Fördert der Comic-Schund das Analphabetentum?
Comics sind Schund, gefährden die sittliche Entwicklung von Jugendlichen und fördern das Analphabetentum! Das war in den 1950er-Jahren die vorherrschende Auffassung unter Erziehungsfachleuten. Müssen sie also verboten werden?
Bundesgerichtshof fällt Urteil über "Bildstreifenhefte"
Der Streit darüber eskaliert bis zum Bundesgerichtshof. Dieser kommt zu einem Urteil, das – wie es in der folgenden Sendung heißt – von "Eltern und Jugenderziehern noch lebhaft erörtert werden wird". Demnach sind "Bildstreifenhefte" nicht per se und nicht "offensichtlich" jugendgefährdend, vielmehr komme es auf den Inhalt an!
Aus der Residenz des Rechts
"Aus der Residenz des Rechts" heißt diese traditionsreiche Sendung, die der Süddeutsche Rundfunk jahrzehntelang im Programm hatte und in der immer wieder – wie hier – Bundesrichter ihre Urteile im Radio erläuterten.
"SWR Retro – Aus der Residenz des Rechts" in der ARD Audiothek
Bundesgerichtshof
8.10.1950 Martin Walser als Reporter bei der Eröffnung des Bundesgerichtshofs
8.10.1950 | In seinen jungen Jahren arbeitete Martin Walser (1927 - 2023) als Reporter und Autor für den Süddeutschen Rundfunk. Am 8. Oktober 1950 berichtet er live von der Eröffnung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe. Hauptredner ist der damalige Bundespräsident Theodor Heuss, gefolgt vom ersten Bundesjustizminister Thomas Dehler, der schließlich auch die Bundesrichter vereidigt.
14.5.1965 Rudolf Augstein zum Ende der Spiegel-Affäre
14.5.1965 | Rudolf Augstein bleibt 103 Tage in Haft. Am 7. Februar 1963 wird er freigelassen, weil die Haftgründe – Flucht- und Verdunkelungsgefahr – als nicht mehr gegeben angesehen werden. Das Verfahren wegen Landesverrats ist damit aber noch nicht ausgestanden. Das passiert erst zwei Jahre später. Im Februar 1965 werden die Ermittlungen gegen Rudolf Augstein eingestellt, am 13. Mai 1965 kommt sogar der Bundesgerichtshof zum Ergebnis, dass es für den Vorwurf des Landesverrats keine Beweise gibt. Alle Details, die der Spiegel in seinem regierungskritischen Artikel „Bedingt abwehrbereit“ verwendet habe, seien bereits von anderen Medien genannt worden oder öffentlich zugänglich gewesen. Am Tag nach diesem sehr klaren Urteil des Bundesgerichtshofs äußert sich Rudolf Augstein in einem Interview mit NDR-Redakteur Helmut Günther.
Bundesverfassungsgericht
7.9.1957 Bundesverfassungsgericht: Parteien haben Recht auf Wahlpropaganda im Rundfunk
7.9.1957 | Die politischen Parteien in Deutschland haben das Recht, dass im Wahlkampf ihre Wahlwerbespots gesendet werden. Das gilt auch für kleinere Parteien, die bisher nicht im Bundestag vertreten sind.
So urteilt 1957 das Bundesverfassungsgericht, worüber der Süddeutsche Rundfunk in seiner Rubrik "Residenz des Rechts" berichtet. Interessant dabei ist die Verwendung des Begriffs "Wahlpropaganda". Heute schwingt im Wort "Propaganda" etwas Negatives mit, oft auch der Vorwurf der Lüge und Täuschung. 1957 ist es im politischen Kontext einfach ein anderes Wort für Wahlwerbung.
"Die Entscheidung hat Auswirkungen auf lange Sicht", meint der Autor am Ende des Beitrags. Er sollte recht behalten.
28.2.1961 Bundesverfassungsgericht stoppt "Adenauer-Fernsehen"
28.2.1961 | Das von Adenauer geplante "Deutschland-Fernsehen" verstößt gegen das Grundgesetz – die erste von bisher 15 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunk in Deutschland. | http://swr.li/BVerfG-Adenauer-Fernsehen
15.12.1983 Das Volkszählungs-Urteil: Bundesverfassungsgericht erklärt "informationelle Selbstbestimmung" zum Grundrecht
15.12.1983 | Im April 1983 hätte es nach langer Zeit wieder mal eine Volkszählung geben sollen, doch das Bundesverfassungsgericht hat das Vorhaben gestoppt, zunächst per einstweiliger Anordnung, dann, im Dezember 1983, auch mit einer ausführlichen Begründung: Eine Volkszählung an sich sei in Ordnung – aber der Staat dürfe auch nicht beliebig Daten sammeln. Das Urteil ist wegweisend, denn erstmals erklärt das Verfassungsgericht die informationelle Selbstbestimmung zu einem Grundrecht. Dies leiten die Richter aus dem zweiten Artikel des Grundgesetzes ab, das die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert.
Die Volkszählung musste nach der Entscheidung aus Karlsruhe neu organisiert werden und fand dann erst 1987 statt.