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Amazon – Wie der Online-Riese die Preise diktiert

Stand
Autor/in
Jörg Hommer
Onlinefassung
Ulrike Barwanietz
Candy Sauer

Wer online shoppt, sucht meist bei Amazon und wird schnell bedient. Doch Wettbewerbshüter weltweit werfen dem Konzern vor, Händler unter Druck zu setzen und fairen Handel zu verhindern.

Amazon im Corona-Jahr 2021: 55 Prozent Marktanteil in Deutschland

Im Pandemiejahr 2021 konnte Amazon seinen Marktanteil im deutschen Onlinehandel auf 55 Prozent steigern; das zeigt eine Studie des Instituts für Handelsforschung Köln. Das bedeutet: Jeder zweite Online-Euro wird über die Amazon-Plattform ausgegeben. Zalando, Otto und Co. teilen sich den Rest vom Online-Shopping-Kuchen mit vielen tausend Onlineshops.

Für alle Online-Händler heißt das: An Amazon führt kein Weg vorbei. Doch fragwürdige Klauseln und Geschäftspraktiken des US-Konzerns bringen die Händler in ein extremes Abhängigkeitsverhältnis zu Amazon, zum Beispiel über die Buybox. Und das zum Nachteil für die Kundinnen und Kunden, die mehr zahlen müssen.

Über die Buybox übt Amazon druck auf die Händler aus

Die Buybox ist das mit grauer Linie umrandete Feld ganz rechts auf jeder Produktseite bei Amazon. Sie umfasst den Produktpreis, Versandangaben und den wichtigen Einkaufswagen-Button. In dem für Marktplatzhändler eigenen Verkaufsbereich auf der Amazon-Plattform definiert der US-Konzern die Buybox als "Hervorgehobenes Angebot".

Über die sogenannte "Buybox" rechts neben der Produktinformation übt Amazon Druck auf seine Händler aus: Wer seine Waren anderswo günstiger anbietet, verliert die Buybox. Amazon-Kunden gewinnen dann den Eindruck, das Produkt sei nicht lieferbar.
Händler, die ihre Waren anderswo günstiger anbieten, verlieren die Buybox. Amazon-Kunden gewinnen dann den Eindruck, das Produkt sei nicht lieferbar. Für die Händler, die Amazon als Marktplatz nutzen, bedeutet das einen großen Verlust.

Mit dem Klicken auf die Buybox kann ein Produkt in den Einkaufswagen gelegt oder direkt gekauft werden. Verkäufer müssen dafür laut Amazon bestimmte leistungsbezogene Anforderungen erfüllen, wie zum Beispiel das Anbieten wettbewerbsfähiger Preise. Die Buybox ist also nicht selbstverständlich, sie wird von Amazon "verliehen".

Ohne Buybox: 99 Prozent Verlust für Händler

Ein Beispiel des deutschen Bettenherstellers Marco Schoch zeigt: Man kann die Buybox auf Amazon auch verlieren, was zu einer Katastrophe für Händler werden kann. Denn ohne Buybox sind 95 bis 99 Prozent der Verkäufe von Schochs Betten weg. Und genau das ist in den vergangenen Jahren immer wieder passiert, so Schoch. Einmal sogar im wichtigen Weihnachtsgeschäft, was existenzbedrohend wurde.

Schoch vermutet, dass der Verlust der Buybox damit zusammenhängt, dass er seine Betten auch auf anderen Plattformen verkauft: Bietet er das gleiche Produkt günstiger an als bei Amazon, ist die Buybox auf einmal weg und seine Umsätze brechen ein. Für Kunden sieht die Amazon-Produktseite ohne Buybox dann so aus, als ob der Artikel, zum Beispiel das Kinderbett, nicht verfügbar sei.

Amazon verhindert günstigere Preise auf anderen Marktplätzen

Will Amazon mit dem Buybox-Vergabe-System die Preise seiner Händler bestimmen? Denn seine Kinderbetten könne Marco Schoch auf den anderen Marktplätzen locker fünf Prozent günstiger anbieten. Marco Schoch ist folglich nicht frei in der Preisgestaltung, wenn er die für ihn wichtige Buybox behalten will – und das hat Konsequenzen für Kundinnen und Kunden, denn sie erhalten so keinen Zugang zu einem günstigeren Angebot.

Amazon verstößt gegen geltendes Wettbewerbsrecht

Für den Kartellrechtsexperten und Wirtschaftsanwalt Prof. Thomas Höppner aus Berlin ist dieses System ein klarer Verstoß gegen geltendes Wettbewerbsrecht. Doch Amazon sieht das anders. Das Unternehmen antwortet auf Anfrage gegenüber SWR2 Wissen ausweichend:

"Amazon-Verkaufspartner:innen legen ihre eigenen Produktpreise in unserem Store fest. (…) Der wettbewerbsfähige Preis ist der niedrigste Preis für diesen Artikel, der von verschiedenen anderen großen Einzelhändlern verlangt wird."

Thomas Höppner weiß, wie geschickt Amazon bei den Händlern abkassiert und meint, dass Verbraucher nur dem Anschein nach bei Amazon vom "günstigen" Preis profitieren. Darum bezeichnen Branchen-Experten wie Höppner Amazon und andere großen Plattformen als "Gatekeeper", die dem fairen Wettbewerb schaden.

Paketzusteller in New York: Amazon hat in den USA einen Anteil von 70 Prozent am Online-Geschäft
Paketzusteller in New York: Amazon hat in den USA einen Anteil von 70 Prozent am Online-Geschäft

Biden-Regierung erwägt Zerschlagung großer Tech-Konzerne

Welchen Einfluss Amazon auf den Onlinehandel auch in Deutschland haben könnte, zeigt sich im Heimatland des Konzerns. Amazon hat in den USA bereits einen Anteil von 70 Prozent am E-Commerce-Handel. Die Biden-Regierung plant deshalb neue Gesetze, die sich an europäischem und deutschem Kartellrecht orientieren. Sogar die Möglichkeit die großen Tech-Konzerne zu zerschlagen, soll darin formuliert sein.

Digital Markets Act: neue Gesetze für digitale Märkte in Europa

Dass Amazon auch in Europa so mächtig wird, wollen die europäischen Wettbewerbshüter mit aller Kraft verhindern. Die sonst eher träge EU-Kommission in Brüssel schaffte es in weniger als einem Jahr, im März 2022 ein neues Gesetz zu verabschieden. Es soll die digitalen Märkte fairer machen, die Interessen der Verbraucher schützen und die großen Internet-Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon & Co stärker regulieren: Der "Digital Markets Act" wird Ende 2022 in Kraft treten.

SWR 2022 / 2023

Literatur

Amazon

Kaiserslautern

Amazon dementiert Vorwürfe Ver.di kritisiert Arbeitsbedingungen bei Amazon in Kaiserslautern

Die Arbeitsbedingungen im Logistikzentrum von Amazon in Kaiserslautern sind teilweise unmenschlich - davon ist die Gewerkschaft ver.di überzeugt. Heute hat sie das Lager in Kaiserslautern besucht, um die Mitarbeitenden zu unterstützen.

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Kulinarische Diplomatie Staatsbankett und Streetfood – Wie mit Essen Politik gemacht wird

Kann ein gutes Essen Spannungen in der Politik abbauen? Wenn es allen schmeckt, ja! Davon ist zumindest der Koch des deutschen Bundespräsidenten überzeugt. "Gastrodiplomatie" nennt das die Wissenschaft. Von Peter Bratenstein (SWR 2024) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/staatsbankett-streetfood | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: daswissen@swr.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@DasWissen

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