Donaueschinger Musiktage 2010 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2010: "Sgraffito"

Stand
Autor/in
Michael Norris
Übersetzung
Bernd Künzig (aus dem Englischen)

In der Bildenden Kunst bezeichnet Sgraffito die Technik des behutsamen Wegkratzens einer Schicht von Farbe oder Gips, um die darunter liegende Schicht freizulegen. Wenngleich diese Technik hauptsächlich in der Renaissance angewandt wurde, ist sie im zwanzigsten Jahrhundert vor allem durch den amerikanischen Künstler Cy Twombly weiterentwickelt worden. Während das Orchesterstück nicht den Versuch unternimmt, Twomblys Leinwände in Klang zu übersetzen, findet es dennoch seinen Ausgangspunkt in einigen Formen und Bewegungen des vordergründigen "scratchings", das gegen den mehr statischen, farbflächenartigen Hintergrund abgesetzt wird. Ebenso gibt es ein anwachsendes (aber unerfülltes) Bestreben der Musik, dem ausdruckslosen "Rahmen" der Hintergrundharmonien zu entkommen und in etwas vollkommen Rhapsodisches auszubrechen.

Grundsätzliche ästhetische Überlegungen

Gegenwärtig bin ich vor allem darum bemüht, den schmalen Bereich des Raumklangs zu verdeutlichen, der, mit behutsamem Vorgehen, ein verborgenes musikalisches Universum von musikalischen Möglichkeiten zu enthüllen sucht. Klänge, die extreme Register, klangliche Veränderungen und subtile Mischungsverhältnisse verschiedener Tonfarben enthalten, sind Teil meiner technischen Palette, mit der ich arbeite. Gleichzeitig wird ein melodisches Konzept entwickelt, das "protomelodische" Gesten entwickelt, zumeist verbunden mit einem Ausdruck von "Stetigkeit" oder "Fetischisiertem". Diese verinnerlichten, intuitiv geformten Materialien werden oft einem rigorosen Verteilungssystem unterworfen, das die Abfolge von klingenden "Objekten" in der Komposition vorbestimmt.

Festivaljahrgänge
Donaueschinger Musiktage 2010
Themen in diesem Beitrag
Michael Norris, Sgraffito für Kammerorchester
Stand
Autor/in
Michael Norris
Übersetzung
Bernd Künzig (aus dem Englischen)