Donaueschinger Musiktage | Werke des Jahres 2023

Elnaz Seyedi & Anja Kampmann: Dunst – als käme alles zurück

Stand

für zwei Stimmen und Ensemble

Werkkommentar

Eine Landschaft verändert sich wie ein Körper – auch unsere Wahrnehmung springt zwischen den Zeitebenen. Eben war doch noch etwas da – ein Fluss, ein Mensch, jetzt gehen wir durch dasselbe Land, jetzt sind wir in demselben Körper, es ist scheinbar dasselbe Land, aber ein Fluss ist ausgetrocknet, ein Mensch wandert mit der Stimme zurück an Orte, die nur noch in der Vergangenheit lebendig sind. Dunst ist ein Stück, in dem die Zeiten sich überlagern. Wir hören eine Stimme, zwei Stimmen, ihre Ansätze, immer wieder zu erzählen.

Zwei Sprachen treffen aufeinander, der Klang im Raum und das Wort – beide berühren die Zwischenbereiche, den Moment, der im Sprechen immer noch etwas anderes sagt. Wie verbinden sich unsere Sprachen? Wie lassen sich diese Ränder erkunden, die uns verbinden? Wir hören Stimmen, Erzählfragmente, die zwischen unseren Sprachen hin und her wandern. Der nächste Moment verändert was gesagt wurde, führt es weiter. Etwas geschieht mit dem Raum. Weil ich dich höre, kann ich auch mich selbst anders hören, wahrnehmen. Die Aufmerksamkeit wandert, schweift ab. Da, in der Unschärfe, gibt es einen neuen Bereich, etwas im Dunst – Konturen, Nebel, etwas zeigt sich dort, darf hervorgehen. Es gibt die grammatische Form des Mediums, eine Handlung, die nicht von mir oder Dir ausgeht, sondern aus dem gemeinsamen Geschehen. So etwas ist der Grenzbereich, dem wir uns nähern. Jede auf ihre Art, in ihrer eigenen, präzisen Sprache: damit etwas hervorgehen kann.

English

A landscape changes like a body – our perception also jumps between time levels. A moment ago there was still something – a river, a person, now we walk through the same country, now we are in the same body, it is apparently the same country, but a river has dried up, a person wanders with the voice back to places that are only alive in the past. Dunst (haze) is a piece in which times overlap. We hear a voice, two voices, their approaches to tell again and again. Of a time before the dryness, of a time of closeness. Two languages meet, the sound in the space and the word – both touch the in-between areas, the moment that in speech still says something else. How do our languages connect? How can we explore these edges that connect us? We hear voices, narrative fragments that wander back and forth between our languages. The next moment changes what was said, takes it further. Something happens with the space. Because I hear you, I can also hear, perceive myself differently. The attention wanders, digresses. There, in the blur, there is a new area, something in the haze – contours, mist, something shows itself there, can emerge. There is the grammatical form of the medium, an action that does not come from me or you, but from the common happening. Such a thing is the border area we are approaching. Each in its own way, in its own precise language: so that something can emerge.

Stand
Autor/in
SWR