Ich erinnere mich, dass ich vor einigen Jahren James Tenney nach seinen Erfahrungen mit Harry Partch fragte. Damals sagte er mir, dass ich, wenn ich mehr über amerikanische experimentelle Musik und ihre Verbindungen zur Reinen Stimmung wissen wollte, auch das sehr interessante Werk von Ben Johnston anschauen müsse. 1926, im selben Jahr wie Morton Feldman geboren, studierte und spielte Johnston mit Partch im Gate 5 Ensemble, außerdem arbeitete er mit Darius Milhaud am Mills College und privat mit John Cage in New York. Wie bei Tenney wurde seine Arbeit durch den Wunsch motiviert, Verbindungen zu ziehen und Brücken zu bauen zwischen paradox gegensätzlichen Positionen in der Musik des 20. Jahrhunderts – unter anderem zwischen dissonantem Kontrapunkt, Spektralismus, Zufall/Unbestimmtheit und strengem Serialismus.
In den 1960er Jahren fand Johnston eine eigene, bahnbrechende Arbeitsweise, die geordnete Reihen, mikrotonal komplexen Kontrapunkt und proportionale metrische Verhältnisse mit einer "erweiterten Reinen Stimmung" kombinierte, welche durch mehrdimensionale Tonnetz-Diagramme organisiert wurde. Indem er die Einschränkungen durch die Definition eines einzigen Stimmungssystems vermeidet, erkundet er die Besonderheiten der Tonhöhenstrukturen, die von Stück zu Stück variieren – immer inspiriert von dem utopischen Ideal einer exakt vorgestellten und notierten Stimmung.
Anders als einige seiner bekannteren Kollegen aus der experimentellen Musik versucht Ben Johnston, strenge formale Konstruktionen in eine breite Ausdruckspalette zu integrieren, basierend auf seiner persönlichen emotionalen Sensibilität. Zu diesem Zweck näherte er sich dem Ivesschen musikalischen Zitat, der Parodie und Paraphrase, gelegentlich dem vorsätzlichen Klischée und in jüngerer Zeit einer spekulativen Neubelebung von historischen Idiomen. Dies hat zu einem Werk geführt, das eine einzigartig unmoderne Position innerhalb der amerikanischen zeitgenössischen Musik einnimmt. Einerseits ist Johnston hauptsächlich für seine Variationen der Hymne "Amazing Grace" bekannt und (unter Spezialisten) durch sein Eintreten für "Just Intonation", während andererseits ein Großteil seines bemerkenswerten und radikalen Werkes weitestgehend vergessen und ungespielt geblieben ist.
Das "Quintet for Groups", ein großes orchestrales Werk, das von Eleazar De Carvalho 1965 in Auftrag gegeben wurde, wurde 1966 abgeschlossen und gelangte am 24. und 25. März 1967 zu seinen ersten Aufführungen durch das Saint Louis Symphony Orchestra. Den überlieferten Berichten zufolge war das Publikum gespalten zwischen buhenden Vertretern der klassischen Symphonie und einigen laut rufenden Fans Neuer Musik, die sich schließlich durchsetzten. Es gab keinen Mitschnitt des Konzerts, und die Umstände waren offenbar nicht gerade ideal – Streicher, die einige der divisi-Stimmen hätten spielen sollen, waren stattdessen im Schlagzeug eingesetzt und verursachten rhythmisches Chaos, eine der Harfenistinnen erschien erst am letzten Tag und die andere weigerte sich, ihr Instrument umzustimmen. Gleichzeitig hatten anscheinend die Holzbläser mit detailgenauer Aufmerksamkeit geprobt und schrieben alle ihre mikrotonalen Fingersätze in die Noten.
Die Dynamik zwischen Chaos und Ordnung, die sich häufig in den politischen und musikalischen Fraktionen innerhalb eines Orchesters spiegelt, dient als eine formale Inspirationsquelle für Johnstons Stück. Die Musiker sind in fünf Gruppen aufgeteilt: ein solistisches Holzbläserquintett, ein Chor von Blechbläsern, eine rhythmische Sektion aus zwei Schlagzeugern, zwei Harfen und zwei Klavieren, die helfen, die komplexen Modulationen von Tempo und Stimmung zu etablieren, zwei unterteilte (divisi spielende) Streichergruppen, links und rechts positioniert. Die Partitur kombiniert verschiedene Notationsweisen und schlägt so eine Brücke zwischen freieren Strukturen und eher streng determiniertem Material. Jede Instrumentengruppe operiert in einem charakteristisch gestalteten musikalischen Rahmen, ist aber offen für den Einfluss der anderen. Die übergreifende Form bewegt sich zwischen verschiedenen Arten von Dissonanz und Konsonanz: mikrotonal, strukturell, rhythmisch.
Es ist ein wundervolles Zusammentreffen verschiedener Umstände, das zu dieser Europäischen Erstaufführung von "Quintet for Groups" geführt hat. 2007 traf ich in Irland Bob Gilmore, der mir ein Exemplar seiner aktuellen Anthologie von Johnstons Schriften, Maximum Clarity, gab. Als Walter Zimmermann mich bat, einige Seminare für seine Komponistenklasse an der Universität der Künste in Berlin zu halten, entschied ich mich, Johnstons Musik kennen zu lernen. Ich schrieb seiner Verlegerin, Sylvia Smith, und einige Wochen später erhielt ich ein großes Paket mit Partituren. Ich stellte mich per e-mail auch Ben selbst vor, und er half mir, CDs zu finden, alte Kassettenmitschnitte und LP-Aufnahmen, die sein Schaffen der letzten sechzig Jahre dokumentieren. Dazu gehören zehn Streichquartette, zwei große Werke für mikrotonales Klavier, ein Rockmusical für den La MaMa Experimental Theatre Club (New York City) und verschiedene Stücke für Solo, Kammermusik und Chor. Mich selbst faszinierte besonders seine komplexe und schwer fassbare Musik der 1960er Jahre, und ich war vor allem auf ein Stück neugierig: die Orchesterpartitur "Quintet for Groups".
Im Spätsommer hörte ich, dass Armin Köhler ein interessantes amerikanisches Orchesterwerk für ein Konzert bei den Donaueschinger Musiktagen 2008 suchte. Ich rief Sylvia an, die erklärte, dass die sehr große handgeschriebene Partitur aufgerollt in einer Architektenröhre vorhanden sei und dass niemals eine Kopie publiziert wurde. Um Zeit zu sparen, war sie einverstanden, mir das Original zu schicken. Ein Tag Arbeit in einem Berliner Copyshop verkleinerte die Pergamentrollen auf Seiten in DinA2, die schließlich ein paar Tage später im SWR eintrafen.
Mit 82 Jahren: Willkommen in Donaueschingen, Mr. Johnston! Wir freuen uns darauf, Ihr Werk zu hören, für viele von uns zum ersten Mal in einem Live-Konzert.
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 2008
- Themen in diesem Beitrag
- Ben Johnston, Quintet for groups