Repressionen gegen Juden nehmen zu: Freud verlässt 1938 Wien
1938, nach einigem Zögern, entscheidet sich der 82-jährige Sigmund Freud (* 6. Mai 1856), seine langjährige Heimat Wien zu verlassen. Vorausgegangen ist der Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich im März 1938 – und die Folgen für Wiener Juden: zunehmend judenfeindliche Maßnahmen und unangemeldete Besuche von SA und Gestapo.
Flucht über Paris nach London
Aber die Flucht aus Österreich ist nicht einfach, Großbritannien und die USA müssen Druck machen, Freunde eine "Reichsfluchtsteuer" vorstrecken, damit Freud mit dem Orientexpress nach Paris ausreisen darf. Von dort geht es weiter nach London, wo er am 6. Juni 1938 in der Victoria Station ankommt und von einem großen Presseaufgebot empfangen wird.
BBC möchte den berühmten Psychoanalytiker interviewen
Freud lebt sich ein. Die BBC möchte ihn interviewen, doch aufgrund seines Alters ist ihm eine Live-Sendung nicht mehr zuzumuten. So bereitet er einen kurzen Text vor, den er in seiner Wohnung ins Mikrofon eines BBC-Reporters spricht. Zunächst erklärt er in wenigen englischen Worten sein Lebenwerk: Unter dem Einfluss eines älteren Freundes – damit meint Freud vermutlich seinen Kollegen Josef Breuer – habe er einige neue und wichtige Fakten über das Unbewusste, über Triebe und so weiter entdeckt. Doch die Menschen hätten seinen Erkenntnissen nicht geglaubt, es habe zunächst viel Widerstand gegeben, der Kampf sei noch nicht vorbei.
Dann wechselt Freud plötzlich ins Deutsche und fasst in einem Satz die Gründe für seine Flucht zusammen. Es ist die einzige Originalaufnahme Sigmund Freuds in den deutschen Rundfunkarchiven.
10 Monate nach dieser Aufnahme stirbt Freud am 23. September 1939 in London.
10.5.1933 Reportage von der Bücherverbrennung der Nazis auf dem Berliner Opernplatz
10.5.1933 | Nur kurze Zeit, nachdem die Nazis an die Macht gekommen sind, verbrennen Mitglieder der NSDAP, der Hitlerjugend sowie Körperschaften der SA und der Deutschen Studentenschaft Bücher von ihrer Ansicht nach "undeutschen" Autoren, darunter die Werke von Heinrich Mann und Erich Kästner.
9.11.1938 Hitler in der Reichspogromnacht
9.11.1938 | Am 9. November 1938 um Mitternacht vereidigt Adolf Hitler in München den neuen Jahrgang der SS-Verfügungstruppen und der Totenkopfbände. Seine Rede erinnert daran, dass es kein Zufall ist, dass die Pogrome auf den gleichen Kalendertag fallen wie die Ausrufung der Republik 20 Jahre zuvor. Und wie sehr Hitler im 9. November seinen persönlichen Kampftag sieht. Hitler erinnert an den Sturz der Monarchie und die Kapitulation 1918, die er als Schande und Volksverrat bezeichnet. Und er erinnert an seinen gescheiterten Putsch in München, den er damals auch schon bewusst am 9. November 1923 plante. Genau im Gedenken an jenen Putsch hatte sich die NSDAP-Führung ja an jenem Abend auch auf dem Odeonsplatz getroffen. Schon vor Hitler hatte Goebbels in einer Hetzrede erklärt, dass sich die Partei antijüdischen Aktionen nicht in den Weg stellen werde. Im Anschluss ergingen die Anweisungen an die SA und die Gaupropagandaleitungen zur Zerstörung der Synagogen und jüdischer Geschäfte. Als gegen Mitternacht Hitler spricht und die neuen SS-Rekruten vereidigt, brennen bereits die ersten Häuser. Angekündigt wird Hitler vom Reichsführer der SS Heinrich Himmler. Auf das, was in dieser Nacht noch geschehen würde, geht Hitler nicht ein.
10.11.1938 Reportage aus der zerstörten Synagoge in Wien nach der Reichspogromnacht
10.11.1938 | Von den Pogromen in der Nacht zum 10. November 1938 und auch dem Tag danach existieren kaum Rundfunkaufnahmen. Falls es sie gab, sind sie nicht erhalten oder wurden zerstört. Eine Ausnahme ist Wien. In dieser Reportage vom 10. November 1938 berichtet Eldon Walli, ein gebürtiger US-Amerikaner, für den nationalsozialistischen "Reichssender Wien" vor Ort von der Zerstörung des Leopoldstädter Tempels.
Bemerkenswert ist der Tonfall. Am Anfang könnte fast eine gewisse Anteilnahme heraushören, doch dann wird er immer zynischer, und es wird deutlich, wie der Reporter mit der Zerstörung der Synagoge sympathisiert. Ein Feuerwehrmann erklärt, der Brand sei nicht zu löschen gewesen, so hätten sich die Feuerwehrleute nur noch die Hände wärmen können.