100 Jahre Radio

Sparmaßnahmen: Hörfunkstudios vor dem Abriss

Stand
Autor/in
Sylvia Systermans
Onlinefassung
Teodora Mebus

Viele Sender der ARD verfügen über eigene kleine Musikstudios. Die Säle entstanden in den 1950er und -60er Jahren und müssten umfangreich saniert werden. In Zeiten, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk massiv sparen muss, scheint der Abriss der alten Rundfunksäle wirtschaftlich geboten. Was für das Hans-Rosbaud-Studio beschlossene Sache ist, ist im Fall des BR-Studiobaus allerdings heftig umstritten. Was geht womöglich verloren, wenn sie verloren gehen?

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„Die Musik war wichtig, das Orchester war wichtig und das kann man auch sehen. Der Boden, das war noch Marmor. Auch die Wände sind mit Marmor verkleidet. Es war damals durchaus repräsentativ.“

Einst repräsentativ, heute desolat

Seit der Abriss des Hans-Rosbaud-Studios beschlossen ist, wurden Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten sichtbar zurückgefahren. „Die Tür hier quietscht, die Toiletten sind nicht mehr in Ordnung. Ja, wenn eine Schranktür lose ist, dann steht die jetzt eben daneben und die wird nicht mehr angebracht.“ Bis zum Abriss des Gebäudes 2024 hat Wolfgang Rein noch die Freude und Ehre, wie er sagt, in dem Saal zu arbeiten.

Hans-Rosbaud-Studio
25 Meter lang, 20 Meter breit und 14 Meter hoch ist das große Studio. „Nicht alle Sendesäle haben diese Höhe. Die Raumgröße ist ein wichtiges Kriterium für Aufnahmen“, so Toningenieur Wolfgang Rein.

Wegen zahlreicher Modernisierungen steht das einstige Laboratorium für die Neue Musik nicht unter Denkmalschutz. Für Publikum ist es aus brandschutztechnischen Gründen schon lange gesperrt. Noch steht der schmucklose Bau auf der „Funkhöhe“ des SWR zwischen alten Bäumen und historischen Villen, vor ihm das neue trimediale Medienzentrum des SWR und fast 400 hochpreisige Neubauwohnungen.

Kein neues Musikstudio am SWR Standort Baden-Baden

Ein Nachfolgebau für das Hans-Rosbaud-Studio wird es in Baden-Baden nicht geben. Das neue Medienzentrum besteht vor allem aus weitläufigen, offenen Redaktionsräumen mit kleinen Produktionseinheiten. Zwei große Hörspielstudios in Baden-Baden wurden modernisiert.

Für Musikproduktionen ist kein Studio vorgesehen. „Es gäbe Ausweichmöglichkeiten, aber man muss sehen, inwieweit die überhaupt benötigt werden, wenn wir unser Produktionsaufkommen mehr und mehr reduzieren“, sagt Wolfgang Rein.

Das Rosbaud Studio – ein Brennpunkt der Avantgarde

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Jahrzehntelang hat hier das Sinfonieorchester des Südwestfunks geprobt. Mit der Fusion des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg mit dem Orchester in Stuttgart hatte das Hans-Rosbaud-Studio seine Funktion und Berechtigung verloren. Eine teure Sanierung stand nicht zur Debatte.

Für Wolfgang Rein geht mit dem Abriss des Hans-Rosbaud-Studios etwas Wesentliches verloren. „Was ich mir nicht mehr vorstellen kann, ist, dass man so einen zentralen Ort hat, wo man sich jedes Jahr trifft und für die Proben mehrere Wochen Zeit hat. Heute sind die Pläne so fest, dass man keine Chance mehr hat, aus künstlerischen oder klangtechnischen Gründen Produktionen einfach zu verlängern.“

Der Studiobau des Bayrischen Rundfunks

Wie es um die Musik- und Wort-Produktionen und die Veranstaltungen bestellt ist, die bis heute im sogenannten Studiobau des Bayrischen Rundfunks stattfinden, ist ebenso ungewiss. 300 Millionen Euro soll eine Sanierung kosten. Viel Geld in Zeiten von Spardruck und steigenden Kosten, die unter anderem durch den crossmedialen Umbau des Senders entstehen.

Der gesamte Betrieb des siebenstöckigen kubischen Baus an der Marsstraße mit seinen drei Rundfunksälen, Hörspiel- und Produktionsstudios zieht bis 2025 ins neue trimediale Medienzentrum des BR in den Münchner Stadtteil Freimann.

„Da kann man eine Konferenz machen, eine Aktionärsversammlung, ganz wichtig, eine TV-Show. Und das ist dann eine Multifunktion, wo dann die Musikproduktion und die klangliche Akustik nur noch am Rande vorkommt“, so Eckhard Glauche, Cheftonmeister des BR. In solchen Multifunktionssälen sei der spezielle Bereich der Musikproduktion nicht mehr in der Qualität realisierbar, wie in den aktuell bestehenden Sälen.

Alles hängt am Denkmal-Status des Gebäudes

Erhalten bliebe der Studiobau nur, wenn er unter Denkmalschutz gestellt würde. Bislang hatte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege dem Gebäude diese Schutzwürdigkeit abgesprochen. Vor wenigen Wochen hieß es von Seiten der Behörde, die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.

Für Eckhard Glauche stehen Wert und geschichtliche Bedeutung des Gebäude-Komplexes hingegen außer Frage. „Was ich verstehen kann, ist, dass die Kosten, die ein Erhalt eines solchen Gebäudes bedeutet, enorm sind. Wenn es eine Rundfunkanstalt alleine nicht stemmen kann, sollte man sich eben Partner suchen, die auch ein Interesse an diesem Gebäude haben und versuchen, dass eben zumindest diese Teile erhalten bleiben, die sonst unwiederbringlich verloren gehen würden.

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