Die Pianistin und Komponistin Clara Vetter (*1996) aus Sinzheim war schon mit 13 Jahren Jungstudentin an der Musikhochschule Stuttgart, wo sie auch Jazz studierte, bevor sie ihren Master in Kopenhagen machte. „Es gibt wahrscheinlich keine kreative Tätigkeit, die ich nicht interessant finde“, sagt die Jazzpreisträgerin gegenüber SWR2. Am Freitag, den 6. Oktober 2023 ist die Preisverleihung im Theaterhaus Stuttgart.
Clemens Zoch: Sie haben mit klassischem Klavier angefangen – wie sind Sie überhaupt zum Jazz gekommen?
Clara Vetter: Mein Onkel ist auch Jazzpianist. Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, hab ich sein Abschlusskonzert an der Musikhochschule Stuttgart gehört. Das hat mich damals so gefesselt, dass ich mir sagte: wenn ich groß bin, möchte ich auch so etwas spielen können!
Erst als Teenager hatte ich aber den Mut, diese neue Denkweise zu erlernen – mehr zu improvisieren als zu interpretieren. Es hat lange gedauert, bis dabei selbstbewusster wurde, aber ich bin sehr froh, dass ich diesen Weg bisher so gegangen bin und immer weiter gehe.
Wer sind Ihre größten Vorbilder als Musikerin?
Immer wieder lande ich bei Bill Evans, wenn es mir um mehr Klarheit in meinem eigenen Spiel geht. Besonders die Live-Aufnahmen wie die „Village Vanguard Recordings 1961“ mag ich. Viele Musiker*Innen, die durch ihn beeinflusst wurden, haben auch mich beeinflusst, wie zum Beispiel John Taylor. Seine harmonische Sprache und Klangbildung haben mich sehr geprägt und inspiriert.
Auch durch das Hören und Spielen von klassischer Musik aus verschiedenen Epochen lerne ich sehr viel. Aufnahmen von Glen Gould helfen mir sehr, die Wichtigkeit jedes einzelnen Tons wahrzunehmen und mit so einer Aufmerksamkeit auch jede Improvisation anzugehen.
Was ist für Sie gute Musik?
Musik spricht mich besonders an, wenn ich eine große Achtsamkeit bei den Spielenden wahrnehme. Wenn die Spielenden sich selbst und den Mitspielenden gut zuhören und jede einzelne gespielte Note von Bedeutung ist, dann ist die Musik für mich am authentischsten und berührendsten.
Wann haben Sie das Gefühl, dass Ihnen ein Konzert wirklich gelungen ist?
Wenn ich es schaffe, offen und aufmerksam zu bleiben. So nehme ich all die schönen Dinge wahr, die beim Konzert passieren und kann kreativ damit umgehen. Fehler oder eben einfach Ungeplantes kann ich so nutzen, sodass ich auf Ideen komme, die mir sonst nie eingefallen wären.
Wann haben Sie am meisten Spaß beim Musikmachen?
Wenn ich mich ganz frei fühlen kann, zum Beispiel bei Kompositionen, bei denen ich weiß, dass interessante Ideen beim Spielen kommen. Und auch, wenn ich Kolleg*Innen um mich habe, denen ich voll und ganz vertraue und die mir vertrauen.
Offenheit für verschiedene Kunstformen kann sehr helfen, auch im Miteinander offener und verständnisvoller zu sein. Dafür möchte ich mich in meiner Musik stark machen.
YouTube-Video: Das Clara Vetter Trio live im BIX Jazzclub, Stuttgart:
Jazzmusik ist eine Nische – wie begeistern Sie Menschen für Ihre Musik, die eigentlich keinen Jazz hören?
Ich selbst habe durch den Jazz viel über Kommunikation gelernt. Um gut zusammen spielen zu können braucht man viel Aufmerksamkeit anderen und sich selbst gegenüber. Durch Improvisation entsteht ein großes Miteinander, so wie bei einem guten Gespräch. Ich glaube, das kann von allen Menschen wahrgenommen werden und inspiriert vielleicht auch zu mehr Achtsamkeit im zwischenmenschlichen Umgang
Woraus schöpfen Sie Inspiration?
Wenn ich aufmerksam bin, findet sich praktisch überall Inspiration. Ich habe einmal Regentropfen auf einer gestreiften Markise zu Noten umgedeutet, eine Melodie von einem 3D-Drucker oder einen Igel, der über ein Klaviertastatur läuft, transkribiert. Obertöne im Zug oder Motorengeräusche können auch interessante Melodien oder Akkorde hervorbringen.
Womit beschäftigen SIe sich, wenn Sie keine Musik machen?
Ob Malen, Handarbeiten oder Kochen - es gibt wahrscheinlich keine kreative Tätigkeit, die ich nicht interessant finde. Dass ich Musikerin geworden bin, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass es das Medium ist, bei dem es mich am meisten schmerzt, wenn ich sehe, dass irgendein Potential noch nicht genutzt wird. Hier ist der Drang einfach am stärksten immer weiter und tiefgreifender zu forschen.
Mit dem Jazzpreis Baden-Württemberg bekommen Sie auch 10.000 Euro Preisgeld – was haben Sie damit vor?
Für mich als Pianistin ist natürlich die Anschaffung eines Flügels schon immer ein Thema gewesen. Durch dieses Preisgeld werde ich dies angehen können, wofür ich sehr dankbar bin.