Alle reden, keiner hört zu. So scheint es oft in unserer digitalen Gesellschaft zuzugehen, in der permanent gesendet, gepostet und geteilt wird. Doch hören wir überhaupt noch zu? Wie hat sich unser Zuhören verändert? Und: Hören Männer anders zu als Frauen? Das sind Fragen, die die Psychologin Professor Margarete Imhof von der Uni Mainz erforscht. Sie sagt: „Wir hören nicht weniger zu als früher, sondern anders. Die Intensität, mit der wir uns mit den Inhalten beschäftigen und auch die Dauer, die haben sich verändert. Wir sind schneller fertig mit dem Zuhören, also die Aufmerksamkeitsspanne ist möglicherweise kürzer.“
So hätten Studien ergeben, dass Ärzte ihren Patienten durchschnittlich zwei Minuten zuhören und dann ihre Diagnose stellen. Wenn Patienten danach noch wichtige Dinge sagten, bekomme der Arzt oder die Ärztin sie unter Umständen nicht mehr mit.
Und Margarete Imhof plädiert dafür, in Gesprächen auch Pausen wieder zuzulassen. „Ich bin ja viel in Nordamerika unterwegs gewesen, trotzdem überrascht es mich jedes Mal. Wenn man da nur eine Millisekunde Pause lässt, dann wird das ganz schnell peinlich. Die füllen jeden zur Verfügung stehenden Raum mit Wörtern. Und es wird auch sofort erwartet, dass man irgendwie sich äußert, wenn man dran ist“. Es gäbe auch Kulturen, in denen das als sehr unhöflich gelte, wenn man sofort auf einen Sprecher antworte, weil das Gehörte dann noch gar nicht verarbeitet sein könne. Margarete Imhof kennt das aus Finnland.
Und die Zuhörforscherin plädiert dafür, das Zuhören nicht als minderwertiger als das Sprechen einzustufen, sondern es auf die gleiche Stufe zu stellen: „Es gibt so einen schönen Spruch. Irgendwie sagt er: „Es ist noch nie etwas Neues in ein menschliches Gehirn eingedrungen durch einen offenen Mund“. Beim Sprechen erzähle man Dinge, die man schon wisse, nur durch Zuhören könne man Neues erfahren.