"Flowers of Carnage" erforscht das zwiespältige Verhältnis zwischen medialen Darstellungsformen ostasiatischer Kampfkunst und der selbstbestimmten Annäherung und kreativen Auseinandersetzung von 25 Schülerinnen und Schülern der AG-Neue Musik des Leininger-Gymnasiums Grünstadt mit Kung Fu. Dabei spielt deren unmittelbare praktische, körperliche und seelische Erfahrung in der musikalischen Transformation dieser chinesischen Kampfkunst eine wichtige Rolle.
Der Titel des Stückes bezieht sich auf ein Lied der japanischen Sängerin Meiko Kaji ("Shura no Hana"). Es fungiert als Titelsong in dem Film "Lady Snowblood" (1973, Toshiya Fujita), der die Geschichte einer Frau erzählt, die "aus einem einzigen Grund geboren wurde: um Rache zu nehmen. Rache für den brutalen Überfall auf ihre Familie, die sie nie kennenlernte." Hierfür wird sie bereits als junges Mädchen meisterlich in der Kunst des Schwertkampfes ausgebildet.
Kurze Klangbeispiele, die einer breiten Auswahl von der Komponistin akribisch untersuchter Martial-Arts-Filme entnommen wurden, wie etwa Schreien, Ächzen, Stöhnen, Röcheln, die Atemgeräusche und der Herzschlag der Kämpfenden, das Flitzen und Geklirr ihrer Schwerter und Peitschen, brutale Kampfgeräusche wie spritzendes Blut und dumpfe Schläge, wurden von den Jugendlichen ausschließlich hörend analysiert, transkribiert, instrumentiert und schließlich neu komponiert. In solch langen Verfremdungsprozessen wurden die Klänge langsam und schmerzhaft ihrer ursprünglichen Funktion entrissen.
Das so gewonnene Klangmaterial wurde schließlich mit neuen Choreographien (Evelin Stadler) konfrontiert, die auf der Basis des hoch stilisierten Bewegungsrepertoires von Kung Fu entwickelt wurden. Diese haben die Jugendlichen in Trainingseinheiten bei Kung Fu Meister Lao Shi kennengelernt. Die Bewegungen steuern die Klänge mittels Bewegungssensoren oder durch Reagieren auf die Mitspieler. Zuweilen steuern auch die Klänge die Bewegungen. Es entsteht ein Wechselspiel aus Gegenwehr, Zurückhaltung und Angriff.
Die Mitwirkenden sind während des Arbeitsprozesses mit den Grenzen und Möglichkeiten ihres eigenen Körpers konfrontiert worden. Mit ihrer Aufführung feiern sie die fintenreichen, raffinierten Kampfkünstler und deren physikalische, spirituelle und moralische Disziplin. Gleichzeitig setzen sie sich durch ihre extrem stilisierte musikalische Bearbeitung von Martial-Arts-Soundclips auf ungewöhnliche Weise mit dem Thema Gewalt und Brutalität auseinander.
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