Bundesverfassungsgericht begründet Stopp der Volkszählung
Im April 1983 hätte es nach langer Zeit wieder mal eine Volkszählung geben sollen, doch das Bundesverfassungsgericht hat das Vorhaben gestoppt, zunächst per einstweiliger Anordnung, dann, im Dezember 1983, auch mit einer ausführlichen Begründung: Eine Volkszählung an sich sei in Ordnung – aber der Staat dürfe auch nicht beliebig Daten sammeln.
Volkszählung muss neu organisiert werden
Das Urteil ist wegweisend, denn erstmals erklärt das Verfassungsgericht die informationelle Selbstbestimmung zu einem Grundrecht. Dies leiten die Richter aus dem zweiten Artikel des Grundgesetzes ab, das die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert.
Die Volkszählung musste nach der Entscheidung aus Karlsruhe neu organisiert werden und fand dann erst 1987 statt.
15. bis 21.5.1987 Volkszählung 1987: Brandanschläge und "grüne" Boykottaufrufe
15. bis 21.5.1987 | 1987 fand die Volkszählung endlich statt. Die war eigentlich schon für 1983 geplant worden , wurde aber gestoppt, weil das Bundesverfassungsgericht datenschutzrechtliche Bedenken hatte.
1987 ist die Aufregung schon deutlich abgeebbt. Die breite Bevölkerung trägt die Volkszählung mit, doch die Grünen sind nach wie vor dagegen und rufen zum Boykott auf. Dies hat zur Folge, dass einige Parteitage zunächst nicht genehmigt werden. Gleichzeitig gibt es im Vorfeld der Volkszählung Angriffe auf Volkszähler. Die anderen Parteien sehen die Verantwortung dafür bei der Boykott-Kampagne der Grünen, zum Beispiel, als es am 15. Mai 1987 zu einem Brandanschlag auf das Büro der Volkszählung in Heilbronn kommt.
Eine Woche später, am 21. Mai, diskutiert der Bundestag über den Boykottaufruf der Grünen, über die Sabotageakte in verschiedenen Bundesländern und die Frage, ob es zwischen beidem einen Zusammenhang gibt – ob die Grünen also für die Angriffe auf Volkszähler mitverantwortlich sind.
Die Justizreporter*innen Volkszählung: Wie das Grundrecht auf Datenschutz entstand
Zensus 2022 – war da was? Keine Boykottaufrufe, keine Demonstrationen gegen den „gläsernen Bürger“. Bei der geplanten Volkszählung 1983 war das ganz anders. Plötzlich grätschte auch noch das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zum neuen „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ dazwischen, das bis heute in vielen Karlsruher Entscheidungen nachwirkt. Justizreporter Frank Bräutigam spricht mit Gunther von Mirbach, der damals als Jurastudent das Volkszählungsurteil erstritten hat. Und er klärt praktische und rechtliche Fragen rund um den aktuellen Zensus.