Donaueschinger Musiktage 2000 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2000: "Dichterlesen"

Stand
Autor/in
Stephan Froleyks

Hommage an ANNA

eine Klanginstallation mit mehr als sechzig Schallquellen von Stephan Froleyks

Dichter sind unordentlich, bei ihnen ist alles immer leicht angestaubt.
Manche Dichter sind sehr gesprächig, andere reden nur, wenn jemand da ist. Wieder andere folgen beim Sprechen unbekannten Regeln. Gerne reden sie durcheinander. Man könnte Dichter niemals zentral steuern, ihre Energie allerdings stammt aus einer gemeinsamen Quelle. Sollen mehrere Dichter einen Kreis bilden, wird der bestimmt nicht rund. Dichter können sich nur einfache elektronische Geräte leisten, die nicht besonders gut aussehen. In den Haushaltungen der Dichter wird nicht nach den Regeln des Handwerks gearbeitet, sondern jeder macht alles so gut, wie er kann. Manches funktioniert dann einfach nicht. Im rechten Winkel sorgfältig verlegte Kabel sucht man bei Dichtern vergebens, die Lampen sind auch nach Jahren noch ohne Schirm. Die Aktivitäten der Dichter sind oft auf unaufwendige Art aufwendig. Dichter verkriechen sich gerne. Dabei hören sie sentimentale Musik und lesen sich ihre Gedichte vor.

Manchmal geht's mir wie den Dichtern.

Ich stelle mir einen Raum vor, ich stelle mich in den Raum. Spitzwegerische Oberstube, muffig. Regale, Schränke, Stapel von irgendwas. Holzgeruch, Kammerklang, Speicher, Gemächer, Kammern, Dachzimmer, Ort für Eulen und Fledermäuse, Refugium für Poeten. Lange Zeit kämpften die Dichter an besseren Orten um Gunst und Huld ihrer Dulcinea, Laura, Anna. Irgendwann warf man sie mit ihren Büchern aus der Beletage. Es bleiben die Stimmen. Stimmen dringen durch Ritzen. Sie verteilen sich in Kammern. Sie treffen sich im Saal. Ihre Tendenz ist himmelwärts. Einmal fuhren 15 Dichter aus der Tiefe empor und lasen dabei simultan ihre Nachdichtung von Kurt Schwitters "An Anna Blume". Das war schon schön.

"dichterlesen" war nicht auszudenken ohne die vielfältige Hilfe von Dr. Gerd Weiberg (Expobeauftragter des Niedersächsischen Ministerpräsidenten), Klaus Stadtmüller und Dietrich zur Nedden. Dank dafür.

Stand
Autor/in
Stephan Froleyks