Musikstück der Woche vom 09.05.2016

Höfisches aus Karlsruhe

Stand
Autor/in
Kerstin Unseld

Johann Melchior Molter: Konzert für Flöte, Streicher und Basso continuo G-Dur, H. S. 315

Eine Klangreise zurück in die Zeit, als im Karlsruher Schloss die neuste Musik von der Hofkapelle erklang, unternimmt das Gottesauer Ensemble mit einer Wiederentdeckung der Instrumentalmusik Johann Melchior Molters. Die Flötistin Stefanie Kessler spielt als Solistin Molters Flötenkonzert auf einem historischen Instrument. Die Aufnahme entstand 2014 im historischen Asamsaal des Ettlinger Schlosses.

Molter nach Käfer

Der Komponist Johann Melchior Molter
Der Komponist Johann Melchior Molter

Die beschauliche Residenzstadt Karlsruhe, bei ihrer Gründung 1715 noch "Carolsruhe" und damit nach ihrem Stadtgründer und dessen Wunsch nach Frieden mitten im Hardtwald benannt, konnte bald schon mit einem beachtlichen Hofmusikleben aufwarten. Spätestens als im Jahr 1718 Johann Philipp Käfer den Posten des Hofkapellmeisters und damit die Leitung übernahm, begann das Musikleben der neugegründeten Stadt zu florieren. Im Orchester saß zu dieser Zeit ein junger Geiger namens Johann Melchior Molter, der so begabt war, dass ihm bald schon der badische Markgraf eine Studienreise nach Italien finanzierte, "umb in der Music mit Erlernung der Italienischen Manier auch anderen Vortheil und HandGriffe sich mehrers zu habilitieren". Also wurde Molter in den Süden geschickt, sammelte in Venedig bei Antonio Vivaldi und in Rom bei Alessandro Scarlatti auf, was er kriegen konnte und brachte es zurück in die badische Provinz.

1722 kam es zum Streit zwischen Kapellmeister Käfer und dem Markgrafen. Wegen Gehaltsaufbesserungen und Urlaubsregelungen zerstritten sie sich so sehr, dass der Markgraf seinen Hofkapellmeister fristlos entließ. Nachfolger wurde der 26-jährige Molter, der fortan - mit einer kurzen Unterbrechung - über 4 Jahrzehnte das Musikleben Karlsruhes bestimmte. Er komponierte vor allem Kammermusik und Konzerte für verschiedene Instrumente, außerdem mehr als 150 Sinfonien, Solokantaten und Opern. Ein glücklicher Umstand bewahrte Molters Musik: Sein Sohn und seine beiden Enkel waren Bibliothekare der Großherzoglichen Hofbibliothek, und so sind mit Ausnahme der Vokalkompositionen fast alle seine werke im Autograph erhalten und werden heute in der Badischen Landesbibliothek verwahrt.

Stefanie Kessler (Flöte)

Die aus Karlsruhe stammende Flötistin Stefanie Kessler studierte an der Folkwang-Hochschule in Essen bei Prof. Mathias Rütters . Während des Studiums erweiterte sie ihren musikalischen Horizont und beschäftigte sich auch intensiv mit dem spielen historischer Instrumente. Nach der Künstlerischen Reifeprüfung in Essen schloss sich folgerichtig ein Studium historischer Interpretationspraxis bei Prof. Karl Kaiser an der Musikhochschule Frankfurt/Main an. Weitere wichtige Impulse gaben ihr Meisterkurse bei Aurele Nicolet und Barthold Kuijken.

Stefanie Kessler pflegt eine rege Konzerttätigkeit auf moderner wie auf den historischen Flöten im In- und Ausland, ebenso wirkt sie bei zahlreichen CD-, DVD-,und Rundfunkproduktionen mit. Sie spielt in renommierten Orchestern und Ensembles ( Balthasar-Neumann-Ensemble, Freiburger Barockorchester, La Stagione Frankfurt, Deutsche Händel-Solisten, Capella coloniensis u.a.) und war Gast bei vielen Festivals (Salzburger Festspiele 2006 mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble unter Thomas Hengelbrock, Ludwigsburger Festspiele 2008 , Bachfest Leipzig 2008 , Epidaurus Festival 2008 , Aix-en-Provence 2010).

Das Gottesauer Ensemble

Das Gottesauer Ensemble formierte sich in Karlsruhe und steht unter der Leitung des Cellisten Dmitri Dichtiar, der sich intensiv mit oft so bezeichneter "alter Musik" verschiedener Epochen beschäftigt. Kein Zufall also, dass auch die musikalischen Programme des Gottesauer Ensembles der historisch informierten Aufführungspraxis verschrieben sind.

In wechselnder Besetzung bringt das Musiker-Kollektiv immer wieder Musik zu Gehör, die in der Gegenwart nur noch selten gespielt wird. Das jüngste Wiederhören gibt es nun sogar als CD: Im Jahr 2015 produzierte das Gottesauer Ensemble bei dem Label Musicaphon eine Aufnahme mit sechs Concerti von Johann Melchior Molter. Der Anlass für diese Einspielung war Molters 250. Todestag.

Stand
Autor/in
Kerstin Unseld