Social-Media-Idyll am heimischen Herd
Sie putzen, kochen, backen, kümmern sich liebevoll um Kinder und Ehemann und sehen dabei aus wie aus dem Ei gepellt: Tradwives inszenieren sich in Videoclips auf TikTok und YouTube mit makelloser Figur, perfekt frisierten Haaren, in gebügelter Schürze und mit hochhackigen Schuhen als glückliche Hausfrauen mit Sexappeal. Ihr Lebensinhalt ist ihr Haushalt.
Ein prominentes Beispiel ist die ehemalige Miss America Hannah Neeleman, die einen Farmer geheiratet und mit ihm acht Kinder bekommen hat, und deren Videos auf Youtube und Instagram boomen. Die deutsche Influencerin Carolina Tolstik, die auf Mallorca lebt, zelebriert sich als Kunstfigur „Malischka“ beim Pfannkuchen backen und dekoriert das Rührei für ihren Mann mit Blattgold.
Realität unterscheidet sich vom Online-Leben
Das Leben Malischkas und anderer sogenannter „Stay-at-home-Girls“ hat mit dem wahren Leben sehr wenig zu tun. Diese Frauen zeigen in ihren Clips ein entschleunigtes friedliches Leben, in dem es keine Geldsorgen, schmutzige Fingernägel, Wäscheberge oder Stress mit den Kindern gibt.
Dieses Lebensmodell ist jedoch nur für Wohlhabende denkbar. In vielen Familien reicht ein Verdienst allein nicht zum Leben aus. Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2022 rund 69 Prozent der Mütter minderjähriger Kinder berufstätig.
Religiöse Begründung einer gottgewollten Ordnung
Einige Tradwives beziehen sich in ihren Aussagen auf die Bibel und unterstützen die Ansicht, dass es eine natürliche, von Gott gegebene Geschlechterordnung gebe, so wie es der Apostel Paulus im Neuen Testament formuliert. Vor allem in evangelikalen Kreisen in den USA ist diese Frömmigkeit weit verbreitet, dass eine Frau sich ihrem Mann unterordnen solle.
Tradwives feiern ein konservatives Frauenbild
Tradwives sehen ihre Erfüllung im Leben als Hausfrau und Mutter. Dabei werben sie bewusst für eine traditionelle Rollenverteilung, bei der der Ehemann die Familie ernährt und das Geld nach Hause bringt, während die Frau ausschließlich im Haushalt tätig ist, keinen bezahlten Job hat und auf eine berufliche Karriere verzichtet.
Diese Frauen sind finanziell völlig von ihrem Ehemann abhängig. Dieses Frauenbild entspricht der traditionellen gesellschaftlichen Wertevorstellung der 1950er- und 1960er-Jahre.
Ein Nazi-Orden für Mütter mit vielen Kindern
Unter den Nationalsozialisten wurde die Frau als Hausfrau und Mutter glorifiziert und offiziell ausgezeichnet. Adolf Hitler stiftete 1938 das „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“, kurz „Mutterkreuz“, für kinderreiche Mütter. Im Volksmund wurde der Orden auch „Karnickelkreuz“ genannt.
Frauen mit vier Kindern bekamen den Orden in Bronze, mit sechs Kindern in Silber und mit acht Kindern in Gold. Heute zählt das Abzeichen in der Bundesrepublik Deutschland zu den verfassungsfeindlichen Propagandamitteln.
Rechtsextreme Parteien nutzen das Tradwife-Klischee im Wahlkampf
Die Wiener Sozialwissenschaftlerin Rosi Dukek hat Verbindungen zwischen dem Trend der Tradwives und der rechten Szene in Deutschland untersucht. Ihr Arbeit über rechte Narrative und Inszenierungsstrategien im deutschsprachigen Raum zeigt, dass der Kampf gegen den Feminismus die rechte Ideologie mit der Haltung der Tradwives verbindet.
Beide betrachten unter anderem die heterosexuelle Ehe als einzige positive Lebensform. Rechte Parteien wie die AfD bekennen sich in ihren Wahlprogrammen und auf Wahlplakaten zu einem konservativen Frauenbild.
Kritische Stimmen von Aussteigerinnen
Trendbeobachterinnen stellen fest, dass es auch junge Tiktok-Userinnen gibt, die in ihren Kommentaren zu den Tradwife-Videoclips die hier propagierten Werte kritisch hinterfragen oder ablehnen.
Darüber hinaus berichten mehrere Frauen auf unterschiedlichen Internet-Kanälen, dass ihr traditionelles Leben als Hausfrau nicht mehr funktionierte, nachdem sie sich haben scheiden lassen oder ihr Ehemann als Versorger ausfiel. Sobald die finanzielle Versorgung ausfiel, gerieten diese Frau in große Schwierigkeiten bis hin zu Existenznot und Armut.
„Schwäbischer Frauenverein“ fördert Frauenbildung
Das Klischee der Hausfrau und Mutter aufzubrechen und Frauen zu ermutigen, selbst für sich zu sorgen, ist das Ziel des „Schwäbischen Frauenvereins“, der 1873 in Stuttgart gegründet wurde. Der Verein errichtete schon kurz nach der Gründung eine Töchter-Handelsschule, in der junge Frauen für kaufmännische Berufe ausgebildet wurden.
Er vermittelte vielen Frauen Arbeitsstellen und fördert bis heute die Bildung und Ausbildung von Frauen. Die Vermittlung von Kompetenzen steht dabei im Mittelpunkt, von der frühkindlichen Entwicklung bis zum lebenslangen Lernen.
Persiflagen und Karikaturen machen sich über Tradwives lustig
Neben den Tradwife-Videos kursieren im Internet auch eine Menge an Clips, die das Bild der traditionellen Hausfrau aufs Korn nehmen und mit Humor persiflieren. Da zeigt z. B. eine Frau überspitzt, dass sie zuerst einmal melken geht, bevor sie ihrem Mann einen Kuchen backt.
In einigen Videos kommen auch Männer zu Wort, die sich kein Leben mit einem Tradwife wünschen. Einer spricht mit Augenzwinkern davon, dass er viel zu dick würde, wenn er ständig all den Kuchen essen müsste, den seine Frau den ganzen Tag backe.
Ein anderer führt sich zunächst als konservativer Mann auf, der sagt, er helfe seiner Frau nie beim Putzen, Kochen oder bei der Sorge um die Kinder. Doch dann kommt die Wende und er appelliert, auf die Wortwahl zu achten: Er helfe seiner Frau nicht, sondern er putze und koche selbst, denn er und seine Frau seien im Haushalt gleichberechtigt.