Russlands Krieg gegen die Ukraine erschüttert die westliche Welt. Auch die internationale Kulturszene reagiert. Viele Künstler*innen und Institutionen bekunden ihre Solidarität mit der Ukraine, fordern aber auch, den Kontakt zur russischen Kulturszene aufrecht zu erhalten.
Claudia Roth spricht sich für mehr ukrainische Kunst und Kultur aus
Mit einem Plädoyer für mehr ukrainische Kunst und Kultur hat sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Sonntag, den 27. Februar, an Museen, Theater und andere Institutionen in Deutschland gewandt. „Zeigt mehr ukrainische Kunst und Kultur“, so die Grünen-Politikerin.
Gleichzeitig bat Roth, „zeigt aber auch russische Kunst und Kultur – viele Menschen in Russland erheben gerade ihre Stimme, verurteilen den Angriff auf die Ukraine. Zeigt belarussische Kultur – die Menschen dort haben so sehr für die Demokratie gekämpft und müssen gerade erleben, wie aus ihrem Land die Ukraine überfallen wird“.
Akteure aus der Kultur planen indes Benefizkonzerte
In der Zwischenzeit plant der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), ein Wirtschaftsverband der Branche für über 500 Agenturen, Tournee- und Konzertveranstalter, ein Benefizkonzert für die Ukraine. Dessen Einnahmen sollen dem Internationalen Hilfsfonds für Kultur und Bildung gespendet werden.
Auch der Geiger Daniel Hope will am Mittwoch den 2. März ein Konzert mit dem ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov in der Dresdner Frauenkirche geben. Nach Angaben der Stiftung Frauenkirche konnte Botvinov noch rechtzeitig aus seiner Geburtsstadt Odessa vor dem Krieg entkommen und will sich nun mit Mitteln der Kunst für sein Heimatland einsetzen.
Münchner Künstleragentur trennt sich von Gergiev
Der russische Dirigent Valeri Gergiev muss künftig ohne die Dienste seiner in München ansässigen Künstleragentur auskommen. Der Agenturchef Marcus Felsner bezeichnete Gergiev als „den größten lebenden Dirigenten und einen außerordentlichen Menschen mit einem tiefen Sinn für Anstand“. Doch wolle oder könne dieser seine langgehegte Unterstützung für ein Regime, das derartige Verbrechen verübt hat, nicht aufkündigen, kritisierte der Felsner.
„Im Lichte des kriminellen Kriegs, den das russische Regime gegen die demokratische und unabhängige Nation der Ukraine, und gegen die offene europäische Gesellschaft als Ganzes führt, ist es für uns unmöglich und eindeutig unerwünscht geworden, die Interessen von Maestro Gergijew zu vertreten.“, so Felsner.
Opernstar Anna Netrebko äußert sich zum Ukraine-Krieg
Nachdem ihr Auftritt im dänischen Aarhus am 25. Februar abgesagt wurde, äußerte sich die russische Sopranistin Anna Netrebko (50) am Sonntag (27. Februar) öffentlich zur russischen Invasion in die Ukraine. Sie sei gegen diesen Krieg, schrieb die weltberühmte Operndiva in einer Erklärung auf Instagram.
„Ich bin eine Russin und liebe mein Land, aber ich habe viele Freunde in der Ukraine, und der Schmerz und das Leid brechen mir das Herz. Ich möchte, dass dieser Krieg aufhört und die Menschen in Frieden leben können. Das erhoffe ich mir und dafür bete ich.“ Netrebko wandte sich zugleich dagegen, „Künstler oder irgendeine öffentliche Person zu zwingen, ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen“.
Dies sollte eine freie Entscheidung sein. „Ich bin keine politische Person“, erklärte Netrebko. „Ich bin Künstlerin und mein Ziel ist es, über politische Unterschiede hinweg zu vereinen.“
Netrebko und das russische Regime
Im vergangenen Jahr hatte die russisch-österreichische Staatsbürgerin mit einer großen Gala im Kremlpalast in Moskau ihren 50. Geburtstag gefeiert. Bei dem vierstündigen Konzert verlas Kremlsprecher Dmitri Peskow Glückwünsche für Netrebko, die ihn schon bei der Präsidentenwahl unterstützte und bezeichnete sie als „offenen, bezaubernden und gutherzigen Menschen mit einem lebensbejahenden Charakter und einer klaren Position als Bürgerin“.
Russland darf nicht an diesjährigem Eurovision Songcontest teilnehmen
Russland darf wegen seines Einmarsches in die Ukraine nicht am internationalen Musikwettbewerb Eurovision Song Contest (ESC) in Turin teilnehmen. Eine Beteiligung Russlands am diesjährigen ESC würde „den Wettbewerb angesichts der beispiellosen Krise in der Ukraine in Verruf bringen“, erklärte die Europäische Rundfunkunion.
Festspielhaus Baden-Baden erwartet Stellungnahme von Gergiev gegen Putins Krieg
Auch das Festspielhaus Baden-Baden erwartet vom russischen Dirigenten Valery Gergiev eine klare Stellungnahme gegen Putins Krieg in der Ukraine. Intendant Benedikt Stampa äußerte sich am 25. Februar schockiert über den Kriegsausbruch und betonte dennoch die Bedeutung der russischen Kultur: „Es ist uns wichtig, dorthin weiter Brücken zu bauen.“
Bedacht werden müsse bei allem Entsetzen, dass in Russland kaum noch eine freie Meinungsäußerung möglich sei und sich Kritiker*innen in Lebensgefahr brächten, so Stampa. „Dennoch werden wir die rote Linie, die derzeit um Waleri Gergijew als politische Person gezogen wird, mit tragen und solidarisch mit allen Demokratinnen und Demokraten im Sinne einer klaren Haltung agieren.“
Kulturstaatsministerin Roth kündigt eine Million Soforthilfe für flüchtende Kulturschaffende aus der Ukraine an
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat angekündigt, mit einer Million Euro Soforthilfe Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Journalist’innen aus der Ukraine und Russland zu unterstützen. Damit soll flüchtenden Kulturschaffenden die Aufnahme in Deutschland ermöglicht werden.
Journalistinnen und Journalisten wie Kulturschaffende hätten sich in den vergangenen Jahren mit großem Einsatz für eine demokratische Entwicklung in der Ukraine stark gemacht und seien daher nun von der militärischen Aggression Russland besonders bedroht, sagte Roth nach einem Treffen mit mit zehn Kulturschaffenden aus der Ukraine und Russland, die in Deutschland leben und arbeiten.
OB Reiter droht, Gergiev als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker zu kündigen
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) droht dem Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker und Putin-Freund Valery Gergiev mit Rauswurf. Gergiev ist seit 2015 Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, eines städtischen Orchesters.
Reiter habe sich in einem Schreiben direkt an den Dirigenten gerichtet und ihn gebeten, sich „von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt“. Er erwarte „ein klares Signal“ bis Montag, 28. Februar. „Anderenfalls werden wir das Vertragsverhältnis als Chefdirigent beenden müssen.“
Carnegie Hall sagt Auftritte des russischen Dirigenten Valery Gergiev ab
Der Putin-freundliche Stardirigent Valery Gergiev wird nicht wie geplant mit den Wiener Philharmonikern in New York auftreten. Stattdessen wird Yannick Nézet-Séguin, der Musikdirektor der New Yorker Metropolitan Opera, die Konzerte von 25. bis 27. Februar leiten. Das hat die Carnegie Hall ohne Angaben von Gründen bekannt gegeben.
Auch der russische Pianist Denis Mazujew, der die Tournee teilweise
begleiten sollte, wird nicht in der Carnegie Hall spielen. Von Gergiev gab es vorerst keine Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine. Er wolle sich nicht äußern, hieß es von den Münchner Philharmonikern, denen Gergiev als Chefdirigent vorsteht.
Wiener Philharmoniker weisen Kritik wegen Konzerten mit Gergiev zurück
Die Wiener Philharmoniker wehren sich gegen negative Kommentare in den Sozialen Netzwerken. Nach dem Angriff auf die Ukraine kritisierten Nutzer*innen die anstehende Tournee mit Valery Gergiev. Der 68-jährige Dirigent gilt als Freund und Unterstützer von Wladimir Putin.
Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer betonte die jahrzehntelange Verbundenheit seines Ensembles mit Gergiev. „Die Kultur darf nicht zum Spielball von politischen Auseinandersetzungen werden“, sagte er. Die Wiener Philharmoniker verurteilten jede Art von Gewalt und Krieg. „Die Musik hat für uns immer etwas Verbindendes und nichts Trennendes“, sagte Froschauer.