Komponieren ist eine Methode, mit der man die Motive erforscht, die uns zum Komponieren antreiben.
Dieser schöne Satz war jahrelang der Leitfaden, mit dem ich versucht habe zu komponieren, statt es zu tun. Nach einer langen Zeit des Fastens, in der ich nur Geräusche benutzt habe, nachdem ich den Klang und die Farbe wiederentdeckt hatte und glaubte, in der Erforschung meiner Motive und meiner selbst nicht mehr weiterzukommen, habe ich nach den Antworten gesucht, die andere Komponisten gegeben hatten, um sie mit meinen eigenen zu vergleichen.
Auf diese Weise ist das Projekt eines Zyklus von kleinen Orchesterwerken entstanden als eine Art Beschwörung von fünf Komponisten, Orgeln und Nationen.
Eine Orgel hat manchmal für Jahrhunderte am selben Ort gelebt und kann darum am besten eine Musikkultur bezeugen – und nicht nur die musikalische; sie zu befragen und die Musik zu befragen, die für sie geschrieben wurde, heißt die Geschichte eines Landes befragen.
Das erste Stück des Zyklus, "Fiori di Fiori", ist Frescobaldi gewidmet. Als ich mit dem zweiten konfrontiert war, kam mir mein Vorhaben reichlich blasphemisch vor. Wie mit Johann Sebastian Bach umgehen? Es gab nur eine Lösung: den Stier bei den Hörnern zu fassen und anzugreifen – angreifen, was das Perfekteste ist, das ich auf Erden kenne, um es zu massakrieren, ganz wörtlich, auf jede mir bekannte Weise: mit Pistolen, Tasern* und Hupen, mit Wagner und jeder erdenklichen Art von Teufelei.
So ist eine groteske, wilde Struktur entstanden, die die Obszönität streift, aber gerade dadurch versucht, den Sinn des Heiligen zu erneuern und als Marsch des gesamten Orchesters in ein hartes, bitteres Finale mündet. Ich hätte ein wunderschönes Stück schreiben können, aber ich habe ein verstörendes geschrieben, das komisch scheint, aber nicht komisch ist, und das auf eine politische Situation verweist, die nicht nur für Kultur und Musik, sondern für jeden von uns sehr gefährlich zu werden beginnt.
* Taser = Elektroschockpistole
English
Composing is a way to investigate why we need to compose.
With this nice sentence I've spent years trying to write instead of doing it. After a long period of lent using only noises, after having rediscovered the sound and color, thinking not to be able to go further inside my reasons and myself, I went on searching the answers given by other composers, in order to compare them with what I was doing. That was the starting point of a cycle of five orchestral pieces conceived as evocations of five composers, organs and nations.
An organ have been sometimes for centuries in the same place and is the best witness of a musical culture.
"Fiori di Fiori", the first piece of the cycle, was devoted to Frescobaldi. When I found myself in front of the second, the task was definitely blasphemous. How to deal with Johann Sebastian Bach? The only solution was to aggress him, attacking the most perfect thing I know on earth with all the way I could imagine, literally, with guns, tasers, buzzers, with Wagner and all sorts of devilry.
The result is a grotesque, violent and obscene framework that through his violence tries to renew a sense of sacre. I could write a beautiful piece. I wrote a piece that is disturbing, that seems funny but is not, and that point his finger on a political situation that is becoming very dangerous for everyone, and not only for culture and music.
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- Francesco Filidei, Killing Bach für Orchester
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