Russlands Krieg gegen die Ukraine erschüttert die westliche Welt. Auch die internationale Kulturszene reagiert. Viele Künstler*innen und Institutionen bekunden ihre Solidarität mit der Ukraine, fordern aber auch, den Kontakt zur russischen Kulturszene aufrecht zu erhalten.
Kultursommer Rheinland-Pfalz: mehr Ukraine und weniger Russland als geplant
Wie geplant wird der Kultursommer Rheinland-Pfalz (1.5.-31.10.2022) mit einem Osteuropa-Schwerpunkt stattfinden. Unter dem Motto „Kompass Europa: Ostwind“ soll auch der Krieg in der Ukraine zum Thema gemacht werden, teilten die Organisatoren bei der Programmvorstellung am 14. April in Mainz mit. So ist etwa aus der mit Wladimir Kaminer geplanten „Russendisko“ eine „Ukrainedisko“ geworden.
Ganz Ausfallen muss hingegen der Auftritt eines Streichquartetts aus Russland, ebenso wie ein in Ludwigshafen geplanter Kulturaustausch mit Kunstschaffenden aus Deutschland und Russland. Von Seiten der Veranstalter habe man sich entschieden, das in diesem Jahr nicht umzusetzen, sagte Kulturministerin Katharina Binz (Grüne) und fügte hinzu: „Sanktionen führen auch dazu, dass Tourneen von Künstlern nicht stattfinden können.“
Anders sieht es dagegen beim Konzert des Jugend-Sinfonieorchesters der Ukraine mit der Dirigentin Oksana Lyniv am 7. August in Kirchheimbolanden aus. Ein Teil der jungen Musiker befinde sich wegen des Krieges bereits in Deutschland, so Binz.
Richters „Kerze“ wird als Kunstdruck für die Ukrainehilfe versteigert
Der in Köln lebende Maler Gerhard Richter hat dem gemeinnützigen Verein „Kunst hilft geben“ fünf Kunstdrucke seiner berühmten Kerzen-Bilder in einem extragroßen Format zur Verfügung gestellt. Die Drucke sind von ihm auf den Tag des Kriegsbeginns, den 24. Februar 2022, datiert. Man könne das Bild als Symbol der Hoffnung oder des Trostes sehen, sagte Richter am Mittwoch, 13. April, der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Köln: „Hoffnung kann man immer haben.“ Ein schnelles Ende des Krieges könne er sich derzeit aber leider nicht vorstellen.
Die Drucke haben ein Startangebot von jeweils 45.000 Euro. Der Erlös sei für Flüchtlinge aus der Ukraine und für Kriegsopfer im Land selber bestimmt, sagte Dirk Kästel von „Kunst hilft geben“. Insgesamt haben 44 Künstler 108 Kunstwerke für den guten Zweck zur Verfügung gestellt, unter ihnen Rosemarie Trockel, Benjamin Katz, Sabine Moritz und Thomas Baumgärtel.
ZKM Karlsruhe hilft beim Schutz von Museumssammlungen in der Ukraine
Mehr als 30 deutsche und österreichische Museen haben sich zusammengeschlossen, um öffentliche Museen in der Ukraine beim Schutz ihrer Kulturgüter und Sammlungen zu schützen. Auch das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe ist Teil dieses Netzwerkes und sammelt benötigtes Verpackungsmaterial wie Luftpolsterfolien, Klebebänder, Schaumstoffrollen und sorgt für den Transport in die Ukraine. Zwar seien dafür keine zusätzlichen Mittel im Budget, aber bei diesen notwendigen Spenden sähe „man auch mal über einen lästigen Paragrafen hinweg und man hilft trotzdem", so Christof Hierholzer, der die Hilfsgüter für das ZKM in Karlsruhe organisiert.
Das ZKM würde auch Depots zur Lagerung von Kulturgütern zur Verfügung stellen, wenn die Kulturgüter evakuiert würden. Das Engagement und die Bereitschaft zum Helfen betrachtet Hierholzer als vorbeugenden Kulturgutschutz und damit als Kern jeder Museumsarbeit.
DAAD startet Online-Plattform für geflüchtete Studierende und Forschende
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat eine Online-Plattform für aus der Ukraine geflüchtete Studierende und Forschende ins Leben gerufen. „Wir gehen derzeit von bis zu 100.000 ukrainischen Studierenden und Forschenden aus, die in nächster Zeit Unterstützung und eine akademische Perspektive in Deutschland benötigen“, erklärte Präsident Joybrato Mukherjee am Montag, 11. April 2022. Dazu brauche es neben finanzieller Hilfsprogramme auch eine zentrale akademische Informationsstelle.
Auf der Online-Plattform finden die ukrainischen Studierenden und Forschenden alle relevanten Antworten für ihr Leben in Deutschland. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat der DAAD nach eigenen Angaben mehr als tausend Anfragen auf seinen Kommunikationskanälen erhalten.
Kulturstaatsministerin Roth sieht ukrainische Kultur in der Öffentlichkeit gestärkt
Claudia Roth (Die Grünen) sieht durch den russischen Angriffskrieg die Kultur in der Ukraine stark bedroht. Im Interview mit der „Heilbronner Stimme“ stellt sie aber fest, dass ihr Aufruf, mehr ukrainische Kultur und Kunst zu zeigen, erfolgreich und zu vielen Veranstaltungen geführt habe. Ukrainische Kultur spiele „in den Feuilletons und in unserem Kulturleben seit dem Kriegsausbruch eine größere Rolle.“ Denn es gehe darum, deutlich zu machen, „dass wir die russische Kultur nicht der Instrumentalisierung durch die Kreml-Herren und ihrer Schergen überlassen.“
Solidaritätssong für die Ukraine: Pink Floyd wieder musikalisch aktiv
Nach jahrzehnterlanger Pause ist die britische Rockband Pink Floyd angesichts des Krieges in der Ukraine für einen Solidaritätssong wieder zusammengekommen. Nach Angaben der Band war es das erste Mal seit fast 30 Jahren, dass die Musiker sich trafen, um einen neuen Song aufzunehmen. Das neue Stück „Hey Hey Rise Up“ ist am 8. April erscheinen. Darin ist auch ein ukrainisches Protestlied zu hören, dass Andrij Chlywnjuk, Sänger der Band Boombox, Ende Februar auf einem Platz in Kiew gesungen hatte.
An dem neuen Song ist auch der Sänger und Gitarristen David Gilmour (76) von Pink-Floyd beteiligt, der ukrainische Verwandte hat. Während der Produktion war er mit Chlywnjuk in Kontakt: „Ich habe ihm am Telefon ein wenig von dem Song vorgespielt, und er gab mir seinen Segen. Wir hoffen beide, dass wir irgendwann in der Zukunft leibhaftig etwas zusammen machen werden.“
Festspielhaus-Chef Benedikt Stampa: „Es gibt keine Sippenhaft.“
Einen differenzierten Umgang mit russischen Künstlern mahnt der Intendant des Baden-Badener Festspielhauses Benedikt Stampa im Interview mit SWR2 an. Zwar müsse das Festspielhaus im Rückblick auf die langjährige Zusammenarbeit mit Putin-Freund und Dirigent Waleri Gergijev noch mal „tief in sich gehen.“ Andererseits fordert er aber, nicht alle Künstler über einen Kamm zu scheren und hält generelle Auftritts- und Aufführungsverbote wie an der New Yorker Met für „brandgefährlich.“ Dazu stellte Stampa klar: „Es gibt keine Sippenhaft, es gibt auch keine Kollektivschuld. Wir Deutschen sollten dies besonders wichtig nehmen.“
Mit den am 9. April beginnenden Osterfestspielen in Baden-Baden zeige das Festspielhaus deutlich, dass nicht die gesamte russische Kultur vom Spielplan abgesetzt würde.
DEFA-Stiftung unterstützt ukrainisches Filmarchiv
Angesichts des Kriegs in der Ukraine ruft die DEFA-Stiftung dazu auf, eines der Filmarchive des Landes zu unterstützen. „Der Krieg bedroht auch das ukrainische Filmerbe“, teilte die Stiftung am Dienstag, 5. April, in Berlin mit. Die Arbeit des bereits vor Kriegsbeginn unterfinanzierten ukrainischen Filmarchivs, das Dovzhenko-Centre, in Kiew ruhe aufgrund finanzielle Probleme. Die Stiftung will daher ihre Einnahmen, die sie im vergangenen Jahr mit der Auswertung des sowjetischen Filmerbes erzielt hat, an das Filmarchiv spenden. Die DEFA-Stiftung will auch das ukrainische Filmerbe stärker in die deutschen Kinos bringen. Dafür werden mehr als 60 Produktionen aus allen Jahrzehnten für Kinobuchungen zur Verfügung gestellt.
Kyiv Symphony Orchestra mit spontaner Deutschlandtournee
Am 25. April startet das Kyiv Symphony Orchestra zu einer einwöchigen Tour durch Deutschland. Das Orchester wird in sieben Städten spielen, unter anderem in der Hamburger Elbphilharmonie, dem Leipziger Gewandhaus und am 29. April im Konzerthaus Freiburg. „Gerade jetzt sollte die Stimme der Ukraine auf der ganzen Welt gehört werden“, so die Musiker*innen des Orchesters. Auf dem Tour-Programm stehen Werke ukrainischer Komponisten. Als Solo-Violinisten werden die aus der Ukraine stammenden Diana Tishchenko und Aleksey Semenenko auftreten.
Kiewer Hochschule ruft zu Online-Performance für Frieden auf
Studenten und Dozenten der Karpenko-Kariy-Universität für Theater, Film und Fernsehen in Kiew rufen zur Teilnahme an einer Online-Performance für den Frieden auf. In dem Aufruf heißt es: „Sagen Sie ein klares STOP zu dem ungeheuerlichen Krieg! Wir sind überzeugt, dass wir gemeinsam der russischen Aggression (...) ein Ende setzen werden!“ Teilnehmer*innen der Performance können sich bis zum 15. April mit zwei-minütigen Stummfilm-Videos beteiligen, die mit einem jeweils muttersprachlichem Aufruf „Frieden für die Ukraine! Frieden für die Welt!“ enden sollen. Geplant ist, alle Videos auf der Webseite der Kiewer Hochschule gemeinsam zu präsentieren.