Musikstück der Woche vom 23.3.2015

Ein musikalisches Seelen-Kaleidoskop

Stand
Autor/in
Doris Blaich

Frédéric Chopin: Préludes op. 28

Das Regentropfen-Prélude ist das bekannteste aus Chopins großem Zyklus, er enthält aber Musik in allen Wetter- und Gemütslagen. Die junge Pianistin Yulianna Avdeeva spielte alle 24 Préludes am 13.12.2013 in der Konzertreihe "Internationale Pianisten in Mainz".

Kosmos und Meilenstein

Chopins Préludes gehören zu den Meilensteinen des romantischen Klavierrepertoires. 24 Stücke sind es - manche nur ein paar Sekunden lang. Blitzschnell verändert Chopin dabei die Klangfangfarben und Stimmungen: ständig wechseln da die Emotionen und der Ausdruck. Der Zyklus ist ein Kaleidoskop von Chopins Seelenleben - einem ausgesprochen reichem Seelenleben, eingefärbt von Ekstase und Weltschmerz, ungebändigter Kraft und Zerbrechlichkeit - oft erklingt all das gleichzeitig in der Musik, und Chopin entdeckt noch unendlich viele Nuancen dazwischen.

Großes Vorbild: Bach!

Chopins Vorbild für die Architektur dieses Zyklus' war Johann Sebastian Bachs "Wohltemperiertes Klavier": das durchwandert in 24 Präludien und Fugen alle Dur- und Moll-Tonarten. Auch Chopin schreibt jedes seiner 24 Préludes in einer anderen Tonart: zuerst die Kreuz-, dann die b-Tonarten, immer hin und herpendelnd zwischen Dur und Moll. Diese klare Anordnung ist aber auch das einzige Schematische an den Préludes: sie folgen keinem Muster, jedes steht für sich und entfaltet seine ganz eigene Poesie.

Yulianna Avdeeva über Chopins Préludes:

"Als ich 2011 die Kartause von Valdemossa besichtigte, war ich von der dort herrschenden Atmosphäre sehr angetan. Chopin kompoierte 1839/40 den größten Teil der 24 Préludes während seines Aufenthalts dort; der Geist des Komponisten ist immer noch spürbar.
Für mich sind die Préludes ein einzigartiges Universum, in dem jedes Stück die jeweils anderen ergänzt, dabei aber gleichzeitig seine eigene Charakteristik besitzt. Chopin überlässt es Pianisten und Publikum, ihre persönliche Deutung jedes Préludes zu finden, und ich glaube, dass keine andere Komposition auf so vielfach-unterschiedliche Weise interpretiert werden kann wie der Zyklus der Préludes."

Die Pianistin Yulianna Avdeeva

studierte Klavier am russischen Gnessin-Institut, an der Hochschule der Künste Zürich und an der Internationalen Piano-Akademie am Comer See. Nach zahlreichen Wettbewerbserfolgen (u.a. erspielte sie sich den ersten Preis beim Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau), begann eine brillante Karriere als Solistin und Kammermusikerin (u.a. im Duo mit der Geigerin Julia Fischer). Ihr Repertoire reicht von Bach bis ins 20. Jahrhundert, besonders gerne spielt sie auf historischen Instrumenten. Viel Chopin gibt es in ihrer Diskographie: beide Klavierkonzerte spielte sie auf Erard-Flügeln der Chopin-Zeit ein; 2014 erschien ihre Aufnahme der 24 Préludes.

Stand
Autor/in
Doris Blaich