SWR2 Wissen | Porträt

Clara Zetkin – Vorkämpferin für Frauenrechte und Frieden

Stand
Autor/in
Julia Haungs
Onlinefassung
Justina Bretzel
Candy Sauer

Clara Zetkin kämpfte für das Frauenwahlrecht und träumte von Sowjetdeutschland. Lenin war ihr Freund, Stalin trug ihren Sarg. Sie führte ein intensives Leben, ihre Politik wirkt bis heute.

Clara Zetkin: Einst politische Ikone, heute weitgehend vergessen

Ihr Leben lang kämpfte Clara Zetkin für die Befreiung der Arbeiterinnen. Im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik galt sie als Ikone weiblicher Emanzipation. Trotzdem kennen heute außerhalb der Linken nur die wenigsten ihren Namen.

Wer war diese Frau, die bis heute polarisiert, aber auch inspiriert? Ein Blick ins Leben einer der wichtigsten deutschen Frauenrechtlerinnen und sozialistischen Politikerinnen Anfang des 20. Jahrhunderts.

Clara Zetkin (rechts) mit ihrer Sekretärin Hertha Gordon-Osterloh 1922. Die am 5. Juli 1857 in Wiederau geborene und am 20. Juni 1933 in Archangelskoje bei Moskau verstorbene Politikerin baute die Frauenbewegung mit auf und war von 1891 bis 1917 Herausgeberin der Frauenzeitschrift "Die Gleichheit".
Clara Zetkin (rechts) mit ihrer Sekretärin Hertha Gordon-Osterloh 1922. Die am 5. Juli 1857 in Wiederau geborene und am 20. Juni 1933 in Archangelskoje bei Moskau verstorbene Politikerin baute die Frauenbewegung mit auf und war von 1891 bis 1917 Herausgeberin der Frauenzeitschrift "Die Gleichheit".

Schon in der Jugend brennt Clara Zetkin für den Sozialismus

Geboren wird Zetkin am 5. Juli 1857 als Clara Eißner im sächsischen Wiederau. Früh schon interessiert sie sich für die Ideen des Sozialismus und engagiert sich für die Arbeiterbewegung. Zwar ist ihre Mutter selbst bürgerliche Frauenrechtlerin, die der Tochter eine Berufsausbildung zur Lehrerin ermöglicht, dennoch geht den Eltern Claras politisches Engagement zu weit.

Als 21-Jährige lernt sie den russischen Sozialisten Ossip Zetkin kennen und lieben. Nachdem das Deutsche Kaiserreich Ossip als "lästigen Ausländer" ausweist, fliehen sie gemeinsam 1882 nach Paris. Dort bekommen die Zetkins zwei Söhne. Trotz Armut sind es glückliche Jahre: Clara Zetkin findet große Erfüllung im Austausch mit politisch Gleichgesinnten.

1889 dann der Schicksalsschlag: Ossip stirbt an einer Erkrankung des Rückenmarks. Trotzdem kämpft die 32-Jährige weiter und übernimmt 1891 in Stuttgart die Zeitung "Die Gleichheit". Mit Clara als Chefredakteurin wird das anfangs dünne Blättchen mit wenigen Leserinnen zu einer wichtigen öffentlichen Plattform für Frauen. Bis 1914 steigt die Auflage auf 125.000 Exemplare.

Titelblatt "Die Gleichheit": "Frauen voran!" Mit ihrer Zeitschrift "Die Gleichheit" sprach Clara Zetkin eine breite Öffentlichkeit an. Nicht nur Arbeiterinnen, auch Frauen aus dem Bürgertum interessierten sich zunehmend für "hochbrisante" Themen wie Gleichberechtigung und allgemeines Wahlrecht.
"Frauen voran!" Mit ihrer Zeitschrift "Die Gleichheit" sprach Clara Zetkin eine breite Öffentlichkeit an. Nicht nur Arbeiterinnen, auch Frauen aus dem Bürgertum interessierten sich zunehmend für "hochbrisante" Themen wie Gleichberechtigung und allgemeines Wahlrecht.

Clara Zetkin kämpft für gleiche Löhne und gerechte Verteilung der "Care-Arbeit"

Beim Internationalen Arbeiterkongress 1889 in Paris betritt Clara Zetkin erstmals die große politische Bühne. Schnell überzeugt sie als Rednerin, Agitatorin und Organisationstalent. Und macht deutlich, wofür sie ihr ganzes Leben kämpfen wird:

  • allgemeines Wahlrecht
  • bessere Arbeitnehmerinnenrechte
  • gleiche Arbeitsbedingungen für Männer und Frauen
  • weibliches Recht auf Selbstbestimmung inklusive Abtreibung
  • mehr Hilfe für alleinstehende Mütter

Außerdem pocht Zetkin auf größere Anerkennung der "kostenlosen" Sorge-Arbeit, die typischerweise an Frauen hängen bleibt. Oder wie man heute sagen würde: Care-Arbeit, also die Arbeit im Haushalt und in der Kindererziehung. Diese müsse gerechter verteilt und auch finanziell entlohnt werden. Nur so können auch Frauen ihrem Beruf nachgehen und wirtschaftlich unabhängig sein.

Wie der Arbeiter vom Kapitalisten unterjocht wird, so die Frau vom Manne; und sie wird unterjocht bleiben, solange sie nicht wirtschaftlich unabhängig dasteht. Die unerlässliche Bedingung für diese ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit ist die Arbeit.

Bei alldem ist die glühende Sozialistin überzeugt: Ein Ende der Missstände und die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau kann es nur außerhalb des kapitalistischen Systems geben.

Politische Verbündete, Freunde, Vertraute: Lenin und Rosa Luxemburg

Clara Zetkin wird schnell zur politischen Ikone: Als eine der ersten Frauen wählt die SPD sie 1890 in den Parteivorstand.

Zwei Politikerinnen, die Freundinnen waren: Der Sozialismus und der Traum von einer gerechteren Gesellschaft verbanden Clara Zetkin (links) und Rosa Luxemburg. Die historische Aufnahme vom 1.9.1910 wurde digital koloriert und zeigt beide auf dem Weg zum SPD-Parteitag in Magdeburg.
Zwei Politikerinnen, die Freundinnen waren: Der Sozialismus und der Traum von einer gerechteren Gesellschaft verbanden Clara Zetkin (links) und Rosa Luxemburg. Die historische Aufnahme vom 1.9.1910 wurde digital koloriert und zeigt beide auf dem Weg zum SPD-Parteitag in Magdeburg.

Doch auch außerhalb der SPD ist Zetkin politisch aktiv: Ihr Haus in Stuttgart-Sillenbuch, in dem sie mit ihrem zweiten Partner Friedrich Zundel seit 1899 lebt, bildet einen wichtigen Treffpunkt für die linke Prominenz. Sogar Lenin ist dort zu Gast. Und zu Rosa Luxemburg entwickelt Zetkin eine tiefe Freundschaft – das offenbaren Briefe zwischen beiden Frauen:

Ich möchte Ihnen so gern über alles Mögliche reden und mein Herz ausschütten, aber brieflich geht das nicht. Ich muss mich nun gedulden, bis ich Sie wieder bei mir habe.

Clara Zetkins Traum von der Revolution: Verhältnis zu Moskau bleibt ambivalent

Mit den Kriegserklärungen des Deutschen Kaiserreichs im August 1914 bricht für Clara Zetkin eine Welt zusammen. Kurz darauf wird sie wegen "versuchten Hochverrats" verhaftet. Drei Monate Gefängnis, Krankheiten, soziale und politische Isolation – der Erste Weltkrieg wird zur enormen Belastungsprobe für die 58-Jährige. Der letzte Hoffnungsschimmer: die Oktoberrevolution 1917 in Russland.

Als der Krieg vorbei ist, tritt Clara Zetkin der neu gegründeten KPD bei und vertritt diese von 1920 bis 1932 im Reichstag. Außerdem ist sie Mitglied im Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale Komintern (Komintern). Aber sie will keine Reformen, sondern eine Revolution – so wie sie in Russland unter Lenin geschehen ist.

Allerdings gerät Zetkin sowohl mit der eigenen Partei als auch mit der Komintern immer wieder in Konflikt. Ihre Kritik am Moskauer Führungsstil und am Chaos in der KPD kommt nicht gut an. Das weiß der Kommunismus-Experte Marcel Bois von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg:

Ihre Haltung kann man als ambivalent kritisch bezeichnen. Auf der einen Seite lassen sich durchaus Belege dafür finden, dass sie einen Teil der Maßnahmen rechtfertigt, aber auf der anderen Seite gibt es auch sehr viele Belege dafür, dass Zetkin den Kurs sehr scharf kritisiert.

Clara Zetkin (Mitte) zusammen mit deutschen Genossen und englischen Bergarbeitern 1926 in Moskau. Zetkin war Mitbegründerin des Spartakusbundes (1916) und der USPD (1917). Von 1920 bis 1933 war sie für die KPD Mitglied des Reichstages, lebte jedoch überwiegend in Moskau.
Clara Zetkin (Mitte) zusammen mit deutschen Genossen und englischen Bergarbeitern 1926 in Moskau. Zetkin war Mitbegründerin des Spartakusbundes (1916) und der USPD (1917). Von 1920 bis 1933 war sie für die KPD Mitglied des Reichstages, lebte jedoch überwiegend in Moskau.

Was Zetkin allerdings früh beunruhigt, ist der zunehmende Faschismus. Ihr Werben für die Einheitsfront, also den Zusammenschluss der linken Kräfte gegen die erstarkende NSDAP, bleibt wirkungslos – ihr schwinden die Kräfte: Mittlerweile ist sie alt, krank und hat kaum noch politischen Einfluss.

Die Machtergreifung der NSDAP muss Zetkin noch miterleben. Am 20. Juni 1933 stirbt sie im russischen Archangelskoje und wird an der Kremlmauer beigesetzt. 400.000 Menschen kommen, um Abschied zu nehmen, Josef Stalin und Wjatscheslaw Molotow tragen ihren Sarg.

Der Internationaler Frauentag war eine Initiative von Clara Zetkin

Jedes Jahr am 8. März, dem Weltfrauentag, versammeln sich im Berliner Stadtteil Marzahn rund hundert Menschen und legen Rosen vor das Denkmal Clara Zetkins. Denn sie war Initiatorin des Internationalen Frauentags.

"Frauen Leben Freiheit" – das fordern Demonstrantinnen und Demonstranten 2021 in Nürnberg. Seit 1911 ist der 8. März Weltfrauentag bzw. "Feministischer Kampftag". Initiatorin des Internationalen Frauentags war Clara Zetkin.
"Frauen Leben Freiheit" – das fordern auch Demonstrantinnen und Demonstranten 2021 in Nürnberg. Seit 1911 ist der 8. März Weltfrauentag bzw. "Feministischer Kampftag". Initiatorin des Internationalen Frauentags war Clara Zetkin.

Die Idee dahinter entsteht bei der Zweiten Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen. Ein Jahr später, im März 1911, findet er zum ersten Mal statt und wird ein voller Erfolg. Allein in Berlin gehen über 30.000 Frauen auf die Straße.

Dennoch hat Clara Zetkin im öffentlichen Gedächtnis der Bundesrepublik– anders als ihre Freundin Rosa Luxemburg – keinen großen Platz. Womöglich liegt das an ihrer Rolle als stramme Kommunistin, die vor der Wende in Westdeutschland nicht vermittelbar war. Dabei hat sie für die Frauen so viel erkämpft.

90 Jahre nach dem Tod von Clara Zetkin kämpfen Frauen weltweit immer noch für ihre Rechte. In vielen Ländern werden über Jahrzehnte erzielte Fortschritte sogar zurückgebaut. Zetkins Traum von einer echten Gleichberechtigung von Mann und Frau scheint in weiter Ferne.

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