige Verhütungsmethoden, jedoch für die Frau und meistens hormonell.
Obwohl die Pille weiterhin das verbreitetste Verhütungsmittel ist, zeigt sich ein Abwärtstrend. Gerade auch durch die gewachsene mediale Aufmerksamkeit und Aufklärung über die Risiken hormoneller Verhütungsmittel, steigt das Interesse an Alternativen.
Forschende von der Washington University School of Medicine in St. Louis könnten nun einen neuen Ansatz zur hormonfreien Verhütung entdeckt haben, wie sie in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PNAS beschreiben.
Kalium-Kanal wird gehemmt
Damit Spermium und Eizelle verschmelzen und es somit zu einer Befruchtung kommt, muss das Spermium seine Oberflächenspannung verändern. Das geschieht, indem ein Ionen-Kanal aktiviert wird. Die Zellmembran wird damit durchlässig und Kalium-Ionen können so aus der Zelle strömen. Diesen Vorgang nennt man Hyperpolarisation. Bisher war aber nicht bekannt, welcher Ionen-Kanal im Spermium dies übernimmt und wie man diesen lahmlegen kann.
Das Team um Celia Santi konnte nun identifizieren, welcher Kanal dafür zuständig ist: SLO3. Mit dem Molekül VU0546110 konnten sie den Kanal gezielt hemmen und so verhindern, dass die Kalium-Ionen aus der Zelle fließen.
Verhütungsmittel der Zukunft?
Die Forschenden schlagen die Substanz VU0546110 daher als ‚Verhütungsmittel der Zukunft‘ vor. „Das Potenzial dafür ist klar vorhanden“, bewertet Prof. Dr. Artur Mayerhofer von der Ludwig-Maximilians-Universität München die Ergebnisse der Studie. Allerdings sei es vom eindeutigen Laborergebnis bis zur praktischen Umsetzung noch ein weiter und unvorhersehbarer Weg.
Die Forschung hierzu steht also noch ganz am Anfang. Bislang wurden die Spermien nur im Labor untersucht, weitere Untersuchungen zu Sicherheit und Zuverlässigkeit der Methode sind notwendig. Erst Versuche mit Tieren und Menschen werden zeigen, ob die Spermien durch die Substanz auch in Lebewesen tatsächlich untauglich gemacht werden. Demnach ist auch noch unklar, ob ein mögliches Verhütungsmittel beim Mann oder bei der Frau eingesetzt werden würde.
Hormonfreie Alternative für Frauen
Mayerhofer könnte sich aufgrund der beschriebenen Ergebnisse vorstellen, dass VU0546110 primär vaginal zum Beispiel als Verhütungsgel oder -creme angewendet werden könnte – Es handle sich also eher um eine hormonfreie Alternative für die Frau als um ein Verhütungsmittel für den Mann.
Doch das muss keine Ernüchterung sein. Mayerhofer sieht die Ergebnisse der Studie als wichtige Grundlage für die Entwicklung von Verhütungsmethoden, die den Körper möglichst wenig beeinflussen.
Auch Unfruchtbarkeitsforschung wird vorangetrieben
Die Studienergebnisse könnten außerdem eine Erklärung für Unfruchtbarkeit bei Männern liefern. Meist beruht sie darauf, dass nicht genügend funktionsfähige und bewegliche Spermien produziert werden. Oft ist jedoch keine Ursache erkennbar. Untersuchungen auf eine Veränderung des SLO3-Kanals könnten nun einen neuen Ansatz liefern. Auch hier ist weitere Forschung nötig.
Kommt also keine Pille für den Mann?
Es wird durchaus an alternativen Verhütungsmethoden für den Mann geforscht. Oft werden diese aber wegen der auftretenden Nebenwirkungen abgebrochen oder entsprechende Studien werden erst gar nicht gefördert. Die Pharmaindustrie hat kaum Interesse daran.
Ein vielversprechender, hormonfreier Ansatz kommt von Forschenden der University of Minnesota: Eine Pille soll ein bestimmtes Protein in den Zellen blockieren, das für die Bildung von Spermien entscheidend ist. Die Pille mit dem Wirkstoff YCT529 konnte die Spermienbildung zumindest bei den behandelten Mäusen in der Studie stoppen.