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Holocaust-Gedenken – Wie Jugendliche das Erinnern lernen

Stand
Autor/in
Claudia Fuchs

Wie vermittelt man Jugendlichen den Holocaust? Wie sollen Schulen mit dem Thema umgehen und wie gut müssen Lehrkräfte selbst vorbereitet sein für den Besuch in einer Gedenkstätte, für Diskussionen in ihren Klassen über Nationalsozialismus und Judenhass?

Osthofen, in der Nähe von Worms, gehört zu den frühen Konzentrationslagern und wurde bereits im März 1933 errichtet, also wenige Wochen nach der Machtergreifung. Acht Jahre nach der Schließung des Lagers setzte die Mainzer Schriftstellerin Anna Seghers mit ihrem Roman "Das siebte Kreuz", der 1942 in den USA veröffentlicht und 1944 verfilmt wurde, den politischen Häftlingen in Osthofen ein literarisches Denkmal.

Leere Halle als Symbol der Erinnerungsleere

Heute wird Osthofen als Gedenkstätte genutzt und von zahlreichen Schülergruppen aus der Mittel- und Oberstufe besucht. Die kahle Schlaf- und Aufenthaltshalle ist ein zentraler Ort der Gedenkstätte. Hier ist die Vorstellungskraft der Schüler gefragt, denn die Halle, die später wieder als Fabrik genutzt wurde, ist gänzlich leer.

Das NS-Dokumentationszentrum in Osthofen
Das NS-Dokumentationszentrum in Osthofen

Wirken Erinnerungen nachhaltiger und intensiver, wenn man den Ort der Gräueltaten originalgetreu wieder aufbaut? Dem Bedürfnis nach starken Gefühlen wie Angst und Schrecken muss in Gedenkstätten nicht entsprochen werden. "Es gibt in der Ausstellung nichts zu erleben – nur zu lernen", stellte kürzlich Timo de Rijk, Museumsdirektor des Design Museum Den Bosch, zu seiner Ausstellung über NS-Ästhetik klar.

Osthofen steht für viele Orte, deren Bewohner nach 1945 jegliche Verbindung zu den Lagern in ihrer Nachbarschaft möglichst schnell vergessen wollten. Herauszuarbeiten, in welcher Weise die Leere der Räume mit der Leere in den Köpfen der Osthofener Einwohner korrespondiert, ist für Schüler lehrreicher, als nachgebaute Betten zu betrachten. Zumal diese Erinnerungsleere auch Auswirkungen für die fehlende Bestrafung der Täter hatte.

Medienvielfalt für den Unterricht nutzen

Die Frage, warum die Täter auch nach 1945 nicht bestraft wurden, schlägt die Brücke zur Justiz in der Nachkriegszeit, die Ursula Krechels Roman "Landgericht" ebenso thematisiert wie der Film "Der Staat gegen Fritz Bauer". Beide Medien werden etwa von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Staatsinstitut für Bildungsforschung für den Unterricht in der Oberstufe empfohlen.

Einigen Schülern in Osthofen merkt man nach über zwei Stunden Vortrag die nachlassende Konzentration an. Doch sie werden sofort aufmerksamer, wenn man sie mit Zwischenfragen einbezieht. Als sie schätzen sollen, wie viele Häftlinge wohl eine Flucht aus dem KZ versucht haben, kommen ihnen schnell Filmbilder von abenteuerlichen Fluchten in den Kopf.

Die Vielfalt der Bilder über die NS-Zeit sieht die Gedächtnisforscherin und Professorin der Goethe-Universität Astrid Erll als Chance für neue Ansätze im Unterricht. Für sie sind die heute wirksamen Gedächtnismedien neben den faktualen Medien – Zeitzeugeninterviews, Geschichtsschreibungen – eben auch fiktionale Medien wie Spielfilme, Youtube-Videos, Comics, Musik. Wichtig ist, dass man Kritikfähigkeit einübt. Also lernt, die Medien miteinander zu vergleichen.

Unterrichtsreihe zu Kunst und Design der NS-Idealogie gestalten

Zum ersten Mal ist 2019 mit "Design van het Derde Rijk" von Timo de Rijk in den Niederlanden eine Ausstellung zu sehen, die anhand von 275 Objekten zeigt, dass Design ein prägender Teil der NS-Ideologie war, der gezielt zur Verführung der Massen eingesetzt wurde. Propaganda-Plakate, Fahnen und Uniformen zeigen, wie Design zu Terrorzwecken missbraucht wurde. Die Ästhetik des Faschismus, sagt Astrid Erll, kann bis heute überwältigend wirken und ist keineswegs wertneutral.

Denkbar wäre eine Unterrichtsreihe, die von Kunst- und Geschichtslehrern gemeinsam gestaltet wird und Gelegenheit zu neuen, eigenen Erkenntnissen bietet. Neues zum Thema NS-Zeit herauszufinden, Ergebnisse präsentieren, die auf bisher offenen Fragestellungen beruhen – das wäre eine anspornende Herausforderung für Mittel- und Oberstufenschüler.

Beispielfragen könnten sein:

  • Wie haben die Geistlichen sich zur NS-Zeit in Osthofen positioniert?
  • Welche Gefühle rief die wehende Hakenkreuzflagge vor dem KZ im März 1933 bei den Einwohnern hervor?
  • Worauf gründet das Design des Hakenkreuzes?

In Osthofen gibt es inzwischen Kooperationsverträge mit Schulen, um die Erinnerungsarbeit zu fördern. Eine komplette Jahrgangsstufe pro Schuljahr nimmt dann an einer Führung oder einem Projekttag teil.

Verstehen und Erinnern erfordern eine enge Absprache zwischen Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitern in den Gedenkstätten. So kann man verhindern, dass das Holocaust-Gedenken in ermüdenden Routinen erstarrt.

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