19.10.1977

Werner Maihofer und Otto Schily zur GSG9 und zum Tod der Terroristen

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Autor/in
SWR2 Archivradio

Bundesinnenminister Werner Maihofer und Otto Schily, der Verteidiger von Gudrun Ensslin, sind in Bezug auf die Flugzeug-Entführung und den Tod der Terroristen völlig konträrer Meinung.

Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski über die "Landshut"-Enführung

Der Beitrag deckt zwei kurz aufeinander folgende Pressekonferenzen in Bonn ab und beginnt mit der zweiten. Hier sprachen Innenminister Werner Maihofer, Lufthansa-Chefpilot und Vorstandsmitglied Werner Utter und der Vermittler im Geiseldrama von Mogadischu, Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski über die Befreiung der Geiseln.

Wischnewski erklärte nach Aussagen des Reporters, er sei schon in Dubai mit Scheich Mohammed, dem Verteidigungsminister der Vereinigten Emirate, übereingekommen, eine "polizeiliche Lösung zu finden". Diese sei aber durch den vorzeitigen Abflug der Maschine aus Dubai vereitelt worden. Als er in Mogadischu bereits mit dem Staatspräsidenten sprach, sei er unter Zeitdruck geraten, denn die Sondermaschine der GSG 9 kreuzte bereits 4 Stunden über dem Gebiet, bis sie endlich eine Landeerlaubnis erzielt. Dann sei umgehend die Aktion der 28 in zivil gekleideten Grenzschutzsoldaten angelaufen.

Hans-Jürgen Wischnewski im O-Ton

"Um 0 Uhr 5 dann drangen die Kräfte auf das Stichwort ‚Feuerzauber’ in die Maschine ein, unter Führung des Kommandeurs. Um 0 Uhr 6 heftiger Widerstand im Cockpit durch zwei Terroristen. Beide wurden sofort ausgeschaltet. Ein weiterer Terrorist eröffnete dann im 1. Klasse-Compartment das Feuer auf die von vorne und vom Heck vorströmenden Einsatzkräfte. Und obwohl dieser Terrorist durch zwei Schüsse getroffen wurde, schleudert er dann noch eine Handgranate in Richtung Heck. Diese explodiert unter einem Sitz, und nachdem dieser Terrorist durch weitere Schüsse getroffen wurde – daran mögen Sie die ganze Brutalität dieser Auseinandersetzung abmessen –, zündet er noch im Fallen eine weitere Handgranate, die mehrere Geiseln geringfügig an den Füßen verletzt. Als auch dieser Terrorist ausgeschaltet war, öffnet plötzlich aus der Bugtoilette durch die Tür ein weiterer Terrorist – wie später festgestellt wurde, eine Terroristin – das Feuer auf die GSG 9-Kräfte. Auch dieser letzte Terrorist wurde dann ausgeschaltet. Um 0 Uhr 7 beginnt nach dieser polizeilichen Auseinandersetzung die Evakuierung vom Heck her, während vorn im Cockpit noch gekämpft wird. Es kam alles darauf an, vor allem angesichts einer möglicher Weise drohenden Sprengung, die Passagiere so schnell wie möglich aus dem Flugzeug herauszubringen."

Reporter deutet an, Otto Schily habe Zweifel an der Selbstmordtheorie

Der Moderator fragt den zweiten Reporter, der die Pressekonferenz der Anwälte von Baader, Ensslin und Raspe beobachtet hatte, die Obduktionsergebnis aus Tübingen seien den Anwälten zur Zeit der Pressekonferenz wohl nicht bekannt gewesen, sie hätten also nicht gewusst, dass es sich um Selbstmorde gehandelt habe? "Sie sagen es", antwortet der Reporter. In seinem kritisch kommentierenden Bericht nennt er als Sprecher der fünf Anwälte Otto Schily. Dieser habe während der 1 ½ Stunden "durchgehend mit den Vokabeln 'vielleicht', 'denkbar', 'möglich' und mit Informationen aus zweiter Hand operiert. "Seine Darstellungen liefen unterschwellig darauf hinaus", so der Reporter, dass es keine Selbstmorde waren. Auf die Frage eines Journalisten, wenn es Mord war, warum dann "die Möller" am Leben geblieben sei, habe Schily keine Antwort gegeben. Stattdessen hätten die Anwälte darauf hingewiesen, dass Geheimdienste Zutritt zu den Gefängnissen hätten.

Otto Schily, Verteidiger von Gudrun Ensslin, im O-Ton

"Wir wissen zum Beispiel auch nicht, wie sich eigentlich die Gefangenen zu dieser Entführung der Lufthansa-Maschine verhalten haben, was sie eigentlich davon gehalten haben. Man soll, wenn man nicht vorschnell mit seinen Gedanken ist, doch auch einmal die Überlegung einbeziehen, ob diese Gefangenen nicht eine solche grausame Tat wie diese Flugzeugentführung abgelehnt hätten, von ihrem Standpunkt aus? Das ist eine denkbare Möglichkeit."

Bundesinnenminister Werner Maihofer hält Fremdeinwirkung für unmöglich

Am Ende des Beitrags kommt Innenminister Maihofer auf der nachfolgenden Pressekonferenz zum Thema Mord/Selbstmord zu sprechen: "Ich halte es nach dem, was mir heute amtlich bekannt geworden ist, für vollständig unmöglich, dass hier eine Fremdeinwirkung stattgefunden hat … Man kann die Perfidie so weit treiben, dass man seine eigene Tötung zur Hinrichtung macht."

Aus der Archivdatenbank

(O-Ton) Werner Maihofer, BM des Inneren: Ablauf der Geiselbefreiung in Mogadischu // (O-Ton) Otto Schily, Verteidiger von Gudrun Ensslin: Zweifel an Selbstmord der Terroristen in Stammheim / Fraglich, ob die Terroristen die Flugzeugentführung unterstützt haben // (O-Ton) Werner Maihofer, BM des Inneren: Ermordung der Terroristen in Stuttgart-Stammheim ist nahezu ausgeschlossen //

1.6.1972 Verhaftung der RAF-Mitglieder Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe

1.6.1972 | Hunderte Schüsse sollen gefallen sein, als am 1. Juni 1972 die Polizei im Frankfurter Nordend drei Mitglieder aus dem harten Kern der "Roten Armee Fraktion" festnahm: Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe. In den Wochen zuvor hatte die Terrorgruppe eine Reihe von Anschlägen verübt.
Baader saß 1970 schon einmal im Gefängnis, war aber mithilfe der Journalistin Ulrike Meinhof befreit worden und hielt sich seitdem im Untergrund auf bzw. zusammen mit anderen Angehörigen der Terrorgruppe in Jordanien, wo sie wiederum bei palästinensischen Terroristen Waffentraining bekamen. Zurück in der Bundesrepublik verüben sie 1972 zahlreiche Bombenanschläge – auf das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Frankfurt und Heidelberg, auf Polizeistationen, auf die Zentrale des Axel-Springer-Verlags in Hamburg.
Welche Bedeutung die Festnahme von Baader, Meins und Raspe hat, zeigt sich auch darin, wie ausführlich die Nachrichten des Südwestfunks und die unmittelbar anschließende Sondersendung darauf eingehen. Sie unterstützen auch die weiteren Fahndungsaufrufe der Polizei.

19.6.1972 Bundesanwaltschaft zur Verhaftung von Ulrike Meinhof

19.6.1972 | Ulrike Meinhof wurde heute verhaftet. Die Staatsanwaltschaft grübelt über einem verschlüsselten Brief von Gudrun Ensslin an Ulrike Meinhof. | RAF

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