Auf den roten Teppichen dieser Welt war für Männer traditionell der Smoking das verbindliche Kleidungsstück. Doch in Zeiten fließender Genderrollen werfen immer mehr Männer die Tradition über Bord und nutzen, ganz wie ihre Kolleginnen, Mode zum kreativen Ausdruck. So auch auf der diesjährigen Met-Gala am 1. Mai. Das politische Klima in den USA macht aus der modischen Entscheidung auch ein Politikum.
Schwarzer Smoking war gestern
Für Männer stand das feierliche Outfit eigentlich immer fest: Smoking, entweder schwarz oder dunkelblau, mit weißem Hemd und schwarzer Fliege war die einzig „richtige“ Wahl. Dass dem heute nicht mehr so ist, zeigten am 1. Mai eindrucksvoll die männlichen Besucher der Met-Gala in New York.
Die Gala, 1948 als Benefiz-Event des Metropolitain Museum of Art ins Leben gerufen, gilt als eine der größten Nächte der Modewelt. In diesem Jahr stand sie ganz im Zeichen des 2019 verstorbenen deutschen Modeschöpfers Karl Lagerfeld.
Perlenketten, fließende Silhouetten, Stolen und Schleppen trugen in diesem Jahr nicht nur die Frauen. Damit setzt sich bei der Gala ein Trend fort, der schon seit einigen Jahren zu beobachten ist: Männer, so scheint es, werden in Sachen Mode immer experimentierfreudiger.
Kleidung ohne Geschlechtergrenzen: Genderfluide Mode erobert Männerschränke
Der Modemut geht einher mit einem neuen Männerbild
Sänger Harry Styles machte die Perlenkette für Herren salonfähig und gilt insgesamt in Sachen modische Freiheit als klarer Trendsetter. Im letzten Jahr sorgte auch Schauspieler und Produzent Brad Pitt für Aufsehen, als er im Rock zur Deutschlandpremiere seines Films „Bullet Train“ erschien.
Genderfluide Mode, so der Fachbegriff, ist zwar zum aktuellen Zeitpunkt noch kein Massentrend, doch die Tatsache, dass sich vermehrt auch heterosexualle Cis Männer in klassisch femininen Stoffen und Schnitten zeigen, lässt zumindest erahnen, dass auch Röcke und gewagtere Schnitte auf Dauer Einzug in die Herrenabteilungen der Modehäuser halten könnten.
Schauspieler Jeremy Pope posiert mit einer üppigen Lagerfeld-Schleppe
In den USA wird genderfluide Mode zum Politikum
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024 versuchen konservative Republikaner in mehreren US-Bundesstaaten, mit trans- und queerfeindlicher Politik bei der Wählerschaft zu punkten. Im Zentrum ihrer Attacken sind Trans Personen und Drag-Performer*innen als sichtbarste Vertreter des Wandels in der Wahrnehmung der Geschlechter.
Floridas Gouverneur Ron DeSantis ließ 2022 Bücher über Homosexualität und Transgender aus dem Unterricht und aus Schulbibliotheken verbannen. In Tennessee hat das Parlament ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass die Imitation des anderen Geschlechts vor Minderjährigen, etwa in Drag-Shows, unter Strafe stellt. Entsprechend enttäuschend ist es, dass nicht wie in den vergangen Jahren Drag-Performerinnen zu den geladenen Gästen der großen Mode-Gala gehörten.
Doch dass prominente Männer bei der Met-Gala ihre Bereitschaft zeigen, mehr Weiblichkeit in ihrer Mode zu wagen, ist darum nicht nur ein modisches, sondern vor allem auch ein politisch-gesellschaftliches Statement.