Will wirklich jemand Yvonne Catterfelds Sternenhimmel sehen?
Fast wie in einem Verschwörungsmythos macht sich Yvonne Catterfeld in ihrem Hit aus dem Jahr 2003 zur Herrscherin über die Wetterlage: Wolken werden verschoben, die Erde wird gedreht und der Geliebte wird gehalten wie ein Regenbogen. Donnerwetter, was für ein Ohrwurm. Wenn sich der Nebel aus Metaphern verzieht, bleibt vom erwünschten Sonnenschein jedoch nicht viel übrig.
Der naturverliebte Howard C.
„Dort am Fluss, wo die Bäume stehen“: Romantische Maler wie Constable oder Friedrich wären neidisch auf derart kraftvolle Natur-Porträts. Doch der Carpendale-Schlager hat noch mehr zu bieten. Es wird gestalked, wenn das lyrische Ich vor dem Zimmer lauert und sieht, dass noch Licht brennt und schließlich hinaufsteigt. Wie die Liebesgeschichte ausgeht, bleibt ungewiss – zum Glück.
Nur blau erträgt man „Maske in Blau“?
Allgemein wird der Operette Hang zum Kitsch nachgesagt. Wer Fred Raymonds „Maske in Blau“ kennt, erkennt auch schnell warum! Denn wenn Evelyne verkündet, an ihrem Armando würde ihr Herz gesunden, hofft man für sie, dieser Placeboeffekt möge lang anhalten.
Der Liedtext stammt übrigens von Günther Schwenn, dem Mann hinter dem Karnevalshit „Schnaps, das war sein letztes Wort“. Wir können uns vorstellen, warum er einen Kurzen gebraucht hat.
Applaus für nichts, liebe Sportsfreunde
Applaus haben die Sportfreunde Stiller für diesen Song wahrlich nicht verdient. Hier stimmt gar nichts: Die Metrik ist holprig, die Formulierungen unbeholfen und die Bilder furchtbar abgegriffen.
Dabei galten die Sporties im Jahr 2002 mal als die Meister des deutschen Lovesongs. Ihr Hit „Ein Kompliment“ ist zweifellos eine der charmantesten Liebeserklärungen der deutschen Popmusik.
„Applaus, Applaus“ wirkt wie der misslungene Versuch, den Erfolg von damals zu kopieren. Songidee und Struktur hat man einfach kopiert, nur inhaltlich konnte das Niveau nicht gehalten werden. „Hör niemals damit auf / Ich wünsch' mir so sehr du hörst niemals damit auf“: Wie kann man einen Refrain mit so uninspirierten Füll-Sätzen zuballern?
Zum Energiesparen lass deine Wärme hier
„Und gehst du, bleibt deine Wärme hier“ wenn es doch nur so einfach wäre, die Energiekrise, sie wäre gelöst. Doch Peter Maffay hat noch mehr in petto: Frei nach dem Motto „Niemals weint man so ganz“ bringt ihn die Angebetete auch zu einem Lächeln, wenn er eigentlich lieber Tränen vergießen würde. Bei so viel Kitsch möchte man selbst weinen. Mit allen Teilen.
Das Land des gefrorenen Lächelns
Die Arie aus Franz Lehárs Operette „Land des Lächelns“ war ihrerzeit ein großer Gassenhauer, die nach ihrem Interpreten Richard Tauber nur „Tauberlied“ genannt wurde. Wie gut, dass diese Zeiten vorbei sind, denn beim Blick auf den Text bleibt das Lächeln so gefroren wie die vom Sonnenschein ungeküsste Blume.
„Das Beste“ geht anders
Was für ein kraftloses Bild, das die Sängerin auch noch ganz an den Anfang eines Liebeslied stellt, das vor allem wegen seiner sprachlichen Schlichtheit zum Heulen ist. Wessen Liebe trug nicht schon einmal den Namen „Schatz“?
Weiter mag die Ich-Figur den schlafenden Schatz am liebsten die ganze Nacht betrachten. Auch das haben wir schon tausendmal gehört (Wo noch gleich? Ah: „I dont wanna close my eyes / I dont wanna fall asleep …“).
So weit, so unbedeutend. Das Grauen packt einen dann bei dieser Songzeile:
Ihre kleine unbedeutende Miniwelt muss von ihm beschützt werden. Da überlässt sie ihm liebend gern die Kontrolle. Bei diesen verstaubten Rollenbildern stellen sich die Nackenhaare auf. Hatten wir das nicht schon überwunden?
Für die Frau in den Bau
Diese / Krise / Portugiese: Kuriose Reime zeichnen den Song von der Firma aus. Das hat auf jeden Fall Unterhaltungswert.
Er betet sie an, doch sie ist schon vergeben. Wird sie sich am Ende doch für ihn entschieden? Das ist auch nicht gerade kreatives Storytelling, aber bei der Firma gibt’s immerhin eine Auflösung: Er kriegt sie, und versichert ihr:
Das ist so schlecht und gleichzeitig schön, denn bei der Firma scheinen die Reime derart willkürlich aneinandergereiht, dass der Song in seiner unprätentiösen Zwanglosigkeit schon wieder anrührend ist.
Roland Kaiser und das wollüstige lyrisches Ich
Fragen Sie sich auch, was das wollüstige lyrische Ich in Roland Kaisers Schlager den Frauen bislang verschwieg? Und wo war eigentlich die Sonne am Himmel? Yvonne Catterfeld wollte sich doch um die Wolken kümmern!
Sowieso: Ist Roland Kaiser Kardiologe oder warum sind ihm Herzschläge so vertraut? Welches Parfum trägt die Dame, dass die Haut so duftet? Dieser Songtext wirft zahllose Fragen auf, auf dessen Antworten man getrost verzichten kann.
Nur Wagner-Jünger*innen können diese Texte lieben
Komponieren konnte Wagner zwar, lang und ausgiebig, aber alles Sitzfleisch der Welt wappnet einen nicht gegen seine Texte. Nach bereits zwei Stunden im Sessel sorgt das Liebesduett im zweiten Akt von „Tristan und Isolde“ beim Publikum für genauso große Sehnsucht nach Erlösung wie der berühmte Tristanakkord selbst.
Fast wünscht man sich und allen angehenden Wagnerianer*innen, dass der Übertitel sich in der Oper nie durchgesetzt hätte. Der gemeinsame Tod am Ende entschädigt nur leidlich.